Entscheidungsstichwort (Thema)
Bezugsgröße bei der Kindergeldanrechnung im Beitrittsgebiet
Leitsatz (amtlich)
Bezugsgröße für die Kindergeldanrechnung ist im Beitrittsgebiet § 2 und nicht § 1 RegelbetragVO. Da der 2. Familiensenat - rechtskräftig - als Bezugsgröße immer § 1 RegelbetragVO ansieht, wird die Rechtsbeschwerde zugelassen (ist eingelegt worden).
Das anzurechnende Kindergeld muss betragsmässig ausgewiesen werden (im Anschluss an OLG Naumburg v. 4.7.2001 - 8 WF 103/01, FamRZ 2002, 548; 8 WF 104/01).
Normenkette
RegelBetrV §§ 1-2; BGB §§ 1612a, 1612b
Verfahrensgang
AG Halle-Saalkreis (Beschluss vom 09.08.2004; Aktenzeichen 22 FH 64/04) |
Tenor
In Abänderung der Urkunde des Fachbereiches Kinder, Jugend und Familie der Stadt H. v. 27.8.2002 - Reg. Nr. ... wird das ab 30.4.2004 auf den vom Antragsgegner an den Antragsteller zu zahlenden Unterhalt anzurechnende Kindergeld auf 12 Euro festgesetzt.
Das weiter gehende Rechtsmittel wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Beschwerde trägen der Antragsteller zu ¾ und der Antragsgegner zu ¼.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
Der Antragsteller hat im vereinfachten Verfahren die Abänderung der Jugendamtsurkunde v. 27.8.2002 dahin begehrt, dass die dort festgelegte Kindergeldanrechnung von 16 Euro entfällt.
Das AG hat durch die angefochtene Entscheidung in Abänderung der Jugendamtsurkunde festgelegt, dass der für den Antragsteller festgesetzte Unterhalt sich ab 30.4.2004 um anrechenbares Kindergeld für ein erstes Kind vermindert und anrechenbar das hälftige Kindergeld ist, soweit es zusammen mit dem Unterhalt 135 % des jeweiligen Regelbetrages übersteigt.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers.
Er behauptet, der geänderte Titel sei durch die vorgenommene unbestimmte Kindergeldanrechnung gänzlich entwertet. Anzurechnendes Kindergeld sei betragsmäßig auszuweisen. Im Übrigen finde eine Kindergeldanrechnung nicht statt, weil die Bezugsgröße für eine solche Anrechnung 135 % des Regelbetrages nach § 1 RegelbetragVO sei.
Das AG hat dem Rechtsmittel nicht entsprochen und die Sache vorgelegt.
Das Rechtsmittel ist nach § 655 Abs. 5 ZPO zulässig; es hat nur Erfolg, soweit es die betragsmäßige Ausweisung des Kindergeldes anbetrifft. Im Übrigen (Unterbleiben der Kindergeldanrechnung wegen Nichterreichens von 135 % des Regelbetrages nach § 1 RegelbetragsVO) bleibt es erfolglos.
Insoweit hat der Senat bereits unter den 5.2.2004 (OLG Naumburg v. 5.2.2004 - 3 WF 199/03, OLGReport Naumburg 2004, 333) in Abweichung v. 8. Zivilsenat des OLG Naumburg entschieden, dass es für die Frage der Kindergeldanrechnung darauf ankommt, ob § 1 oder § 2 RegelbetragsVO anzuwenden ist. Im Einzelnen hat der Senat ausgeführt:
"... Entgegen der Auffassung des 8. Zivilsenats und 2. Senats für Familiensachen im rechtskräftigen Urt. v. 23.10.2003 zu Az. 8 UF 100/03 (OLG Naumburg v. 23.10.2003 - 8 UF 100/03, OLGReport Naumburg 2004, 120) vertritt der erkennende Senat nämlich die Ansicht, dass im Beitrittsgebiet für die Kindergeldanrechnung auf § 2 RegelbetragVO abzustellen ist, weil der Gesetzeswortlaut weder in § 2 des Unterhaltstitelanpassungsgesetzes noch in § 1612b Abs. 5 BGB eine Festlegung auf § 1 RegelbetragVO enthält. Dies hätte jedoch nahegelegen, wenn der Gesetzgeber insoweit eine Einebnung der Differenzierung von Unterhaltsfällen in den alten und in den neuen Bundesländern beabsichtigt hätte. In beiden Vorschriften ist aber von "... 135 % des Regelbetrages nach der Regelbetrag-Verordnung" die Rede. Der Senat legt diese Formulierung dahingehend aus, dass auf 135 % des im konkreten Einzelfall jeweils maßgebenden Regelbetrags nach der RegelbetragVO abzustellen ist, vorliegend mithin auf 135 % des Regelbetrags gem. § 2 RegelbetragVO, was im vorliegenden Fall zu einer teilweisen Kindergeldanrechnung i.H.v. 12 Euro ab Antragseingang bis zum 30.9.2005 führt. Für die Antragstellerin streitet auch nicht, dass § 1612b Abs. 5 BGB die Sicherung des Barexistenzminimums von Kindern bezweckt und deshalb nicht an die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners anknüpft (BVerfG Fuß 2003, 535 [542]). Es ergibt sich aus der Vorschrift nämlich nicht, dass das Barexistenzminimum minderjähriger Kinder bei 135 % des jeweiligen Regelbetrags nach § 1 RegelbetragVO liegt. Vielmehr legt die Tatsache, dass der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht hat, das Existenzminimum lasse sich mit 135 % der Regelbeträge nach der jeweiligen RegelbetragVO beschreiben (vgl. BT-Drucks. 14/3781, 7 f.), nicht zwingend den Schluss nahe, dass er von einem bundeseinheitlichen Existenzminimum minderjähriger Kinder i.H.v. 135 % des jeweiligen Regelbetrags (West) ausgeht, also insoweit - anders als bei der Festlegung der Regelbeträge - keine Unterscheidung in Ost und West vornimmt. Auf eine "autonome Definition des Barexistenzminimums" in § 1612b Abs. 5 BGB - die aber nahegelegen hätte, hätte er eine einheitliche Bezugsgröße für die Anrechnung von Kindergeld schaffen wollen - hat der Gesetzgeber dagegen bewusst verzichtet (BVerfG FuR 2003, 535...