Leitsatz (amtlich)

Bei behördlicher Vaterschaftsanfechtung kann die Weigerung eines Beteiligten zur Durchführung der für ein gerichtlich angeordnetes Abstammungsgutachten erforderlichen Untersuchungen auch darauf gestützt werden, dass die Voraussetzungen nach § 1600 Abs. 3 BGB - Fehlen einer sozial-familiären Beziehung zwischen dem Kind und dem Anerkennenden zum gegenwärtigen Zeitpunkt oder im Zeitpunkt der Anerkennung oder seines Todes - nicht vorliegen. Über die Rechtmäßigkeit der Weigerung entscheidet das Gericht in einem sog. Zwischenverfahren nach § 178 Abs. 2 FamFG i.V.m. §§ 386 f. ZPO. Darlegungs- und Beweispflichtig für das Vorliegen dieser Bedingung ist die Behörde. Kann diese Bedingung nicht festgestellt werden, ist die Einholung des Abstammungsgutachtens nicht erforderlich und die Verweigerung berechtigt.

 

Verfahrensgang

AG Schönebeck (Beschluss vom 04.08.2011; Aktenzeichen 5 F 267/10)

 

Tenor

1. Der Antragsgegnerin zu 3 wird zur Verteidigung der angefochtenen Zwischenentscheidung ratenfreie Verfahrenskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt H. beigeordnet.

2. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen die Zwischenentscheidung des AG - Familiengerichts - Schönebeck vom 4.8.2011 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Der Beschwerdewert beträgt EUR 2.000.

 

Gründe

I. In dem vorliegenden behördlichen Vaterschaftsanfechtungsverfahren, welches der Antragsteller (Landesverwaltungsamt) am 29.4.2010 beim Familiengericht anhängig gemacht hat (§ 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB), um die rechtliche Vaterschaft des Antragsgegners zu 2 hinsichtlich des (am 19.3.2008 geb.) Kindes M. S. (Antragsgegnerin zu 1) zu beseitigen, wendet sich das Amt (Antragsteller) gegen den Erlass einer gerichtlichen Zwischenentscheidung.

1. Nachdem das Amt (Antragsteller) beim Familiengericht das vorliegende Vaterschaftsanfechtungsverfahren anhängig gemacht hatte, stellten die Antragsgegner zu 2 (rechtlicher Vater) und 3 (Kindesmutter) jeweils einen Antrag auf Aussetzung des Verfahrens. Diese Anträge wies das Familiengericht mit Beschluss vom 20.7.2010 ab und erließ in derselben Entscheidung einen Beweisbeschluss zur Frage der biologischen Vaterschaft des Antragsgegners zu 2 (wegen weiterer Einzelheiten nimmt der Senat auf seinen im Verfahrenskostenhilfeprüfungsverfahren ergangenen Einzelrichterbeschluss vom 12.10.2010 Bezug - zu 8 WF 262/10 und 8 WF 263/10 OLG Naumburg).

Im Anschluss an den Beweisbeschluss vom 20.7.2010 verweigerten die Antragsgegner zu 2 und 3 ihre Einwilligung in die genetische Abstammungsuntersuchung sowie in die Entnahme einer für die Untersuchung geeigneten genetischen Probe (§ 178 Abs. 2 FamFG i.V.m. § 386 ZPO) und reichten am 12. und 13.8.2010 jeweils einen Antrag auf Erlass einer gerichtlichen Zwischenentscheidung über die Rechtmäßigkeit ihrer Weigerungen ein (§ 178 Abs. 2 FamFG i.V.m. § 387 Abs. 1 ZPO). Daraufhin führte das Familiengericht das Hauptsacheverfahren nicht weiter fort und leitete das vorliegende Zwischenverfahren ein.

2. Nachdem das Familiengericht über die Frage der Rechtmäßigkeit der Weigerungen am 16.11.2010 mit den Beteiligten und ihren Verfahrensbevollmächtigten mündlich verhandelt und Termin zur Verkündung einer Entscheidung im Zwischenverfahren auf den 7.12.2010 anberaumt hatte, erließ es im Verkündungstermin einen "Zwischenbeschluss", mit dem die "Anträge der Beteiligten zu 2 und 3 mit dem Ziel der Aufhebung des Beweisbeschlusses ... vom 20.7.2010 ... zurückgewiesen" wurden.

Auf die zulässigen sofortigen Beschwerden der Antragsgegner zu 2 und 3 (§ 178 Abs. 2 FamFG i.V.m. § 387 Abs. 3 und §§ 567 ff. ZPO) hob der Senat den angefochtenen "Zwischenbeschluss" vom 7.12.2010 mit einem Einzelrichterbeschluss vom 15.2.2011 auf und verwies das Zwischenverfahren zu weiteren Ermittlungen an das Familiengericht zurück; das Familiengericht hatte nämlich weder das Kind (Antragsgegnerin zu 1) persönlich angehört noch - und das ist entscheidend - Feststellungen zur Interaktion zwischen dem Kind und seinem rechtlichen Vater (Antragsgegner zu 2) getroffen und damit das Fehlen einer "sozial-familiären Beziehung" zwischen dem Kind und seinem rechtlichen Vater (§ 1600 Abs. 3 BGB) verfrüht verneint (wegen der Einzelheiten nimmt der Senat auf seinen Einzelrichterbeschluss vom 15.2.2011 Bezug - zu 8 WF 19/11 OLG Naumburg - [Bl. 67 II ff. d.A.]).

Im Anschluss an die Aufhebung und Zurückverweisung holte das Familiengericht am 26.5.2011 in Anwesenheit des Verfahrensbeistands des Kindes - im Kindergarten - die unterbliebene Interaktionsbeobachtung nach, bei der sich das Familiengericht auch einen Eindruck von der Person des Kindes verschaffte (Bl. 143 II d.A.); außerdem führte das Familiengericht eine "kindgerechte Unterhaltung" mit dem Kind durch, wie es in der mit dem vorliegenden Rechtsmittel angefochtenen Zwischenentscheidung des Familiengerichts vom 4.8.2011 ausgeführt hat, so dass auch von einer persönlichen Anhörung des 3-jährigen Kindes auszugehen ist (die übrigen Beteiligten hatte das Familiengericht bereits in der mündlich...

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