Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindesunterhalt: Vermutung der Leistungsfähigkeit auf 100 % des Regelbetrages zugunsten des Gläubigers nur bei Erstklage
Leitsatz (amtlich)
Die Vermutung der Leistungsfähigkeit auf 100 % des Regelbetrages greift zugunsten des Gläubigers nur bei der Erstklage (im Anschluss an Senat vom 10.7.2002, 8 WF 122/02). Im Rahmen einer Abänderungsklage trifft hingegen den Kläger die volle Darlegungs- und Beweislast.
Normenkette
ZPO § 323; BGB §§ 1601, 1603 Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
AG Aschersleben (Beschluss vom 22.11.2006; Aktenzeichen 4 F 325/06) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des AG Aschersleben vom 22.11.2006 zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat die Gerichtskosten seiner Beschwerde zu tragen; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Der Antragsteller begehrt für die beabsichtigte Abänderungsklage auf Zahlung eines Kindesunterhalts i.H.v. 135 % des Regelbetrages nach § 2 der Regelbetragsverordnung der jeweiligen Altersstufe abzgl. anteiligen Kindergeldes Prozesskostenhilfe. Das AG hat mit Beschluss vom 22.11.2006 den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe im Wesentlichen wegen fehlender Erfolgsaussichten abgelehnt. Hiergegen hat der Antragsteller am 1.12.2006 sofortige Beschwerde eingelegt, der das AG mit Beschluss vom 11.1.2007 nicht abgeholfen hat.
II. Die sofortige Beschwerde ist zwar zulässig (§§ 127, 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO); sachlich aber nicht gerechtfertigt. Das AG hat im Ergebnis zu Recht dem Antragsteller Prozesskostenhilfe versagt. Das minderjährige Kind braucht für den Fall, dass es Unterhalt i.H.v. 100 % des Regelbetrags nach der Regelbetrag-VO begehrt, neben dem Grundtatbestand der §§ 1601 ff. BGB nur noch die Tatsache der Minderjährigkeit zur Darlegung des Bedarfs vorzutragen. Dann greift zum einen die Vermutung, dass das Kind bedürftig ist, und zum anderen die Vermutung, dass der Pflichtige hinsichtlich des begehrten Betrages leistungsfähig ist (vgl. Wiedenlübbert, Erhöhte Erwerbsobliegenheit des Barunterhaltsverpflichteten gegenüber minderjährigen Kinder, NJ 2002, 337, 341).
Diese Vermutungen greifen zugunsten des Antragstellers vorliegend nicht ein. Der Unterhaltsschuldner trägt nur bei der Erstklage des minderjährigen Unterhaltsgläubigers auf 100 % gemäß Regelbetragsverordnung die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass er in dieser Höhe nicht leistungsfähig ist (OLG Naumburg, Beschl. v. 10.7.2002 - 8 WF 122/02). Im Rahmen der Abänderungsklage trifft hingegen den Kläger die volle Darlegungs- und Beweislast (vgl. auch OLG Brandenburg v. 26.2.2004 - 9 UF 138/03, FamRZ 2005, 815). Nichts anderes ergibt sich aus der von dem Antragsteller angeführten Rechtsprechung des Senats (Beschl. v. 22.3.2001 - 8 WF 47/01, OLGReport Naumburg 2002, 45), die lediglich eine Ersttitulierung zum Gegenstand hat. Soweit das erstinstanzliche Gericht die für die Erstklage bestehende Vermutung der Leistungsfähigkeit gestützt auf die Entscheidung des OLG Naumburg vom 28.8.2002 - 14 WF 155/02 - auch im Rahmen der Abänderungsklage für anwendbar erachtet, ist dem nicht zu folgen. Dass der 14. Zivilsenat insoweit die dargelegten allgemeinen Grundsätze auch im Rahmen der Abänderungsklage uneingeschränkt anwendet, ergibt sich hieraus nicht. Eine Auseinandersetzung mit den für die Abänderungsklage geltenden Grundsätzen fehlt. Nach alledem obliegt deshalb dem Kläger im Einzelnen darzutun und zu beweisen, dass der Beklagte nunmehr entsprechend leistungsfähig ist. Hieran fehlt es.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, GKG - Anlage 1, KV-Nr. 1811; § 127 Abs. 4 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 1746483 |
FamRZ 2007, 1342 |
FuR 2007, 392 |
FPR 2008, 124 |
NJ 2007, 421 |
JAmt 2007, 322 |
OLGR-Ost 2007, 781 |
www.judicialis.de 2007 |