Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozesskostenhilfe: Eingeschränkte Beiordnung eines weder am Wohnsitz des Antragsgegners eines Scheidungsverfahrens noch im Gerichtsbezirk ansässigen Rechtsanwalts
Leitsatz (amtlich)
1. Die Beiordnung eines auswärtigen Rechtsanwalts enthält grundsätzlich ein konkludentes Einverständnis des Verfahrensbevollmächtigten mit einer dem Mehrkostenverbot des § 121 Abs. 3 ZPO entsprechenden Einschränkung der Beiordnung. Denn bei einem Rechtsanwalt wird die Kenntnis des Mehrkostenverbots vorausgesetzt, so dass ein auswärtiger Rechtsanwalt, der seine Beiordnung beantragt, davon ausgehen muss, dass seinem Antrag nur im gesetzlich zulässigen Umfang stattgegeben wird.
2. Die Beiordnung des Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners in einem Scheidungsverbundverfahren, der nicht am Wohnsitz des Antragsgegners ansässig ist, und dessen Kanzleisitz sich weiter entfernt als der am weitesten gelegene Ort im Gerichtsbezirk des AG und zudem als dem Wohnort des Antragsgegners befindet, ist dahin einzuschränken, dass die Beiordnung zu den Bedingungen eines am Wohnsitz des Antragsgegners niedergelassenen Rechtsanwalts beschränkt durch die Kosten eines für den Antragsgegner bestellten Verkehrsanwalts erfolgt.
Normenkette
ZPO § 121 Abs. 3; FamFG § 113 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
AG Zerbst (Beschluss vom 13.09.2011; Aktenzeichen 7 F 407/10) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners wird der Beschluss des AG -Familiengerichts - Zerbst vom 13.9.2011 (Az.: 7 F 407/10) insofern abgeändert, als die Beschränkung "zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwaltes" entfällt und dem Antragsgegner Rechtsanwalt M. zu den Bedingungen eines am Wohnort des Antragsgegners in St. niedergelassenen Rechtsanwalts beigeordnet wird, wobei die dadurch entstehenden Mehrkosten, die dadurch entstehen, dass er seine Kanzlei nicht am Ort des Verfahrensgerichts hat, auf die Höhe der Vergütung eines Verkehrsanwalts am Wohnort des Antragsgegners begrenzt werden.
Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erhoben; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Ein Rechtsmittel ist nicht zugelassen (§ 70 FamFG bzw. § 574 ZPO).
Gründe
Das AG Zerbst hat dem Antragsgegner mit Beschluss vom 13.9.2011 (Bl. 24 d.A.) in der Scheidungsverbundsache Verfahrenskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und Rechtsanwalt M. aus Mg. zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts beigeordnet. Gegen diesen Beschluss hat der Verfahrensbevollmächtigte des Antragsgegners Beschwerde eingelegt. Zur Begründung wendet er sich gegen die ausgesprochene Beschränkung und trägt hierzu im Wesentlichen vor, dass der Antragsgegner vorliegend einen Anspruch darauf habe, dass ein am Wohnsitz des Antragsgegners ansässiger Rechtsanwalt beigeordnet wird.
Das AG hat der Beschwerde durch Beschluss vom 29.9.2011 nicht abgeholfen. Es führt aus, dass eine Beiordnung - und wohl auch eine entsprechende Erstattungsberechtigung - eines am Wohnsitz des Antragsgegners ansässigen Rechtsanwalts in Betracht gekommen wäre. Da dies aber tatsächlich nicht der Fall gewesen sei und zudem der Kanzleisitz sich in nahezu doppelter Entfernung als diejenige zwischen Wohnort und Gerichtsstandort befinde, scheide eine weiter nachgebende Einschränkung der Beiordnung aus.
Die gem. §§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG § 127 Abs. 2 S. 2, 569 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist überwiegend begründet.
Der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin ist beschwerdeberechtigt (Zöller/Geimer, ZPO, 28. Aufl., § 127 Rz. 19). Die Beschwerdeschrift ist dahin auszulegen, dass eine Beschränkung auf die Beiordnung eines am Wohnsitz des Antragsgegners niedergelassenen Rechtsanwalts angestrebt wird.
Eine uneingeschränkte Beiordnung des Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners kommt, wie die Beschwerde selbst erkennt, nicht in Betracht, §§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 121 Abs. 3 ZPO. Nach den vorgenannten Vorschriften darf sodann ein nicht im Bezirk des Verfahrensgerichts niedergelassener Rechtsanwalt nur beigeordnet werden, wenn dadurch weitere Kosten nicht entstehen. Diese Regelung führt jedoch nicht dazu, dass Reisekosten vollständig vermieden werden. Ein beigeordneter Rechtsanwalt hat gem. § 45 Abs. 1 RVG einen Anspruch auf die gesetzliche Vergütung. Dazu gehören gem. § 46 Abs. 1 RVG auch Auslagen, insb. Reisekosten, soweit sie zur sachgemäßen Durchführung der Angelegenheit erforderlich sind.
Höhere Reisekosten i.S.d. § 121 Abs. 3 ZPO können wiederum nur dann entstehen, wenn die Entfernung der Kanzlei des nicht im Bezirk des Verfahrensgerichts niedergelassenen Rechtsanwalts weiter vom Prozessgericht entfernt ist, als der am weitesten im Gerichtsbezirk entfernte Ort. In diesen Fällen ist die Beschränkung des § 121 Abs. 3 ZPO vorzunehmen (OLG München FamRZ 2007, 489; OLG Frankfurt FamRZ 2009, 1615). Im vorliegenden Fall ist unzweifelhaft der Kanzleisitz des Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners weiter entfernt als der am weitesten gelegene Ort im Gerichtsbe...