Leitsatz (amtlich)

1. Ein Antrag i.S.v. § 115 Abs. 3 Satz 1 GWB auf Anordnung anderer vorläufiger Maßnahmen als der Anordnung bzw. Verlängerung eines Zuschlagverbots ist grundsätzlich auch im Beschwerdeverfahren vor dem Vergabesenat statthaft.

2. Zum (hier fehlenden) Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag nach § 115 Abs. 3 Satz 1 GWB analog bei Doppelausschreibung.

 

Verfahrensgang

2. Vergabekammer (Aktenzeichen 2 VK LVwA 16/06)

 

Tenor

Die jeweils gleichlautenden Anträge der Antragstellerinnen zu 1) und zu 2) auf Anordnung weiterer vorläufiger Maßnahmen werden verworfen.

 

Gründe

I. Die Antragsgegnerin, eine Beteiligungsgesellschaft privaten Rechts zur Planung, Bauvorbereitung und Baudurchführung für die Bundesfernstraßenprojekte Deutsche Einheit, deren Gesellschafter zu 50 % der Bund und zu je 10 % die Bundesländer Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sind, schrieb im März 2005 den oben genannten Bauauftrag EU-weit im Offenen Verfahren auf der Grundlage der Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB) - Ausgabe 2002 - zur Vergabe aus. Der geschätzte Auftragswert netto liegt etwa bei 26 Mio. EUR.

Bis zum Ablauf der Angebotsfrist gaben sieben Unternehmen insgesamt sieben Haupt- und 49 Nebenangebote ab. Ausweislich des Submissionsprotokolls reichte die Antragstellerin zu 1) das preislich günstigste Hauptangebot i.H.v. 27.894.044,99 EUR und die Antragstellerin zu 2) das zweitgünstigste Hauptangebot ein, welches unter weiterer Berücksichtigung von Änderungsvorschlägen und unter Einbeziehung eines angebotenen pauschalen Preisnachlasses auf eine geprüfte Angebotssumme i.H.v. 28.999.841,89 EUR endete.

Die Antragsgegnerin beabsichtigte zunächst, das Hauptangebot der Antragstellerin zu 1) wegen angeblicher unzulässiger Preisverlagerungen nach §§ 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b) i.V.m. 21 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A von der weiteren Wertung auszuschließen. Hiergegen wandte sich die Antragstellerin zu 1) mit einer - erfolglosen - Rüge und mit einem - letztlich erfolgreichen - Nachprüfungsverfahren. Das OLG Naumburg verpflichtete die Antragsgegnerin mit Beschl. v. 22.9.2005 - 1 Verg 7/05, OLGReport Naumburg 2006, 90 (= VergabeR 2005, 779 = ZfBR 2005, 834), die Wertung der Angebote unter Einbeziehung des Hauptangebots der Antragstellerin zu 1) sowie unter Berücksichtigung der Rechtsauffassungen des OLG Naumburg zu wiederholen.

Nachdem die Antragsgegnerin die Angebote erneut geprüft und im Rahmen der Wertung z.T. von einem veränderten Beschaffungsbedarf ausgegangen war, teilte sie beiden Antragstellerinnen mit Schreiben vom 3.3.2006 jeweils mit, dass sie die Ausschreibung im Hinblick auf notwendige grundlegende Änderungen der Verdingungsunterlagen aufhebe. Beide Antragstellerinnen rügten die Aufhebung als vergaberechtswidrig. Die Antragsgegnerin half den Rügen nicht ab.

Die Antragstellerinnen beantragten bei der 2. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt die Nachprüfung der Aufhebung mit dem Ziel, dass die Antragsgegnerin verpflichtet werden möge, das Vergabeverfahren fortzuführen.

Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsanträgen der Antragstellerinnen nach mündlicher Verhandlung durch Beschluss vom 23.5.2006 jeweils stattgegeben und der Antragsgegnerin aufgegeben, die Aufhebung rückgängig zu machen und das Vergabeverfahren unter Berücksichtigung der Rechtsansichten der Vergabekammer fortzuführen. Hiergegen hat die Antragsgegnerin am 12.6.2006 sofortige Beschwerde erhoben. Sie begehrt die Abänderung der Entscheidung der Vergabekammer und die Zurückweisung der Nachprüfungsanträge der Antragstellerinnen als unbegründet.

Am 3.7.2006 sandte die Antragsgegnerin die Bekanntmachung der Vergabe eines Bauauftrags mit identischer Bezeichnung im Offenen Verfahren an das Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften; die Bekanntmachung wurde im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 13.7.2006 (S-131) veröffentlicht. Die Angebotsfrist für diese Ausschreibung (künftig: zweites Vergabeverfahren) endet am 11.8.2006, 10:00 Uhr.

Die Antragstellerin zu 1) rügte die zweite Ausschreibung am 10.7.2006 als vergaberechtswidrig und beantragte nach der ausdrücklichen Weigerung der Antragsgegnerin, dieses neue Vergabeverfahren bis zur Entscheidung über die Fortführung oder Aufhebung des ersten Vergabeverfahrens auszusetzen, am 17.7.2006 die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens bei der 2. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt des Landes Sachsen-Anhalt. Gleichzeitig stellte die Antragstellerin zu 1) einen Antrag nach § 115 Abs. 3 Satz 1 GWB mit dem Begehren, der Antragsgegnerin möge vorläufig untersagt werden, das zweite Vergabeverfahren fortzuführen.

Die Antragstellerin zu 1) hat zudem im vorliegenden Beschwerdeverfahren mit Schriftsatz vom 20.7.2006 beantragt, der Antragsgegnerin bis zur Entscheidung in der Hauptsache vorläufig zu untersagen, das zweite Vergabeverfahren fortzuführen. Die Antragstellerin zu 2) hat sich diesem Antrag am 27.7.2006 ausdrücklich angeschlossen. Beide Antra...

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