Entscheidungsstichwort (Thema)

BAB: Erd- u. Deckenbau V

 

Leitsatz (amtlich)

1. Leitet ein öffentlicher Auftraggeber für einen identischen Beschaffungsvorgang, der nur einmal realisiert werden kann und soll, vor Abschluss der ursprünglichen Ausschreibung ein weiteres Vergabeverfahren ein, so verletzt die Doppelausschreibung für diejenigen Bieter, die im ursprünglichen Verfahren ein zuschlagfähiges Angebot abgegeben haben, sowohl deren Recht auf Durchführung eines fairen Wettbewerbs als auch auf Beachtung des Diskriminierungsverbots.

2. Die Anordnung der Aufhebung der Ausschreibung durch die Nachprüfungsinstanzen kommt ausnahmsweise dann in Betracht, wenn die Aufhebung das einzige geeignete Mittel ist, um die drohende oder bereits eingetretene Rechtsverletzung zu beseitigen.

 

Verfahrensgang

2. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt des Landes Sachsen-Anhalt (Beschluss vom 02.08.2006; Aktenzeichen 2 VK LVwA 26/06)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der 2. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt des Landes Sachsen-Anhalt vom 2.8.2006, 2 VK LVwA 26/06, aufgehoben.

Die Antragsgegnerin wird angewiesen, die Ausschreibung des Bauauftrages "Bundesautobahn A.; Erd- und Deckenbau und BW ... '..., ..., bekannt gemacht u.a. im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 13.7.2006 (S-131), aufzuheben.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Nachprüfungsverfahrens vor der Vergabekammer einschließlich der außergerichtlichen Auslagen der Antragstellerin zu tragen.

Die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer werden auf 10.000 EUR festgesetzt.

Im Verfahren vor der Vergabekammer war die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin notwendig.

Die Antragsgegnerin hat auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Auslagen der Antragstellerin und der Beigeladenen zu tragen.

Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.508.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Antragsgegnerin, vertreten durch eine Beteiligungsgesellschaft privaten Rechts zur Planung, Bauvorbereitung und Baudurchführung für die Bundesfernstraßenprojekte Deutsche Einheit, deren Gesellschafter zu 50 % der Bund und zu je 10 % die Bundesländer Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sind, schrieb im März 2005 den oben genannten Bauauftrag EU-weit im Offenen Verfahren auf der Grundlage der Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB) - Ausgabe 2002 - zur Vergabe aus. Der geschätzte Auftragswert netto liegt etwa bei 26 Mio. EUR.

Im März 2006 hob die Antragsgegnerin diese ursprüngliche Ausschreibung im Hinblick auf behauptete notwendige grundlegende Änderungen der Verdingungsunterlagen sowie wegen der inzwischen eingetretenen zeitlichen Verzögerung der Auftragsvergabe auf. Zwei Bieterinnen des ursprünglichen Vergabeverfahrens, die hiesige Antragstellerin und die hiesige Beigeladene, rügten die Aufhebung als vergaberechtswidrig. Die Antragsgegnerin half den Rügen nicht ab. Auf die gleichgerichteten Nachprüfungsanträge der beiden Bieterinnen gab die 2. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt des Landes Sachsen-Anhalt der Antragsgegnerin mit Beschluss vom 23.5.2006 auf, die Aufhebung rückgängig zu machen und das (ursprüngliche) Vergabeverfahren unter Berücksichtigung der Rechtsansichten der Vergabekammer fortzuführen. Hiergegen hat die Antragsgegnerin am 12.6.2006 sofortige Beschwerde erhoben. In diesem Beschwerdeverfahren hat der erkennenden Vergabesenat mit Beschluss vom heutigen Tage die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin als unbegründet zurückgewiesen und die Anweisung der Vergabekammer dahin konkretisiert, dass sie die Antragsgegnerin angewiesen hat, im ursprünglichen Vergabeverfahren den Zuschlag auf eines der beiden in der engeren Wahl befindlichen Angebote entweder der hiesigen Antragstellerin oder der hiesigen Beigeladenen zu erteilen.

Am 3.7.2006 sandte die Antragsgegnerin die Bekanntmachung der Vergabe eines Bauauftrags mit identischer Bezeichnung im Offenen Verfahren an das Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften; die Bekanntmachung wurde im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 13.7.2006 (S-131) veröffentlicht. Die Angebotsfrist für diese Ausschreibung (künftig: zweites Vergabeverfahren) endete ursprünglich am 11.8.2006, 10:00 Uhr. Die Bezeichnung des Auftrags, der allgemeine Gegenstand des Auftrags, der Ort der Ausführung und die Nichtaufteilung in Lose waren identisch. Hinsichtlich der Mengen der auszuführenden Leistungen traten Abweichungen zur ursprünglichen Ausschreibung auf: So fehlten Teilleistungen, wie die Herstellung von zwei Überflugschutzwänden sowie eines Regenrückhaltebeckens. Die Mengengerüste des Schwarzerdeabtrags und des Mineralbodenabtrags waren reduziert. Demgegenüber waren Mehrmengen beim Oberbodenabtrag sowie beim Mineralbodenabtrag der Bodenklassen 3 bis 7 sowie bei der Lieferung und dem Einbau der Betondecke mit einer Stärke von 18 Zentimete...

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