Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Ermittlung der Kosten für die Beschaffung von Verlustenergie können gesicherte Erkenntnisse für das Planjahr berücksichtigt werden; § 10 Abs. 1 Satz 2 StromNEV schließt die allgemeinen Regelungen zur Entgeltbestimmung, insbesondere § 3 Abs. 1 Satz 5 Halbs. 2 StromNEV, nicht aus.

Findet die Beschaffung von Verlustenergie in einem vertikal integrierten Energieversorgungsunternehmen durch eine gemeinsame Beschaffungsstelle von Netzbetrieb und Vertrieb statt, so ist ein unternehmensinterner Aufschlag auf den Beschaffungspreis nicht gerechtfertigt.

2. Bei der Ermittlung der kalkulatorischen Abschreibungen besteht im Verfahren der kostenorientierten Entgeltprüfung grundsätzlich ein Vorrang der unternehmensindividuellen Prüfung; die Einbeziehung unternehmensexterner Vergleichsdaten in die Überprüfung ist jedoch unter den Voraussetzungen des § 21 Abs. 2 Satz 1 und 2 EnWG sowie § 4 Abs. 1 StromNEV zulässig.

Zu den Anforderungen des Vergleichs nach § 4 Abs. 1 StromNEV.

3. Die Vorschrift des § 7 Abs. 1 Satz 3 StromNEV ist dahin auszulegen, dass das betriebsnotwendige Eigenkapital i.S.v. § 6 Abs. 2 StromNEV, welches unmittelbar zur Finanzierung der Beschaffung von Altanlagen eingesetzt wurde (s. g. BEK I), hinsichtlich des die höchst zulässige Eigenkapitalquote des § 6 Abs. 2 Satz 4 StromNEV übersteigenden Betrages so zu verzinsen ist, wie ein mit diesem Eigenkapitalanteil vergleichbares Kapitalmarktprodukt. Die Vorschrift enthält keine Anordnung einer Höchstquote für die kalkulatorische Eigenkapitalverzinsung.

4. Die Vorschrift des § 8 StromNEV schließt den Ansatz tatsächlich geleisteter, dem Netzbetrieb sachgerecht zugeordneter Gewerbesteuerzahlungen als aufwandsgleiche Kosten nicht aus.

 

Verfahrensgang

Landesregulierungsbehörde (Beschluss vom 28.06.2006)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 13.11.2007; Aktenzeichen KVR 23/07)

 

Tenor

Der Bescheid der Landesregulierungsbehörde vom 28.6.2006 wird aufgehoben.

Die Landesregulierungsbehörde wird verpflichtet, über den Antrag der Antragstellerin auf Genehmigung von Netzentgelten vom 28.10.2005 unter Beachtung der Rechtsauffassungen des Senats erneut zu entscheiden. Die zu genehmigenden Netznutzungsentgelte gelten für die Zeit vom 1.7.2006 bis zum 31.12.2007.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Der Kostenwert des Beschwerdeverfahrens wird auf ... EUR festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde an den BGH wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin ist ein kommunales Unternehmen, dessen einzige Gesellschafterin die Stadt W. ist. Gegenstand des Unternehmens ist u.a. die Erzeugung und Verteilung von sowie der Handel mit Elektrizität. Das Netzgebiet umfasst eine geographische Fläche von ca ... km2 und ca ... Einwohner. Die Antragstellerin ist sowohl Grundversorgerin im Bereich der Elektrizität als auch Verteilnetzbetreiberin auf der Niederspannungs- und der Mittelspannungsebene. Daneben befasst sie sich auch mit der Erzeugung und Verteilung von Fernwärme, mit der Versorgung von Endkunden mit Gas und Wasser sowie mit weiteren Dienstleistungen. Dies bedeutet, dass die Antragstellerin ein s. g. vertikal integriertes Unternehmen ist, bei der die Sparte Strom und darin der Netzbetrieb noch nicht real von der Elektrizitätserzeugung und/oder dem Stromhandel entflochten sind. In der Sparte Elektrizität erwirtschaftete die Antragstellerin in den letzten Geschäftsjahren jeweils Gewinne.

Die Antragstellerin hat am 28.10.2005 bei der Landesregulierungsbehörde einen Antrag auf Genehmigung von Netzentgelten für das Jahr 2006 gestellt. Diesen Antrag hat sie mit Schreiben vom 29.12.2005 erläutert und ergänzt. Am 2.3.2006 haben die Verfahrensbeteiligten ein Gespräch über offene Fragen des Antragsverfahrens geführt, zu dessen Inhalt die Antragstellerin mit Schreiben vom 24.4.2006 nochmals Stellung genommen hat. Die Regulierungsbehörde hat unter dem 15.6.2006 einen Prüfbericht verfasst, in dem sie die beabsichtigte Entscheidung bekannt gegeben hat. Hierzu hat die Antragstellerin mit Schreiben vom 22.6.2006 Stellung genommen.

Mit Bescheid vom 28.6.2006 hat die Landesregulierungsbehörde kostenorientierte Entgelte für den Netzzugang Strom als Höchstpreise netto, d.h. ohne KWK-G-Zuschlag, Konzessionsabgabe und Mehrwertsteuer, für die Zeit vom 1.7.2006 bis zum 31.12.2007 unter dem Vorbehalt des generellen Widerrufs und mit vier Auflagen genehmigt. Unter Nr. 4 der Auflagen hat sie die Antragstellerin verpflichtet, ihr bis zum 30.9.2006 eine Erlösrechnung für den Zeitraum vom 1.1.2005 bis zum 31.12.2005 sowie bis zum 30.9.2007 eine Erlösrechnung für den Zeitraum vom 1.1. bis zum 31.12.2006 vorzulegen.

Gegen diesen ihr am 3.7.2006 zugestellten Bescheid hat die Antragstellerin mit einem am 31.7.2006 vorab per Fax beim OLG Naumburg eingegangenen Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt. Sie hat ihr Rechtsmittel innerhalb der letztlich bis zum 16.10.2006 verlängerten Beschwerdebegründungsfrist auch begründet.

Die Antragstellerin wendet sich gegen die Nichtanerkennung eine...

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