Leitsatz (amtlich)
1. Ist die Antragstellerin in einem Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer unterlegen, so darf die Vergabestelle nach Ablauf der Rechtsmittelfrist den Zuschlag erteilen, wenn sie keine Kenntnis von einem Rechtsmittel der Antragstellerin gegen die Entscheidung der Vergabekammer hat. Der unter diesen Bedingungen erteilte Zuschlag ist insb. nicht nach § 134 BGB i.V.m. § 118 Abs. 1 S. 1 GWB nichtig (Bestätigung der Rechtsprechung, Beschluss vom 2.6.1999, 10 Verg 1/99).
2. Wird mit der sofortigen Beschwerde der Antragstellerin die Wirksamkeit des erteilten Zuschlages angegriffen, so kann es zweckdienlich sein, im Antragsverfahren nach § 118 Abs. 1 S. 3 GWB vorsorglich die Erteilung eines weiteren Zuschlages zu untersagen.
Tenor
Der Antrag der Antragstellerin auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung bis zur Entscheidung über ihre sofortige Beschwerde wird verworfen.
Gründe
I. Die Antragstellerin reichte in dem Verhandlungsverfahren zu dem Bauvorhaben „Neubau – M., Los 1 – Erdarbeiten, Bohrpfahlwand zur Gründung” innerhalb der Angebotsfrist ein Angebot ein.
Die Antragsgegnerin teilte der Antragstellerin mit Schreiben vom 14.5.2002 mit, dass das Angebot nicht alle geforderten Nachweise nach dem Vergabegesetz des Landes Sachsen-Anhalt enthalte und von einer weiteren Wertung ausgeschlossen wird. Gleichzeitig wurde der Antragstellerin mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, der Beigeladenen am 29.5.2002 den Zuschlag zu erteilen. Die dagegen erhobene Rüge der Antragstellerin blieb ohne Erfolg.
Mit Schriftsatz vom 23.5.2002 beantragte die Antragstellerin die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens bei der Vergabekammer beim Regierungspräsidium Halle. Die Vergabekammer hat diesen Antrag durch Beschluss vom 18.6.2002 als unzulässig verworfen.
Gegen diese ihr am 21.6.2002 zugestellte Entscheidung richtet sich die mit Schriftsatz vom 5.7.2002 erhobene und am selben Tage vorab per Fax beim OLG Naumburg eingegangene sofortige Beschwerde der Antragstellerin. Die Antragstellerin beantragt u.a., die aufschiebende Wirkung ihrer sofortigen Beschwerde ggü. der Entscheidung der Vergabekammer bis zur Entscheidung über das Rechtsmittel durch den Vergabesenat zu verlängern. Die Vergabestelle und die Beigeladene erhielten von dem Rechtsmittel durch Telefax des Senats vom 8.7.2002 Kenntnis.
Der Beigeladenen ist am 6.7.2002 der Zuschlag erteilt worden.
II. Der Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde ist unzulässig.
Der Antrag ist gem. § 118 Abs. 1 S. 3 GWB nicht statthaft, wenn das Vergabeverfahren inzwischen durch Zuschlagerteilung abgeschlossen ist (so auch OLG Düsseldorf WuW 2001, 1159). Die Vergabestelle hat den Zuschlag an die Beigeladene am 6.7.2002 erteilt.
Die Vergabestelle hat den Zuschlag auch wirksam erteilt. Im Zeitpunkt der Zuschlagserteilung an die Beigeladene bestand kein Zuschlagsverbot mehr. Dieses Verbot war gem. §§ 115 Abs. 1, 118 Abs. 1 S. 1 und 2 GWB am 5.7.2002 um 24.00 Uhr erloschen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte die Vergabestelle von dem beim OLG Naumburg rechtzeitig eingelegten Rechtsmittel der Antragstellerin keine Kenntnis.
Der Antragstellerin war es jedoch möglich und ihr obliegt es nach § 117 Abs. 4 GWB auch, die Vergabestelle von dem eingelegten Rechtsmittel zu unterrichten und so eine wirksame Zuschlagserteilung zu verhindern.
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin war die Vergabestelle nicht verpflichtet, sich vor der Zuschlagserteilung zu vergewissern, dass die Antragstellerin kein Rechtsmittel gegen die Entscheidung der Vergabekammer eingelegt hat. Eine derartige Verpflichtung der Vergabestelle ist gesetzlich nicht geregelt. Demgegenüber ist jedoch ausdrücklich normiert, dass der Beschwerdeführer die am Verfahren vor der Vergabekammer Beteiligten mit der Einlegung der Beschwerde zu unterrichten hat. Dabei ist die Formulierung „Mit der Einlegung” im Hinblick auf den Beschleunigungsgrundsatz wie „zeitgleich” zu lesen (so auch Hunger in Niebuhr/Kulartz/Kus/Portz, Kommentar zum Vergaberecht, § 117 Rz. 13; Stockmann in Immenga/Mestmäcker, GWB, 3. Aufl., § 117 Rz. 17).
Der Senat hält auch weiterhin an seiner im Beschluss (OLG Naumburg, Beschl. v. 11.10.1999 – 10 Verg 1/99, OLGReport Naumburg 2000, 108) geäußerten Rechtsauffassung fest. Die Vergabestelle kann nach Ablauf der Rechtsmittelfrist den Zuschlag erteilen, wenn sie keine Kenntnis von dem Rechtsmittel hatte, weil der Beschwerdeführer die ihm zwingend obliegende Unterrichtung der Vergabestelle unterlassen hat. Die dagegen in der Literatur angeführten Bedenken (so auch Hunger in: Niebuhr/Kulartz/Kus/Portz, Kommentar zum Vergaberecht, § 118 Rz. 13; Stockmann in: Immenga/Mestmäcker, GWB, 3. Aufl., § 117 Rz. 19; Beck'scher VOB-Kommentar, Gröning § 117 GWB Rz. 19; Sickler in: Reidt/Stickler/Glahs, Kommentar zum Vergaberecht, § 118 Rz. 6) überzeugen den Senat nicht.
Zink Geib Rubner
Fundstellen
Haufe-Index 1108871 |
ZfBR 2003, 97 |
WuW 2003, 221 |