Leitsatz (amtlich)

1. Es ist Sache des Netzbetreibers, nach welcher Buchungsmethode er verfährt. Eine sehr differenzierte Kostenzuordnung nach dem System einer internen auftragsbasierten Leistungsverrechnung ist methodisch nicht zu beanstanden.

2. Zur Schlüsselung von Gemeinkosten einer Organisationseinheit für "Vertrieb, Einkauf, Lager, Fuhrpark und Verbrauchsabrechnung" bei sonstigen Aufwendungen für bezogene Leistungen und bei Personalkosten sowie der Gemeinkosten für das Verwaltungsgebäude des Mehrspartenunternehmens.

3. Bleibt eine von der Antragstellerin vorgenommene Schlüsselung von Gemeinkosten der Stromsparte auch nach deren Erläuterung nicht nachvollziehbar als verursachungsgerechte Aufteilung der Kosten auf Netz und Vertrieb, so ist die Landesregulierungsbehörde berechtigt und im Sinne der Verhältnismäßigkeit sogar verpflichtet, zu prüfen, ob die Anerkennung zumindest eines Teils der für den Netzbetrieb geltend gemachten Kosten in Betracht kommt. Die von ihr unterstellte Kostenzuordnung muss lediglich ermessensfehlerfrei die Mindestkosten des Netzes abbilden. Für die Ermessensausübung kann die übliche Regulierungspraxis in parallelen Genehmigungsverfahren derselben Behörde von Bedeutung sein.

4. Hinsichtlich der Aufwendungen zur Entflechtung von Netz und Vertrieb, die regelmäßig Plankosten sind, kommt es zunächst auf die Vermittlung gesicherter Erkenntnisse über deren Entstehung und auch über deren Höhe an. Eine anschließende ausschließliche Zuordnung der sog. Entflechtungskosten zum Netzbetrieb ist nicht gerechtfertigt.

5. Es bleibt (wegen der Unsicherheiten der Datenbasis des angestellten Vergleichs im vorliegenden Verfahren) offen, ob ein Rückschluss von einem stark überhöhten Ansatz spezifischer Tagesneuwerte einzelner Anlagegüter auf generell überhöhte Tagesneuwerte auch beim restlichen Anlagevermögen ausnahmsweise zulässig sein mag. Der Senat neigt dazu, in Ausnahmefällen eine pauschale Kürzung der gesamten kalkulatorischen Abschreibungen mit einem erheblichen Sicherheitsabschlag zu den Abweichungen der Stichproben zuzulassen.

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Bescheid der Landesregulierungsbehörde für Elektrizität und Gas des Landes Sachsen-Anhalt vom 28.6.2006 aufgehoben.

Die Landesregulierungsbehörde wird verpflichtet, über den Antrag der Antragstellerin auf Genehmigung von Netzentgelten vom 28.10.2005 unter Beachtung der Rechtsauffassungen des Senats erneut zu entscheiden. Die zu genehmigenden Netznutzungsentgelte gelten für die Zeit vom 1.7.2006 bis zum 31.12.2007.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Antragstellerin zu zwei Dritteln und die Landesregulierungsbehörde zu einem Drittel zu tragen.

Der Kostenwert des Beschwerdeverfahrens wird auf ... EUR festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde an den BGH wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin ist ein kommunales Unternehmen, dessen Gesellschafterinnen zu 50 % die Stadt Z. und zu 50 % andere kommunale und private Energieversorgungsunternehmen sind. Gegenstand des Unternehmens ist u.a. die Verteilung und der Handel mit Elektrizität. Das Netzgebiet umfasst eine geographische Fläche von ca ... km2 und ca. ... Einwohner. Die Antragstellerin ist sowohl Grundversorgerin im Bereich der Elektrizität als auch Verteilernetzbetreiberin auf der Niederspannungs- und der Mittelspannungsebene. Daneben befasst sie sich auch mit der Erzeugung und Verteilung von Fernwärme, mit der Versorgung von Endkunden mit Gas und Trinkwasser sowie als Betriebsführer eines städtischen Eigenbetriebes und zweier gemeindlicher Anlagen mit der Abwasserentsorgung. Dies bedeutet, dass die Antragstellerin ein sog. vertikal integriertes Unternehmen ist, bei der die Stromsparte und darin der Netzbetrieb jedenfalls bis Ende 2006 noch nicht real vom Stromhandel entflochten waren. In der Sparte Elektrizität erwirtschaftete die Antragstellerin in den letzten Geschäftsjahren jeweils Gewinne.

Die Antragstellerin hat am 28.10.2005 bei der Landesregulierungsbehörde einen Antrag auf Genehmigung von Netzentgelten für das Jahr 2006 gestellt. Diesen Antrag hat sie mit Schreiben vom 4.1.2006 ergänzt. Am 21.2.2006 haben die Verfahrensbeteiligten ein Gespräch über offene Fragen des Antragsverfahrens geführt, zu dessen Inhalt die Antragstellerin mit Schreiben vom 21.3.2006 nochmals Stellung genommen hat. Am 10.4.2006 hat ein weiteres Gespräch stattgefunden, auf welches die Antragstellerin mit Schreiben vom 12.4.2006 reagiert hat. Die Antragstellerin hat auf Nachfragen mit Schreiben vom 11.5. und 12.6.2006 weitere Erläuterungen zu ihrem Antrag vorgenommen. Unter dem 6.6.2006 hat die Regulierungsbehörde einen Prüfbericht verfasst, in dem sie die beabsichtigte Entscheidung bekannt gegeben hat. Hierzu hat die Antragstellerin mit Schreiben vom 14.6.2006 Stellung genommen; am 20.6.2006 hat sie eine Korrektur ihrer Antragsunterlagen vorgenommen.

Mit Bescheid vom 28.6.2006 hat die Landesregulierungsbehörde kostenorientierte Entgelte für den Netzzugang Strom als Höchstpreise ne...

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