Leitsatz (amtlich)
In Verfahren, die die Person des Kindes betreffen, begründet der Umstand, dass der Sachverständige, ohne hierzu durch das Gericht gem. § 163 Abs. 2 FamFG (Herstellung des Einvernehmens) beauftragt worden zu sein, die Begutachtung auf der Grundlage eines lösungsorientierten Ansatzes verfolgt, für diesen die Besorgnis der Befangenheit.
Verfahrensgang
AG Wernigerode (Beschluss vom 01.06.2011; Aktenzeichen 11 F 939/10 SO) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des AG Wernigerode vom 1.6.2011 - 11 F 939/10 SO, abgeändert und das Ablehnungsgesuch des Antragsgegners gegen die Sachverständige S. H. wegen Besorgnis der Befangenheit für begründet erklärt.
2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Die Beteiligten sind die nicht miteinander verheirateten, aber gemeinsam sorgeberechtigten Eltern des Kindes L. G., geboren am 18.9.2009. Seit Juli 2010 leben sie voneinander getrennt und beantragen nunmehr beiderseits die Übertragung des alleinigen Aufenthaltsbestimmungsrechts für den Sohn.
Das AG Wernigerode hat mit Beschluss vom 11.2.2011 (Bl. 49a, b d.A.) die Einholung eines psychologischen Gutachtens zu den Fragen angeordnet, ob die Eltern erziehungsfähig und -geeignet seien und ob der Aufenthalt bei der Mutter oder bei dem Vater dem Wohl des Kindes am besten entspreche. Zur Sachverständigen ist die Diplom-Psychologin S. H. bestellt worden.
Nach insgesamt drei Gesprächen mit der Sachverständigen - das letzte Gespräch fand am 03.5. dieses Jahres statt - lehnte der Antragsgegner diese am 11.5.2011 (Bl. 152 ff. d.A.) wegen der Besorgnis der Befangenheit ab und führte zur Begründung aus, die Sachverständige verletze ihre Verpflichtung zur Neutralität und schlage sich fortwährend auf die Seite der Kindesmutter. Außerdem habe sie ohne Zustimmung des Gerichts den ihr erteilten Auftrag erweitert und versucht, die Angelegenheit durch nachhaltige Mediation zu erledigen.
Die Sachverständige gab zu dem Befangenheitsantrag am 18.5.2011 (Bl. 170 ff. d.A.) eine Stellungnahme ab.
Mit Beschluss vom 1.6.2011 (Leseabschrift Bl. 205a - 205c d.A.) wies das AG Wernigerode das Ablehnungsgesuch des Antragsgegners zurück.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragsgegners vom 16.6.2011 (Bl. 219 ff. d.A.).
II. Die gem. § 30 Abs. 1 und analog § 6 Abs. 2 FamFG i.V.m. den §§ 406 Abs. 1 und 5, 567 Abs. 1 Nr. 1, 569 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde des Antragsgegners gegen den sein Ablehnungsgesuch zurückweisenden Beschluss des AG Wernigerode hat in der Sache Erfolg.
Aus der maßgeblichen Sicht des Antragsgegners ist gem. § 42 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 406 Abs. 1 ZPO und § 30 FamFG die begründete Besorgnis gerechtfertigt, dass die vom AG als Sachverständige beauftragte Diplom-Psychologin S. H. befangen sein könnte. Denn aus der Stellungnahme der Sachverständigen vom 18.5.2011 ergibt sich unmissverständlich, dass sie ihren Gutachtenauftrag unzulässigerweise eigenmächtig ausgedehnt hat, was allein ausreicht, auf Seiten des Antragsgegners die begründete Besorgnis einer nicht mehr unvoreingenommenen, objektiven Einstellung und Vorgehensweise der Sachverständigen bei der Erstellung des Gutachtens anzunehmen.
Grundsätzlich kann das Gericht zwar in Verfahren, welche die Person des Kindes betreffen, gem. § 163 Abs. 2 FamFG ausdrücklich anordnen, dass der Sachverständige bei der Erstellung des Gutachtenauftrages auch auf die Herstellung des Einvernehmens zwischen den Parteien hinwirken soll. Ein solchermaßen lösungsorientiertes Gutachten ist vom AG Wernigerode allerdings nicht in Auftrag gegeben worden. Die Sachverständige sollte vielmehr nach dem Inhalt des Beweisbeschlusses vom 11.2.2011 lediglich zur Erziehungskompetenz der Kindeseltern und dazu gutachterlich sich äußern, bei welchem Elternteil der Junge künftig besser bzw. am besten aufgehoben sei. Aus der Stellungnahme der Sachverständigen ergibt sich aber, dass sie, über die ihr bindend durch Beschluss vorgegebene Aufgabenstellung hinausgehend, einen vornehmlich lösungsorientierten Ansatz verfolgt und daher auch vor weiteren psychologischen Untersuchungen kraft eigener Entscheidung rein lösungsorientierte gemeinsame Elterngespräche mit den Beteiligten verabredet hat. Allein diese eigenmächtige Erweiterung des laut amtgerichtlichem Beschluss gerade nur beschränkt erteilten und auch gerade angesichts der damit verbundenen Zusatzkosten nicht nach freiem Ermessen der Gutachterin erweiterungsfähigen Aufgabenkreises rechtfertigt zur Genüge die aus Sicht des - auch sonst und generell von der Sachverständigen sich unter Druck gesetzt fühlenden - Antragsgegners begründete Besorgnis der Befangenheit (so nam. auch. OLG Jena, Beschl. v. 2.8.2007 - 1 WF 203/07, zitiert nach juris), ohne dass es auf eine beabsichtigte oder auch nur der Sachverständigen mögliche bzw. nicht mögliche Mediation im eigentlichen Sinne ankäme.
Da gerade kein Auftrag seitens des AG gem. ...