Leitsatz (amtlich)
Wann bei langer Verfahrensdauer der Zeitablauf entweder allein oder zusammen mit anderen Umständen ein Absehen vom Fahrverbot rechtfertigen kann, ist grundsätzlich eine Frage des Einzelfalls, die einen gewissen Beurteilungsspielraum eröffnet. Ist zwischenzeitlich ein weiteres Fehlverhalten des Betroffenen im Straßenverkehr festgestellt worden, sollte der angefochtenen Entscheidung Ausführungen zu entnehmen sein, ob sich der Tatrichter jedenfalls der Möglichkeit bewusst gewesen war, ob nicht von der Verhängung des Fahrverbots bei gleichzeitiger (weiterer) Erhöhung der festgesetzten Geldbuße abgesehen werden kann, wenn die lange Verfahrensverzögerung auch auf Gründen außerhalb des Einflussbereichs des Betroffenen beruht.
Verfahrensgang
AG Weißenfels (Entscheidung vom 13.03.2017; Aktenzeichen 10 OWi 732 Js 206661/15) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Weißenfels vom 13. März 2017 im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an die bisher zuständige Abteilung des Amtsgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Rechtsbeschwerde wird verworfen.
Gründe
Das Amtsgericht hat gegen den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der durch Verkehrszeichen angeordneten Höchstgeschwindigkeit eine Geldbuße von 160,00 € verhängt, weiterhin ein Fahrverbot für die Dauer von einem Monat.
Dagegen richtet sich die unbeschränkt eingelegte Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt.
Die Überprüfung der Tatfeststellungen und der rechtlichen Einordnung der Tat hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben, insoweit ist die Rechtsbeschwerde unbegründet.
Sie führt jedoch zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruches.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Zuschrift an den Senat vom 6. Juni 2017 ausgeführt:
"Der Rechtsfolgenausspruch hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Zwar unterliegt die Entscheidung, ob trotz Vorliegens eines Regelfalls der konkrete Sachverhalt Ausnahmecharakter hat und demgemäß von der Verhängung eines Fahrverbots abgesehen werden kann, in erster Linie der Beurteilung durch den Tatrichter, dessen Entscheidung vom Rechtsbeschwerdegericht im Zweifel "bis zur Grenze des vertretbaren" hinzunehmen ist (vgl., OLG Hamm, DAR 1996, S. 68). Das Amtsgericht geht dabei zutreffend davon aus, dass bei dem abgeurteilten Geschwindigkeitsverstoß neben der Geldbuße regelmäßig auch die Verhängung eines 1-monatigen Fahrverbotes anzuordnen ist.
Es hat sich aber nicht in gebotener Weise mit der Frage befasst, ob vorliegend aufgrund des langen Zeitablaufes seit Begehung der Tat (hier: 14.11.2014; Bl. 32 d. A.) der spezialpräventive Zweck der Maßnahme bereits durch die lange Zeit des Schwebezustandes und für den Betroffenen damit verbundene Ungewissheit über das Fahrverbot erreicht und die Verhängung eines Fahrverbotes deshalb nicht mehr geboten ist. Zutreffend weist der Rechtsbeschwerdeführer darauf hin, dass nach der gesetzgeberischen Intention das Fahrverbot nach § 25 Abs. 1 StVG in erster Linie eine Erziehungsfunktion hat. Es ist als Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme gedacht und ausgeformt (BVerfGE 27, S. 36 f.). Von ihm soll eine warnende Wirkung auf den Betroffenen ausgehen und ihn anhalten, sich künftig verkehrsordnungsgemäß zu verhalten. Das Fahrverbot kann deshalb seinen Sinn verlieren, wenn die zu ahndende Tat lange zurückliegt, die für die lange Verkehrsdauer maßgeblichen Umstände auch außerhalb des Einflussbereichs des Betroffenen liegen und in der Zwischenzeit kein weiteres Fehlverhalten im Straßenverkehr festgestellt worden ist (vgl. OLG Karlsruhe, NStZ-RR 2007, S. 323; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 05.03.2013 -6/13 OWi).
Wann bei langer Verfahrensdauer der Zeitablauf entweder allein oder zusammen mit anderen Umständen ein Absehen vom Fahrverbot rechtfertigen kann, ist zwar grundsätzlich eine Frage des Einzelfalls, die einen gewissen Beurteilungsspielraum eröffnet. In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist allerdings die Tendenz erkennbar, den Sinn eines Fahrverbotes in Frage zu stellen, wenn die zu ahnende Tat mehr als zwei Jahre zurück liegt.
Im vorliegenden Verfahren liegen zwischen der Tat vom 14.11.2014 und ihrer nunmehrigen Ahndung durch das Amtsgericht Weißenfels am 13.03.2017 fast zwei Jahre und vier Monate. Zwischenzeitlich ist zwar ein weiteres Fehlverhalten des Betroffenen im Straßenverkehr festgestellt worden, nämlich gegen den Betroffenen wurde durch Entscheidung der Bußgeldbehörde Polizeipräsident Rheinpfalz in Speyer vom 20.05.2015, rechtskräftig seit dem 11.06.2015, wegen verbotswidriger Benutzung eines Mobil- oder Autotelefons zu einer Geldbuße von 65 Euro verhängt (BA S. 2). Allerdings beruhte die lange Verfahrensdauer bis zum Urteilspruch auch auf Gründen, die außerhalb des Einflussbereiches des Betroffenen lagen [so die Verlegung vom 08.03.2016 auf 10:30 Uhr wegen Verhi...