Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiedereinsetzung in eine versäumte Beschwerdefrist in einer Familiensache: Anwaltsverschulden bei fehlender Rechtsmittelbelehrung
Leitsatz (amtlich)
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Versäumung der Beschwerdefrist kann im Falle anwaltlicher Vertretung nicht darauf gestützt werden, dass der angefochtene Beschluss entgegen § 39 FamFG keine Rechtsmittelbelehrung enthält. Von einem anwaltlichen Interessenvertreter, dessen Verschulden dem Verschulden des vertretenen Beteiligten gleich steht, ist zu erwarten, dass er unabhängig von einer Belehrung durch das Gericht zumindest den Gesetzestext für fristgebundene Rechtsmittel in Familiensachen (nach neuem Recht) kennt.
Normenkette
FamFG §§ 39, 113 Abs. 1; ZPO § 85 Abs. 2, § 233
Verfahrensgang
AG Haldensleben (Beschluss vom 03.05.2010; Aktenzeichen 16 F 651/09) |
Tenor
1. Der Antrag des Antragstellers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der versäumten Beschwerdefrist wird zurückgewiesen.
2. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den am 3.5.2010 verkündeten Beschluss des AG - Familiengericht - Haldensleben, Zweigstelle Wolmirstedt (Az.: 16 F 651/09) wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.
3. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf einen Wert der Gebührenstufe bis zu 5.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Mit seinem am 19.11.2009 beim AG eingegangenen Vollstreckungsabwehrantrag will der Antragsteller die Zwangsvollstreckung aus einem Unterhaltstitel für unzulässig erklären lassen.
Der angefochtene Beschluss vom 3.5.2010, der keine Rechtsbehelfsbelehrung (§ 39 FamFG) enthält, wurde dem Antragsteller am 11.5.2010 zugestellt. Die einmonatige Frist zur Einlegung der Beschwerde beim Familiengericht (§§ 63 Abs. 1, 64 Abs. 1 FamFG) lief demnach am 11.6.2010 ab. An diesem Tag ging die Beschwerdeschrift lediglich beim OLG Naumburg, nicht aber beim AG ein. Mit Verfügung des Senatsvorsitzenden vom 23.6.2010 wurde der Antragsteller auf Bedenken gegen die Zulässigkeit des eingelegten Rechtsmittels hingewiesen, weil dieses entgegen der seit 1.9.2009 maßgeblichen Rechtslage nicht beim AG, sondern beim OLG eingelegt wurde.
Mit am 12.7.2010 bei dem OLG eingegangenem Schriftsatz vom 9.7.2010 hat der Antragsteller einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist gestellt und diesen mit dem Fehlen einer Rechtsbehelfsbelehrung im angefochtenen Beschluss vom 3.5.2010 begründet.
II.1. Für das gesamte Verfahren ist die seit dem 1.9.2009 maßgebliche Rechtslage zu berücksichtigen, denn es wurde am 19.11.2009 durch Antragseingang beim AG eingeleitet (Art. 111 Abs. 1 S. 1 FGG-RG).
Der Antrag auf Gewährung von Wiedereinsetzung hat nach diesem Maßstab keinen Erfolg.
Das Gesuch des Antragstellers ist unbegründet, denn er war nicht ohne sein Verschulden gehindert, die gesetzliche Frist des § 63 Abs. 1 FamFG von einem Monat für die Einlegung der Beschwerde beim AG (§ 64 Abs. 1 FamFG) einzuhalten (§ 113 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 233 ZPO), wobei das Verschulden seiner Verfahrensbevollmächtigten seinem eigenen Verschulden gleich steht (§ 113 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO).
Zwar ist der angefochtene Beschluss entgegen § 39 FamFG nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen. Dies führt aber nicht dazu, dass der anwaltlich vertretene Antragsteller sein Rechtsmittel in zulässiger Weise (auch) beim OLG einlegen und sich darauf verlassen durfte, damit sei die Beschwerdefrist gewahrt. Die verfahrensrechtlich richtige und erforderliche Vorgehensweise bei der Einlegung von Rechtsmitteln ergibt sich nämlich unmittelbar und eindeutig aus dem Gesetz. Von einem anwaltlichen Interessenvertreter ist zu erwarten, dass er unabhängig von einer Belehrung durch das Gericht zumindest den Gesetzestext für fristgebundene Rechtsmittel in Familiensachen kennt (vgl. OLG Stuttgart NJW 2010, 1978). Dies gilt im hier vorliegenden Fall erst recht deshalb, weil es sich bei der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers um eine Fachanwältin für Familienrecht handelt und das neue Verfahrensrecht einschließlich der Übergangsvorschriften im Zeitpunkt des Ablaufs der Beschwerdefrist bereits seit über neun Monaten galt (vgl. auch Zöller/Greger, ZPO, 28. Aufl., § 233 Rz. 23, Stichwort "Rechtsirrtum", Unterpunkt "Gesetzeskenntnis").
2. Da keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist in Betracht kommt und die Einlegung der Beschwerde beim OLG die Beschwerdefrist nicht gewahrt hat (vgl. hierzu HK-Familienverfahrensrecht/Klussmann, § 64 FamFG Rz. 3; Zöller/Feskorn, ZPO, 28. Aufl., § 64 FamFG Rz. 3), musste der Senat die Beschwerde des Antragstellers als unzulässig verwerfen (§ 68 Abs. 2 S. 2 FamFG).
3. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 113 Abs. 1 FamFG, 97 Abs. 1 ZPO. Die Festsetzung des Verfahrenswerts beruht auf §§ 40 Abs. 1 S. 1, 51 Abs. 2 S. 1 FamGKG.
Fundstellen
Haufe-Index 2466437 |
MDR 2011, 387 |
FamFR 2010, 496 |