Leitsatz (amtlich)
1. Zum Antragsrecht der Beigeladenen nach § 118 Abs. 1 GWB analog, auch bei Anordnung der Wiederholung der Wertung (Bestätigung der ständigen Rechtsprechung des Senats).
2. Im Vergabenachprüfungsverfahren kann offen bleiben, ob für die Ausschreibung die Vorschriften der Abschnitte 1 und 3 der VOL/A oder des 4. Abschnitts der VOL/A anwendbar sind, wenn hinsichtlich der beanstandeten bzw. der nach Auffassung der Vergabekammer gebotenen Verhaltensweisen der Vergabestelle die jedenfalls strengeren Vorgaben der Verdingungsunterlagen maßgeblich sind.
3. Die Bestimmungen des § 25 Nr. 1 Abs. 1 VOL/A sind auf das Verhandlungsverfahren nicht unmittelbar anwendbar, weil Gegenstand der Angebotswertung nicht allein das schriftlich abgegebene Angebot ist, sondern grundsätzlich das schriftliche Angebot in seiner Aus- und Umgestaltung durch die - mündlichen - Verhandlungsgespräche. Änderungen und Ergänzungen des Angebots nach Abgabe des sog. indikativen Angebots sowie sogar alternative Angebotsteile sind im Verhandlungsverfahren grundsätzlich zulässig und dürfen vom öffentlichen Auftraggeber in nicht diskriminierender Weise auch initiiert werden. Unvollständig kann ein Angebot im Verhandlungsverfahren grundsätzlich nur dann sein, wenn nach Abschluss der Verhandlungen und regelmäßig einem Aufklärungsversuch noch immer wesentliche Preisangaben fehlen, Angebote nicht unterschrieben sind oder zweifelhafte Inhalte aufweisen.
4. Etwas anderes gilt, wenn der öffentliche Auftraggeber für die Durchführung des Verhandlungsverfahrens selbst ein formelles Anforderungsprofil für indikative bzw. sonstige schriftliche Angebote definiert und den Bietern vor Angebotsabgabe bekannt gegeben hat.
5. Wird die Unterzeichnung durch "rechtsverbindliche Unterschrift" verlangt, nicht jedoch der Nachweis der Vertretungsmacht des Unterzeichners mit dem Angebot, so genügt dieser Anforderung jede Unterschrift eines Erklärenden, der zum Zeitpunkt des Ablaufes der Vorlagefrist tatsächlich bevollmächtigt war. Den Nachweis über seine Vertretungsmacht kann er jederzeit, auch nachträglich, führen.
Verfahrensgang
1. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt LSA (Beschluss vom 12.09.2008; Aktenzeichen 1 VK LVwA 11/08) |
Tenor
1. Auf den Antrag der Beigeladenen wird die Verlängerung der aufschiebenden Wirkung ihrer sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss der 1. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt des Landes Sachsen-Anhalt vom 12.9.2008, 1 VK LVwA 11/08, bis zum Abschluss des Beschwerdeverfahrens angeordnet.
2. Die Anträge der Beigeladenen und der Antragstellerin auf Einsicht in die Akten der Antragsgegnerin werden ganz überwiegend zurückgewiesen. Vorsorglich sollen beiden Bietern und nachrichtlich der Antragsgegnerin folgende Teile des Vergabevermerks und seiner Anlagen in Ablichtung übersandt werden:
- der Vergabevermerk ab Ziff. 17 "Aufforderung zur Abgabe eines Nachtragsangebots" bis Ziff. 24 "Zuschlagsentscheidung" (S. 16 bis 20);
- Auszüge aus der Niederschrift der Nichtöffentlichen Verdingungsverhandlung Nachtragsangebote am 4.6.2008, soweit sie das Angebot der Beigeladenen betrifft (S. 1 und 7 vollständig, S. 2, 4 und 6 teilweise; Anlage 13 zum Vergabevermerk);
- die auf die formelle Prüfung der Nachtragsangebote bezogenen Ausführungen der Beraterin der Antragsgegnerin (Anlage 14 zum Vergabevermerk, S. 1 bis 8 von 11 - ohne den Abschnitt "Rechnerische Fehler" auf S. 8) sowie
- die Begründung der Antragsgegnerin für die Verteilung von Punkten für "Zusatzleistungen" (aus Anlage 15 zum Vergabevermerk zwei Seiten) einschließlich desjenigen Teils der Erläuterung der Zusatzleistungen durch die Beigeladene, der sich auf die Effekte und nicht auf die notwendigen Investitionen bezieht, soweit die Beigeladene gegen Letztgenanntes bis zum 16.10.2008, 12:00 Uhr, keine begründeten Einwendungen erhebt.
3. Den Beteiligten des Beschwerdeverfahrens wird Gelegenheit gegeben, bis zum 27.10.2008 (einschließlich) ihr Beschwerdevorbringen unter Berücksichtigung der Hinweise des Senats im vorliegenden Beschluss zu ergänzen.
4. Termin zur mündlichen Verhandlung wird anberaumt auf Donnerstag, den 13.11.2008, 13:30 Uhr, Saal 400, OLG Naumburg.
Gründe
I. Die Antragsgegnerin ist eine Beteiligungsgesellschaft privaten Rechts zur Erbringung von Personenbeförderungsleistungen mit Bussen im öffentlichen Nahverkehr, deren Anteile von mehreren Landkreisen und einem Bundesland gehalten werden. Sie schrieb im März 2007 den oben genannten Lieferauftrag EU-weit auf der Grundlage der Verdingungsordnung für Leistungen, Teil A, (VOL/A), Ausgabe 2006, dort 1. und 3. Abschnitt, zur Vergabe aus. Der Auftrag hat einen geschätzten Nettoauftragswert von ca. einer Million Euro.
Die Antragsgegnerin wählte ein Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Öffentlichen Teilnahmewettbewerb. Im Ergebnis des Teilnahmewettbewerbs wurden fünfzehn Unternehmen als Teilnehmer ausgewählt.
Während der erstmaligen Durchführung des Verhandlungsverfahrens fand eine vergaberechtliche Nachprüfung statt. Die 1. Vergabeka...