Leitsatz (amtlich)

Ist ein Sachverständiger der Auffassung, dass eine gerichtliche Vorgabe aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalls nicht zu einem tragfähigen Ergebnis führen würde, so ist es nicht zu beanstanden, wenn er eine alternative Methode wählt und dies offen legt sowie hilfsweise die vom Gericht vorgegebene Verfahrensweise anwendet (hier: Wahl eines Wertermittlungsverfahrens). Einen Ablehnungsgrund stellt dies nicht dar.

 

Verfahrensgang

LG Magdeburg (Beschluss vom 05.07.2013; Aktenzeichen 11 O 710/13)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss der 11. Zivilkammer des LG Magdeburg vom 5.7.2013 wird zurückgewiesen.

Die Beklagten haben die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 42.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt die Beklagten auf die Rückabwicklung eines Kaufvertrages über eine Eigentumswohnung in Anspruch, die sie im Jahre 2007 zu einem Preis von 116.200 EUR erwarb. Gestützt auf die Behauptung, die Wohnung habe zum Zeitpunkt des Erwerbes einen Marktwert von 30.000 EUR gehabt, vertritt sie die Ansicht, der Kaufvertrag sei gem. § 138 Abs. 2 BGB nichtig. Mit Beweisbeschluss der 5. Zivilkammer ist die Beweiserhebung über die klägerische Behauptung zum Wert des Grundstücks durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens angeordnet und der Dipl.-Ing. A. S. zum Sachverständigen bestimmt worden. Ihm ist aufgegeben worden, bei der Wertermittlung die Vergleichswertmethode anzuwenden.

Der Sachverständige hat sein Gutachten unter dem 12.3.2013 erstattet und ist darin nach Ausführungen zum Ertrags-, Sach- und Vergleichswert zu dem Ergebnis gekommen, dass die Wohnung zum Wertermittlungsstichtag einen Wert von 50.000 EUR aufgewiesen habe.

Durch Schriftsatz vom 21.5.2013 haben die Beklagten ein gegen den Sachverständigen gerichtetes Ablehnungsgesuch angebracht. Gestützt auf 14 näher bezeichnete Beanstandungen und das Ansinnen, ein "Obergutachten" einzuholen, vertreten sie die Ansicht, dass das Gutachten Ausdruck einer parteiischen Wertermittlung sei. Unter anderem beanstanden die Beklagten, dass der Sachverständige das Gutachten unter Verstoß gegen von der Rechtsprechung vorgegebene Bewertungsgrundsätze nach dem Ertragswertverfahren ermittelt habe.

Durch den angefochtenen Beschluss vom 5.7.2007 hat die Einzelrichterin der 11. Zivilkammer das Gesuch zurückgewiesen, nachdem sie eine Stellungnahme des Sachverständigen eingeholt hatte. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass die gegen einen Sachverständigen gerichtete Besorgnis der Befangenheit dann begründet sein könnte, wenn gerichtliche Anordnungen, etwa die hier erteilte Anweisung zur Ermittlung nach der Vergleichswertmethode ignoriert würden. Dies habe der Sachverständige jedoch nicht getan. Vielmehr habe er die von ihm praktizierte Vorgehensweise, die darin bestanden habe, den Vergleichswert zur Plausibilisierung des im Ertragswertverfahren erzielten Ergebnisses heranzuziehen, mit der geringen Zahl der Vergleichsobjekte begründet. Die darüber hinaus erhobene Beanstandung der Beklagten, das Gutachten sei inhaltlich unzutreffend, rechtfertige die Besorgnis der Befangenheit nicht. Die rügende Partei sei gehalten, auf die - gegebenenfalls auch mündliche - Ergänzung des Gutachtens hinzuwirken.

Gegen diese ihnen am 11.7.2013 zugestellte Entscheidung haben die Beklagten mit am 25.7.2013 angebrachten Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt. Die Beklagten stützen die Beschwerde weiterhin auf die zur Unterstützung des Ablehnungsgesuchs vorgebrachten inhaltlichen Einwendungen gegen das Gutachten. Sie vertiefen das Vorbringen zu der von ihnen geltend gemachten Fehlerhaftigkeit des angewendeten Wertermittlungsverfahrens. Endlich vertreten sie die Ansicht, die Kürze der Stellungnahme des Sachverständigen zum Ablehnungsgesuch sei geeignet, sie in der Besorgnis der Befangenheit zu bestärken.

Die 11. Zivilkammer hat der Beschwerde nicht abgeholfen und das Verfahren dem OLG vorgelegt.

II. Da die angefochtene Entscheidung durch die Einzelrichterin getroffen wurde, entscheidet das OLG als Beschwerdeinstanz ebenfalls durch eines seiner Mitglieder als originären Einzelrichter (§ 568 Satz 1 ZPO).

Die gem. § 406 Abs. 5 ZPO i.V.m. § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte sofortige Beschwerde der Beklagten ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt (§ 569 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 ZPO).

Die sofortige Beschwerde ist jedoch unbegründet.

Nach § 406 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 42 ZPO kann ein Sachverständiger abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Für die Besorgnis der Befangenheit ist es nicht erforderlich, dass der vom Gericht beauftragte Sachverständige parteiisch ist oder das Gericht Zweifel an seiner Unparteilichkeit hat. Vielmehr rechtfertigt bereits der bei der ablehnenden Partei erweckte Anschein der Parteilichkeit die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit. Dieser Anschein muss sich auf Tatsachen oder U...

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