Leitsatz (amtlich)

Gegen die Ablehnung eines Antrags der Staatsanwaltschaft auf Anordnung einer Ergänzungspflegschaft für ein minderjähriges Kind zur Entscheidung über ein Zeugnisverweigerungsrecht des Kindes (§ 52 Abs. 2 StPO) kann die Staatsanwaltschaft als Behörde Beschwerde einlegen; sie ist beschwerdebefugt.

 

Verfahrensgang

AG Aschersleben (Beschluss vom 09.07.2013; Aktenzeichen 14 F 141/13)

 

Tenor

Die Beschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss des AG - Familiengerichts - Aschersleben vom 9.7.2013 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Für das Beschwerdeverfahren werden keine Gerichtskosten erhoben.

Der Beschwerdewert beträgt EUR 3.000.

 

Gründe

I. Die Beteiligte zu 1 (Staatsanwaltschaft) wendet sich gegen die Ablehnung der Anordnung einer Ergänzungspflegschaft für das betroffene 11-jährige Kind.

Nachdem die Beteiligten zu 2 und 3 eine nichteheliche Lebensgemeinschaft aufgenommen hatten, ging daraus das (am 9.1.2002 geb.) Kind S. hervor, um das es im vorliegenden Sorgerechtsverfahren geht. Die Beteiligte zu 2 (Kindesmutter) wurde Inhaberin der alleinigen elterlichen Sorge (§ 1626a Abs. 2 BGB), und in einer Jugendamtsurkunde des Landkreises A. vom 21.1.2002 erkannte der Beteiligte zu 3 (Kindesvater) - mit Zustimmung der Beteiligten zu 2 - die Vaterschaft an. Nachdem sich die Beteiligten zu 2 und 3 (Kindeseltern) getrennt hatten, gaben sie am 6.10.2008 vor dem Jugendamt des S. Kreises (Beteiligten zu 4) gemeinsame Sorgerechtserklärungen ab, so dass sie Inhaber der gemeinsamen elterlichen Sorge wurden (§§ 1626b ff. BGB).

Im Jahre 2008 wechselte das Kind vom Haushalt der Kindesmutter in denjenigen des Kindesvaters, und im selben Jahr nahm der Kindesvater eine Beziehung zu F. R. auf, die in seinen Haushalt einzog. Im April 2012 trennte sich Frau R. vom Kindesvater und zog aus der Wohnung aus.

Am 23.1.2013 erstattete die Polizeidienststelle St. gegen Frau R. Strafanzeige, weil der Verdacht bestehe, dass sie, als sie noch im Haushalt des Kindesvaters lebte, das Kind mehrfach geschlagen habe (Körperverletzung nach § 223 StGB). Das Kind hatte nämlich bei einer Befragung durch die Kriminalpolizei vom selben Tag geschildert, von Frau R. fast jeden Tag geschlagen worden zu sein, wenn diese "schlechte Laune" gehabt habe. Da der Kindesvater (Beteiligte zu 3) bei seiner zeugenschaftlichen Vernehmung vom 23.1.2013 lediglich angab, das Kind habe es ihm "nie gesagt" - nur vor ca. zwei Jahren habe er zweimal "beobachtet", dass Frau R. das Kind geschlagen habe, damals sei er aber "dazwischengegangen" - und Frau R. bei ihrer Beschuldigtenvernehmung behauptete, nicht sie, sondern der Kindesvater habe das Kind geschlagen, leitete die Beteiligte zu 1 (Staatsanwaltschaft) mit Verfügung vom 5.3.2013 auch gegen den Kindesvater ein Ermittlungsverfahren (wegen Körperverletzung nach § 223 StGB) ein.

Um das Kind - nochmals - zeugenschaftlich vernehmen zu können, machte die Staatsanwaltschaft am 7.3.2013 beim Familiengericht den Antrag anhängig, dem Kind einen Ergänzungspfleger zu bestellen; da auch der mitsorgeberechtigte Kindesvater Beschuldigter sei, könnten die sorgereberechtigten Kindeseltern (Beteiligten zu 2 und 3) nämlich nicht darüber entscheiden, ob das Kind sein Zeugnisverweigerungsrecht ausübe (§ 52 Abs. 2 Satz 2 StPO). Bis zu diesem Zeitpunkt wurde allerdings die - weitere - "Aussagebereitschaft" des Kindes nicht geprüft.

Die in dem familiengerichtlichen Verfahren (§ 151 Nr. 5 FamFG) zuständige Rechtspflegerin (§ 3 Nr. 2a RPflG) hörte am 28.5.2013 das 11-jährige Kind persönlich an; dabei erklärte das Kind - dem kein Verfahrensbeistand bestellt wurde -, "nicht" mehr "bereit" zu sein, zum Sachverhalt "auszusagen". Mit Rücksicht darauf sah das Familiengericht von weiteren Verfahrenshandlungen - einschließlich der persönlichen Anhörung der sorgeberechtigten Eltern - ab und fragte unter dem 13.6.2013 bei der Staatsanwaltschaft an, ob sich die Anregung, einen Ergänzungspfleger zu bestellen, "erledigt" habe.

Als die Staatsanwaltschaft um eine rechtsmittelfähige Entscheidung bat, lehnte die Rechtspflegerin die Bestellung eines Ergänzungspflegers mit Beschluss vom 9.7.2013 ab.

Gegen diese - ihr am 12.7.2013 zugestellte - Entscheidung wendet sich die Staatsanwaltschaft (Beteiligte zu 1) mit der am 31.7.2013 beim Familiengericht eingelegten und sogleich begründeten Beschwerde, mit der sie die fehlende Aussagebereitschaft des Kindes bezweifelt und rügt, nicht das Kind, sondern ein (psychologisch geschulter) Ergänzungspfleger habe darüber zu entscheiden, ob das Kind sein "Zeugnisverweigerungsrecht" ausübe.

II. Die form- und fristgemäße Beschwerde ist zwar zulässig (§§ 58 ff. FamFG), aber nicht begründet:

1. Die Beschwerde ist zulässig, weil die Staatsanwaltschaft beschwerdeberechtigt ist:

a) Bereits nach dem bis 1.9.2009 geltenden früheren Verfahrensrecht (FGG) wurde die Staatsanwaltschaft in Fällen nach § 52 Abs. 2 StPO als beschwerdeberechtigt angesehen. Die Beschwerdebefugnis wurde zwar damals nicht darauf gestützt, dass die Staatsanwaltscha...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?