Leitsatz (amtlich)
Dem Rechtspfleger ist es in der Regel versagt, im formalisierten Verfahren der Kostenfestsetzung Gegenrechte des Antragsgegners zu bewerten. Allerdings müssen hierfür tatsächliche Umstände dargelegt werden, die auf die Besonderheiten des konkreten Falles bezogen sind und aus denen der materiell-rechtliche Einwand zumindest im Kern ersichtlich wird. Dagegen haben solche außergebührenrechtlichen Einwendungen außer Betracht zu bleiben, die auch bei äußerst zurückhaltender summarischer Prüfung unter keinem vernünftigen Gesichtspunkt Bestand haben können, weil sie erkennbar unrichtig, gänzlich halt- und substanzlos oder offensichtlich aus der Luft gegriffen sind.
Verfahrensgang
LG Dessau-Roßlau (Beschluss vom 08.02.2010; Aktenzeichen 2 O 697/09) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Antragsteller gegen den den Vergütungsfest-setzungsantrag vom 19.11.2009 zurückweisenden Beschluss der Rechtspflegerin der 2. Zivilkammer des LG Dessau-Roßlau vom 8.2.2010 wird zurück gewiesen.
Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens haben die Antragsteller zu tragen; im übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.
Gründe
Die gem. §§ 11 Abs. 2 S. 3 RVG, 104 Abs. 3 S. 1, 567 Abs. 1 Nr. 1, 569 Abs. 1 ZPO i.V.m. §§ 11 Abs. 1, 21 Nr. 2 RPflG zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Antragsteller bleibt in der Sache ohne Erfolg.
Das LG hat die beantragte Vergütungsfestsetzung zu Recht nach § 11 Abs. 5 RVG abgelehnt, da die Antragsgegnerin im Vergütungsfestsetzungsverfahren einen Einwand erhoben hat, der seinen Grund nicht im Gebührenrecht hat.
1. Gemäß § 11 Abs. 5 RVG kann die Rechtsanwaltsvergütung gegen die eigene Partei nur dann festgesetzt werden, wenn die Partei keine materiell-rechtlichen Einwendungen und Einreden erhebt, die nicht im Gebührenrecht angesiedelt sind. Nicht gebührenrechtlich in diesem Sinne ist ein Einwand, der sich nicht lediglich gegen die Richtigkeit einzelner Ansätze, sondern gegen den Gebührenanspruch als solches nach Grund und Höhe richtet (vgl. OLG Brandenburg MDR 2003, 1202 - 1203 zitiert nach juris; Hartmann, Kostengesetze, 39. Aufl., § 11 RVG Rz. 52; Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, 18. Aufl., § 11 RVG Rz. 133 ff.).
Dies hat seinen Grund darin, dass das vereinfachte und formalisierte Vergütungsfestsetzungsverfahren nicht mit der Prüfung komplexer materiell-rechtlicher Fragen belastet werden soll. Dem Rechtspfleger ist es daher in der Regel versagt, im formalisierten Verfahren der Kostenfestsetzung Gegenrechte des Antragsgegners zu bewerten, deren Relevanz über das eigentliche Kostenfestsetzungsverfahren hinausgeht. Er hat die Bedeutung einer solchen Einwendung oder Einrede grundsätzlich nicht über ihre Entscheidungserheblichkeit für das Festsetzungsverfahren hinaus zu überprüfen, denn dieses ist seiner Natur nach in erster Linie auf die Prüfung der gebührenrechtlichen Seite des anwaltlichen Vergütungsanspruchs beschränkt. Da über die materiell-rechtliche Begründetheit eines außergebührenrechtlichen Einwandes im Vergütungsfestsetzungsverfahren nicht zu entscheiden ist, kann in der Regel auch weder eine nähere Substantiierung der Einwendungstatsachen verlangt werden, noch hat der Rechtspfleger eine materiell-rechtliche Schlüssigkeitsprüfung vorzunehmen (vgl. OLG München, MDR 1997, 597 - 598, zitiert nach juris, OLG Koblenz, OLGReport Koblenz 2006, 268 - 269, zitiert nach juris; OLG Celle, OLGReport Celle 2009, 40 - 41, zitiert nach juris; OLG Brandenburg Brandenburg RVGreport 2008, 418 zitiert nach juris; OLG Saarbrücken Saarbrücken OLGReport Saarbrücken 209, 422 - 424 zitiert nach juris; Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 18. Aufl., § 11 RVG, Rz. 137; Hartmann, Kostengesetze, 38. Aufl., Bearbeitung 2008, § 11 RVG, Rz. 52, 57). Die Prüfung materiell-rechtlicher Gegenrechte des Gebührenschuldners muss vielmehr allein den zuständigen erstinstanzlichen Zivilgerichten vorbehalten bleiben, bei denen der Rechtsanwalt, wegen seines Vergütungsanspruchs - ebenso wie jeder andere Dienstleister, der von seinem Auftraggeber nicht bezahlt worden ist - Honorarklage erheben kann (vgl. OLG Brandenburg, RVGreport 2008, 418, zitiert nach juris; OLG Brandenburg MDR 2003, 1202 - 1203, zitiert nach juris; Schleswig Holsteinisches OLG Schleswig, AGS 2008, 603 - 604, zitiert nach juris; OLG Düsseldorf, AGS 2007, 628, zitiert nach juris; OLG Saarbrücken Saarbrücken OLGReport Saarbrücken 2009, 422 - 424 zitiert nach juris; Hartmann, Kostengesetze, 49. Aufl., Bearbeitung 2009, § 11 RVG Rz. 57).
2. Die Antragsgegnerin beruft sich im Streitfall auf eine schuldhafte Verletzung anwaltlicher Rücksichtnahme- und Treuepflichten aus dem Anwaltsvertrag und macht dabei insbesondere eine Kündigung des Mandatsverhältnisses zur "Unzeit" geltend, aus der sie Schadensersatzansprüche gegen die Antragsteller herleitet.
Sie greift damit die Vergütungsforderung der Antragsteller mit einem außergebührenrechtlichen Einwand, nämlich einer eine Schadensersatzverpflichtu...