Leitsatz (amtlich)
1. Von der Justizvollzugsanstalt ist das für den Vollzug der Sicherungsverwahrung geltende Abstandsgebot auch bei der Ermessensentscheidung über die Ausstattung der Verwahrräume zu berücksichtigen.
2. Die zulässige Anbindung der Sicherungsverwahrung an die Infrastruktur und das Sicherheitsmanagement einer Justizvollzugsanstalt rechtfertigen nicht jede Gleichbehandlung bei der Ausstattung zwischen Sicherungsverwahrten und Strafgefangenen.
3. Bei der Abwägung der Interessen von Sicherungsverwahrten und dem Kontrollaufwand der Vollzugsanstalt ist zu beachten, dass die Grenze des zumutbaren Aufwands beim Vollzug der Sicherungsverwahrung nicht bereits dann erreicht ist, wenn die Einhaltung des geforderten Sicherheitsstandards nur mit zusätzlichen Anstrengungen gegenüber dem Strafvollzug erreicht werden kann.
4. Der freiheitsorientierte Vollzug der Sicherungsverwahrung gebietet es, den Verwahrraum eines Sicherungsverwahrten "wohnlich" auszustatten. Dem genügt eine Ausstattung mit Metallmöbeln nicht. Die Ausstattung des Verwahrraumes mit angemessenem Mobiliar aus anderen Materialen stellt keine Zusatzleistung dar, die von einer Finanzierung durch den sicherungsverwahrten Antragsteller abhängig gemacht werden kann.
Verfahrensgang
LG Stendal (Entscheidung vom 26.10.2011; Aktenzeichen 508 StVK 919/11) |
Tenor
1. Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers werden der Beschluss des Landgerichts Stendal vom 26. Oktober 2011 und der Bescheid der Antragsgegnerin vom 25. August 2011 aufgehoben.
2. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, den Antrag des Antragstellers vom 4. Juli 2011 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu bescheiden.
3. Die Landeskasse trägt die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Antragstellers in beiden Rechtszügen.
4. Der Streitwert wird auf 600,00 € festgesetzt.
Gründe
I. Der Antragsteller ist seit 2008 in der Sicherungsverwahrung untergebracht, seit Juni 2010 in der Abteilung für Sicherungsverwahrte der Justizvollzugsanstalt B..
Nach den Feststellungen des Landgerichts wurden im Juni 2011 die bis dato als "Haftraum" bezeichneten Verwahrräume für Sicherungsverwahrte als "Wohnraum" gekennzeichnet. Der Antragsteller beantragte am 4. Juli 2011 bei der Antragsgegnerin, seinen "Wohnraum" entsprechend der Bezeichnung "wohnlich" einzurichten, zum Beispiel durch "Holzmöbel, Schrankwand, Sessel, Bett u. ä.". Die vorhandenen "Blechmöbel" seien Bestandteil des Strafvollzuges und verstießen gegen das Abstandsgebot. Die Antragsgegnerin teilte dem Antragsteller am 12. Juli 2011 mündlich mit, dass die geänderte Beschilderung das Ergebnis einer Besprechung zwischen den Vertretern der Freistaaten Sachsen und Thüringen und des Landes Sachsen-Anhalt gewesen sei. Den Antrag auf wohnliche Ausstattung beschied sie zunächst nicht.
In seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 15. Juli 2011 hat der Antragsteller die Verpflichtung der Antragsgegnerin begehrt, seinen Haftraum durch "wohnliche Holzmöbel, Sessel, Schlafsofa usw." auszustatten.
Mit Bescheid vom 25. August 2011 hat die Antragsgegnerin den Antrag vom 4. Juli 2011 abgelehnt. Der Grundbedarf für die Ausstattung der Wohnräume für Sicherungsverwahrte sei dem eines Haftraumes entsprechend der Haftraumausstattungsordnung gleichzusetzen. Die Grundausstattung an Möbeln werde den Untergebrachten unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Eine wohnlichere Ausgestaltung und Ausstattung der Wohnräume erfolge unter Einbeziehung und Mitwirkung der Sicherungsverwahrten, denen die Möglichkeit eingeräumt werde, die Farben für die Gestaltung des Wohnraumes auszuwählen. Ein Austausch der Grundausstattung gegen Vollholzmöbel (Kleinstmöbel und ein Holzrahmenbett mit Lattenrost und Matratze) sei teilweise oder vollständig möglich, soweit der Antragsteller über die finanziellen Mittel verfüge und die Sicherheit nicht entgegenstünde. Im Übrigen könne die Stellfläche frei gestaltet werden. Ein Rechtsanspruch auf zusätzliche unentgeltliche Raumausstattung bestünde nicht.
In ihrer Antragserwiderung vom 6. September 2011 hat die Antragsgegnerin den Bescheid unter Wiederholung der dortigen Ausführungen verteidigt.
Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Stendal hat den Antrag auf gerichtliche Entscheidung am 26. Oktober 2011 als unbegründet zurückgewiesen. Aus § 131 StVollzG lasse sich kein Anspruch auf eine wohnlichere Haftraumausstattung entnehmen. Zwar müsse wegen des Abstandsgebotes der Haftraum eines Sicherungsverwahrten ebenfalls wohnlich ausgestaltet sein, zumal eine wohnliche Ausstattung den schädlichen Wirkungen des langen Freiheitsentzuges entgegenwirken könne. Daraus folge aber kein Rechtsanspruch, dass der Haftraum mit Möbeln, die dem Geschmack des Untergebrachten entsprechen, unentgeltlich ausgestattet werde. Die Antragsgegnerin werde ihrer Verpflichtung gerecht, wenn sie die Anschaffung von Möbeln auf Kosten des Untergebrachten zulasse. Das Abstandsgebot richte sich zunächst an den Gesetzgeber, der ein entsprechendes Gesamtkonzept zu...