Leitsatz (amtlich)
1. Für die Beurteilung des Anfallens einer Gebühr nach VV Nr. 2506 RVG kommt es allein darauf an, ob der Anwalt an der Herbeiführung einer Einigung mitgewirkt hat, nicht darauf, ob die Hinzuziehung eines Anwalts erforderlich war.
2. Ein vollständiges Anerkenntnis i.S.v. VV Nr. 1000 - amtliche Anm. Abs. 1 S. 1 letzter Halbs., Alt. 1 RVG liegt nicht vor, wenn der Mandant ein Vergleichsangebot der Gegenseite annimmt, welches gegenüber deren ursprünglichen Forderungen einen Teilverzicht beinhaltet.
Das gilt jedenfalls dann, wenn erfolgreich eine modifizierte Annahme - hier unter Anbieten einer Ratenzahlungsvereinbarung - erklärt wird.
Verfahrensgang
AG Zerbst (Beschluss vom 17.03.2011; Aktenzeichen 5 II 230/10) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten der Begünstigten wird der
Kostenfestsetzungsbeschluss des AG Zerbst vom 13.1.2011 unter Aufhebung des Beschlusses des AG Zerbst vom 17.3.2011 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die dem Rechtsanwalt H. aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen werden festgesetzt auf insgesamt 255,85 EUR (in Worten: zweihundertfünfundfünfzig Euro, fünfundachtzig Cent).
Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Auslagen der Beteiligten werden nicht erstattet.
Gründe
A. Die Begünstigte wurde mit anwaltlichem Schriftsatz vom 3.3.2010 wegen einer Urheberrechtsverletzung (Download im Internet) auf Schadenersatz und strafbewehrte Unterlassungserklärung in Anspruch genommen. Mit Beschluss vom 1.4.2010 bewilligte ihr das AG Zerbst für diese Angelegenheit Beratungshilfe.
Nach Prüfung der Ansprüche durch den Verfahrensbevollmächtigten der Begünstigten nahm die Begünstigte auf dessen Empfehlung den ihr von der Anspruchstellerin vorgeschlagenen Vergleich im Wesentlichen an. Abweichend vom ursprünglichen Vorschlag wurde auf Initiative des Verfahrensbevollmächtigten jedoch unter Ziff. 3) des Vergleichs eine Ratenzahlungsvereinbarung getroffen.
Der Verfahrensbevollmächtigte der Begünstigten hat mit Antrag vom 23.12.2010 die Festsetzung einer Vergütung i.H.v. 255,85 EUR beantragt. Dabei hat er eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2503 RVG-VV (70 EUR), eine Einigungs- und Erledigungsgebühr nach Nr. 2508 RVG-VV (125 EUR) sowie eine Pauschale nach Nr. 7002 RVG-VV (20 EUR) zzgl. Mehrwertsteuer nach Nr. 7008 RVG-VV in Ansatz gebracht.
Mit ihrem Beschluss vom 13.1.2011 hat die Rechtspflegerin des AG Zerbst die an den Verfahrensbevollmächtigten zu zahlende Vergütung auf 99,96 EUR festgesetzt und den Vergütungsantrag im Übrigen zurückgewiesen. Zur Begründung hat sich das AG darauf gestützt, dass eine Einigungsgebühr nicht erstattungsfähig sei, weil die Voraussetzungen für deren Anfall durch ein vollständiges Anerkenntnis nicht erfüllt worden seien.
Gegen diesen Beschluss hat sich der Verfahrensbevollmächtigte mit seiner Erinnerung vom 20.1.2011 gewandt. Hierzu hat die Vertreterin der Landeskasse in der Weise Stellung genommen, dass eine anwaltliche Tätigkeit mit dem Ziel der Herbeiführung einer Einigung nicht festgestellt werden könne, wenn zum Zeitpunkt der Mandatierung ein Vergleichsvorschlag der Gegenseite bereits vorliege, wie hier. Der Direktor des AG hat mit seinem Beschluss vom 17.3.2011 die Erinnerung, der die Rechtspflegerin nicht abgeholfen hatte, als unbegründet zurückgewiesen, zugleich jedoch die Beschwerde gegen seine Entscheidung wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Streitfrage zugelassen. Er hat die Ansicht vertreten, dass sich der geschlossene Vergleich in der Sache auf ein Anerkenntnis beschränkt habe. Hierfür sei die Mitwirkung eines Rechtsanwalts nicht erforderlich gewesen.
Mit Schriftsatz vom 22.3.2011 hat der Verfahrensbevollmächtigte Beschwerde eingelegt. Wegen des Beschwerdevorbringens wird auf den Inhalt der Beschwerdeschrift Bezug genommen. Im Beschwerdeverfahren hat die Vertreterin der Landeskasse rechtliches Gehör erhalten.
B.I. Die Beschwerde ist nach §§ 33 Abs. 4 i.V.m. 55 Abs. 4, 56 Abs. 1 S. 3 sowie Abs. 2 RVG zulässig. Das Beschwerdegericht ist an die Zulassung der Beschwerde gebunden; auf die Höhe des Beschwerdewerts kommt es für die Zulässigkeit dann nicht an. Für die Beschwerdeentscheidung ist nach § 119 Abs. 1 Nr. 1 lit. b) GVG das OLG zuständig, nach § 33 Abs. 8 S. 1 RVG der Senat grundsätzlich durch eines seiner Mitglieder. Für eine Vorgehensweise nach § 33 Abs. 8 S. 2 RVG bestand hier keine Veranlassung.
II. Die Beschwerde ist begründet und führt zu einer antragsgemäßen Festsetzung einer weiteren Vergütung.
1. Es unterliegt im vorliegenden Fall keinem Zweifel, dass der Verfahrensbevollmächtigte an der Verhandlung über den letztlich geschlossenen Vergleich mitgewirkt hat. Er hat den Schriftsatz der Anspruchstellerin beantwortet, dabei den Rechtsstandpunkt der Begünstigten artikuliert und ein inhaltlich modifiziertes Vergleichsangebot - mit einer Ratenzahlungsvereinbarung - unterbreitet. Dies wird auch mit der angefochtenen Entscheidung nicht in Frage gestellt. Soweit das AG darüber hinaus Erwägungen zur ...