Leitsatz (amtlich)
Unter Berücksichtigung des besonderen Gewaltverhältnisses des Jugendstrafvollzuges kann es naheliegen, dass der ausschließlich im Jugendhaus als Geheimer Informator tätige Betroffene keinen freien Willen hinsichtlich seiner Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Staatssicherheit der DDR entwickeln konnte, sondern sich unter diesen Bedingungen praktisch zu einer Zusammenarbeit gezwungen sah (vgl. auch Thüringer OLG, OLG-NL 2006, 214, 215).
Verfahrensgang
LG Magdeburg (Entscheidung vom 23.10.2008; Aktenzeichen Reh 6340/08) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Betroffenen vom 30. Oktober 2008 wird der Beschluss der Kammer für Rehabilitierungsverfahren des Landgerichts Magdeburg vom 23. Oktober 2008 aufgehoben.
Der Bescheid des Landesverwaltungsamtes Sachsen - Anhalt - Referat Versorgungsamt , Hauptfürsorgestelle, Soziales Entschädigungsrecht - vom 25. Juli 2008/ 05. August 2008 (... StrRehaG-OP) wird aufgehoben.
Die Entscheidung ergeht frei von Gerichtskosten.
Die notwendigen Auslagen des Betroffenen trägt die Landeskasse.
Gründe
I.
Mit Beschluss vom 23. Juli 2001 (Reh 3979/00) wurde das gegen den Betroffenen gerichtete Urteil des Kreisgerichts Magdeburg-Süd vom 17. März 1970 (S 121/69 Süd) wegen des Vorwurf des versuchten ungesetzlichen Grenzübertritts und der angeordneten Rechtsfolge von einem Jahr Freiheitsstrafe für rechtsstaatswidrig erklärt und aufgehoben, soweit sich der Vorwurf und die Rechtsfolge auf den Betroffenen bezogen. Zugleich wurde die Dauer der zu Unrecht erlittenen Freiheitsentziehung zum Nachteil des Betroffenen auf die Zeit vom 02. September 1969 bis 01. September 1970 festgestellt.
Daraufhin beantragte der Betroffene unter dem 16. September 2001 Leistungen nach den §§ 6, 17 StrRehaG, die ihm seitens des Amtes für Versorgung und Soziales Magdeburg mit Bescheid vom 20. November 2001 (... ) anfänglich gewährt wurden.
Ferner stellte der Betroffene mit Datum vom 03. September 2007 beim Landesverwaltungsamt - Referat Versorgungsamt/SER - in Magdeburg einen Antrag auf Gewährung einer besonderen monatlichen Zuwendung (Opferpension) nach § 17 a StrRehaG, die ihm mit Bescheid des Landesverwaltungsamtes Sachsen-Anhalt - Referat Versorgungsamt, Hauptfürsorgestelle, Soziales Entschädigungsrecht - vom 11. Dezember 2007 (... StrRehaG - OP) ebenfalls in einer Höhe von 250 Euro monatlich ab dem 01. September 2007 gewährt wurde.
Nach Durchführung von Recherchen beim Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienst der ehemaligen DDR hat das Verwaltungsamt mit Bescheid vom 25. Juli 2008 / 05. August 2008 den Bewilligungsbescheid vom 11. Dezember 2007 "mit Wirkung für die Vergangenheit und Zukunft" zurückgenommen und die bereits geleisteten Zahlungen in einer Gesamthöhe von 2.750 Euro zurückgefordert. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, dass der Betroffene "nachweislich von Februar 1962 bis August 1963 unter dem Decknamen "R. " als geheimer Informator (GI) für das Ministerium der Staatsicherheit der ehemaligen DDR tätig" gewesen sei und detaillierte, personenbezogene Berichte mit politischem Hintergrund vorrangig über Personen aus seinem damaligen Umfeld in den Jugendhäusern G. und L. geliefert habe. Diese Berichte seien für die betreffenden Personen ausgesprochen belastend gewesen, so dass sie durchaus geeignet gewesen seien, den betroffenen Personen Nachteile zuzufügen. Durch dieses Verhalten habe der Betroffene das Unrechtssystem bewusst und gewollt aktiv unterstützt und gestärkt. Seine Mitarbeit gehe eindeutig über geringfügige Verstrickungen in das politische Unrechtssystem hinaus, wie es bei einer über Jahrzehnte bestehende Diktatur immer wieder vorkommen könne. Dieses Verhalten des Betroffenen begründe einen Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit und Rechtsstaatlichkeit mit der Folge, dass die Zahlung einer Opferpension nach § 17 a StrRehaG nicht gewährt werden könne.
Mit Bescheid vom 26. August 2008 (... ) hat das Landesverwaltungsamt auch seinen Bescheid vom 20. November 2001 auf Entschädigungsleistungen nach §§ 6, 17 StrRehaG zurückgenommen und von dem Betroffenen die Rückerstattung von Entschädigungsleistungen in Höhe von 3.988,08 Euro gefordert.
Den gegen den Rückforderungsbescheid vom 25. Juli 2008/ 05. August 2008 gerichteten Antrag des Betroffenen auf gerichtliche Entscheidung hat die Kammer für Rehabilitierungsverfahren des Landgerichts Magdeburg mit Beschluss vom 23. Oktober 2008 zurückgewiesen, wobei sie sich im wesentlichen der Begründung des Landesverwaltungsamtes in seinem Bescheid vom 25. Juli 2008/ 05. August 2008 anschloss.
Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Betroffenen vom 30. Oktober 2008, eingegangen beim Landgericht Magdeburg am 03. November 2008.
II.
Das gemäß § 300 StPO als Beschwerde auszulegende Rechtsmittel des Betroffenen ist zulässig (§ 13 Abs. 1, 25 Abs. 1 S. 4 StrRehaG) und hat in der Sache auch Erfolg.
Die Voraussetzungen der Rücknahme des Bescheides vom 11. Dezember 2007 nach § 1 Abs. 1 VwVfG Sachsen-Anhalt i. V. m. § 48...