Leitsatz (amtlich)
Bei einem aufgrund einer Entscheidung gem. § 1598a BGB (Ersetzung der Einwilligung in eine genetische Untersuchung zur Klärung der leiblichen Abstammung) eingeholten Gutachten handelt es sich um ein Privatgutachten, dessen Verwertung in einem nachfolgenden Vaterschaftsanfechtungsverfahren gem. § 177 Abs. 2 FamFG nur mit Zustimmung der Beteiligten, also nur mit Zustimmung des Gegners zulässig ist.
Verfahrensgang
AG Aschersleben (Beschluss vom 04.12.2012; Aktenzeichen 4 F 335/12 AB) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin (Betroffenen) wird der Beschluss des AG - Familiengerichts - Aschersleben vom 4.12.2012 aufgehoben und das Verfahren, auch zur Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an das Familiengericht zurückverwiesen.
Der Beschwerdewert beträgt EUR 2.000.
Gründe
I. Der Antragsteller begehrt von der Antragsgegnerin (Betroffenen) die Feststellung, nicht ihr Vater zu sein.
Der (am 14.12.1941 in H. geb.) Antragsteller hat mit der (am 20.8.1942 in H. geb.) H. R. geb. G. am 22.7.1961 in H. (damals DDR, heute Sachsen-Anhalt) die Ehe geschlossen. Nach der Eheschließung brachte die Ehefrau des Antragstellers die (am 3.10.1965 geb.) Antragsgegnerin (Betroffene) zur Welt. Um die Frage, ob der Antragsteller der Vater der Antragsgegnerin (Betroffenen) ist, geht es im vorliegenden Vaterschaftsanfechtungsverfahren.
Da der Antragsteller bei der Geburt der Antragsgegnerin mit der Kindesmutter verheiratet war, wurde er rechtlicher Vater der Antragsgegnerin (§ 1591 BGB in der damals in der DDR geltenden a.F.). An seiner rechtlichen Vaterschaft änderte sich mit dem In-Kraft-Treten des DDR-FGB am 1.4.1966 nichts (§ 27 Nr. 1, § 28 DDR-EGFGB i.V.m. § 63 Abs. 3 Satz 3 DDR-FGB). Auch das mit der Wiedervereinigung vom 3.10.1990 im Beitrittsgebiet wieder in Kraft getretene Bürgerliche Gesetzbuch (Art. 8 EVertr i.V.m. Art. 230 Abs. 2 und Art. 234 § 1 EGBGB) sieht den Antragsteller - mit Rücksicht auf seine Ehe mit der Mutter der Antragsgegnerin - als rechtlichen Vater der Antragsgegnerin an (§ 1592 Nr. 1 BGB in der heute geltenden n.F.).
Am 1.12.2005 verstarb die Mutter der Antragsgegnerin (Betroffenen).
Nachdem das BVerfG mit Urteil vom 13.2.2007 entschieden hatte, aus Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 des Grundgesetzes ergebe sich nicht allein das Recht eines Mannes auf Kenntnis der Abstammung eines ihm rechtlich zugeordneten Kindes, sondern auch ein Anspruch des Mannes auf Verwirklichung seines Rechts, so dass der Gesetzgeber dem Mann - unabhängig von den Voraussetzungen eines Vaterschaftsanfechtungsantrags und der Darlegungs- und Feststellungslast in einem derartigen Verfahren (§§ 1600 ff. BGB) - einen Verfahrensweg eröffnen müsse, mit dem er sein Recht auf Kenntniserlangung durchsetzen könne (BVerfG FamRZ 2007, 441 ff.), und der Gesetzgeber diesen Vorgaben mit dem Gesetz zur Klärung der Vaterschaft vom 26.3.2008 Folge geleistet hatte, mit dem die am 1.4.2008 in Kraft getretene Bestimmung zu § 1598a BGB in das vierte Buch des Bürgerlichen Gesetzbuchs eingefügt wurde (BGBl. 2008 I, S. 441 ff.), forderte der Antragsteller die Antragsgegnerin auf der Grundlage der neu geschaffenen Bestimmung zu § 1598a BGB mit Schreiben vom 12.8.2009 auf, in eine genetische Abstammungsuntersuchung einzuwilligen und die Entnahme einer für die Untersuchung geeigneten genetischen Probe zu dulden (§ 1598a Abs. 1 Nr. 1 BGB).
1. Als die Antragsgegnerin nicht reagierte, machte der Antragsteller am 3.9.2009 beim Familiengericht den Antrag anhängig, die Antragsgegnerin zu verpflichten, in die Abstammungsuntersuchung einzuwilligen und die Entnahme der Probe zu dulden (§ 169 Nr. 2 FamFG i.V.m. § 1598a Abs. 1 Nr. 1 BGB). In jenem Verfahren (BA 4 F 242/09 AG Aschersleben) begründete der Antragsteller nicht, aus welchem Grund er seine biologische Vaterschaft geklärt wissen wollte, d.h. ob er etwa Kenntnis von Tatsachen erlangt hatte, welche die Annahme rechtfertigen konnten, die Voraussetzungen für eine Vaterschaftsanfechtung seien gegeben, und zu welchem Zeitpunkt eine Kenntniserlangung stattgefunden hatte (§§ 1600 ff. BGB). Lediglich die Antragsgegnerin wandte ein, der Antragsteller habe die - für eine Vaterschaftsanfechtung maßgebende - zweijährige Anfechtungsfrist (§ 1600b BGB) nicht eingehalten, weil es schon "Zeit ihres Lebens Zweifel an ihrer biologischen Abstammung" gebe, wie sie mit einem - in Ablichtung zu den Akten gereichten - "handgeschriebenen Schriftstück" des Antragstellers (Bl. 54 d.A.) beweisen könne. Die Antragsgegnerin führte weiter aus, "der Antragsteller und ihre Mutter" hätten sie, die Antragsgegnerin, schon im Alter von sechs Monaten "weggegeben", so dass sie bei ihrer Urgroßmutter habe aufwachsen müssen; eine "Kollegin ihrer Mutter" habe ihr, der Antragsgegnerin, bereits bei einem Berufspraktikum im Jahre 1994 "ins Gesicht gesagt", nicht die leibliche Tochter des Antragstellers zu sein (Bl. 16 f., 36 ff. BA 4 F 242/09 AG Aschersleben = 8 UF 26/10 OLG Naumburg).
Da der Klärungsanspruch nach § 1598a BGB, den der Ant...