Entscheidungsstichwort (Thema)
Versorgungsausgleich: Aussetzung in analoger Anwendung des § 2 VAÜG wegen der Notwendigkeit der Neubestimmung von Startgutschriften rentenferner Versicherter
Leitsatz (amtlich)
Aufgrund der Entscheidung des BGH (14.11.2007 Az. IV ZR 74/06) ist die Startgutschrift rentenferner Versicherter durch die Tarifpartner neu zu bestimmen; dies ist bislang noch nicht erfolgt.
Das OLG Naumburg schließt sich der Rechtsauffassung des OLG Stuttgart (OLG Stuttgart 28.12.2007 - Az. 15 UF 240/07) an, wonach die derzeitige Regelungslücke durch Aussetzung in analoger Anwendung des § 2 VAÜG zu schließen ist.
Normenkette
VAÜG § 2
Verfahrensgang
AG Zerbst (Urteil vom 23.01.2008; Aktenzeichen 7 F 167/07) |
Tenor
1. Auf die befristete Beschwerde der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder Karlsruhe wird das Urteil des AG - FamGs - Zerbst vom 23.1.2008 - 7 F 167/07 S, zu Ziff. 2 des Tenors (Versorgungsausgleich) aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens, an das AG - FamG - Zerbst zurückverwiesen.
Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben.
2. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die gem. §§ 629a Abs. 2, 621e Abs. 1 und 3, 621 Abs. 1 Nr. 6 ZPO statthafte und zulässige befristete Beschwerde der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder hat insoweit teilweise Erfolg, als sie hier zur Aufhebung der amtsgerichtlichen Entscheidung über den Versorgungsausgleich (Ziff. 2 der Entscheidungsformel des Urteils) und zur Zurückverweisung der Sache insoweit an das FamG führt.
Der Versorgungsausgleich kann derzeit nicht durchgeführt werden, weil in der Folge des grundlegenden Urteils des BGH v. 14.11.2007 - IV ZR 74/06, die Startgutschriften rentenferner Versicherter bei der beschwerdeführenden Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder durch die Tarifparteien neu zu bestimmen sind. Voraussetzung dafür ist Art. 3 Abs. 1 GG entsprechende verfassungskonforme Änderung der Übergangsregelungen für die rentenfernen Versicherungen durch die Tarifvertragsparteien sowie eine entsprechende Änderung der Satzung der beschwerdeführenden Versorgungsanstalt, was aber nach deren Angabe in der Beschwerdeschrift voraussichtlich nicht vor dem Jahre 2009 erfolgen wird.
Diese Situation ist nach Ansicht des OLG Stuttgart (Beschl. v. 28.12.2007 - 15 UF 240/07) vergleichbar mit dem in § 2 Abs. 1 Satz 2 VAÜG geregelten Fall, wonach der Versorgungsausgleich - vorbehaltlich bestimmter Ausnahmefälle - auszusetzen ist, solange die Einkommensverhältnisse in den neuen und alten Bundesländern noch nicht angeglichen sind (§ 1 Abs. 1 VAÜG), wenn im Beitrittsgebiet erworbene Anwartschaften mit solchen aus den alten Ländern auszugleichen sind.
Da im Entscheidungsfall die Frage, ebenso wie die Frage, wann die Lebensverhältnisse in Ost und West angeglichen sind, hier offen ist, weil die Neuregelung der Startgutschriften nicht konkret absehbar ist, erscheint zur Schließung der Regelungslücke - im Einklang mit dem OLG Stuttgart - der in § 2 Abs. 1 Satz 2 VAÜG enthaltene Rechtsgedanke, den Versorgungsausgleich auszusetzen, geeignet, sofern er aus Gründen, die dem Einfluss der Verfahrensbeteiligten entzogen sind, auf unabsehbare Zeit nicht durchführbar ist. Unter Berücksichtigung des in § 2 Abs. 1 Satz 2 VAÜG enthaltenen Rechtsgedankens erscheint es mithin erforderlich und geboten, zur Schließung der planwidrig aufgetretenen Regelungslücke das Verfahren entsprechend der Vorschrift über die Aussetzung des Versorgungsausgleiches ebenfalls auszusetzen, bis eine Neuregelung über die Startgutschriften der rentenfernen Jahrgänge, wie hier, vorliegt.
Da überdies in der Rechtsprechung (vgl. etwa OLG Bamberg FamRZ 2000, 291; OLG Stuttgart, a.a.O.) anerkannt ist, dass die Entscheidung der ersten Instanz aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen ist, wenn die Aussetzung des Versorgungsausgleichs in erster Instanz zu Unrecht unterblieben ist, ist auch dieser Rechtsgedanke zur Schließung der planwidrig aufgetretenen Regelungslücke auf den Entscheidungsfall zu übertragen, hat doch das AG die vorangegangene Entscheidung des BGH zur Neuregelung der Startgutschriften nicht berücksichtigt. Überdies ist die Zurückweisung auch bereits deshalb erforderlich, um den Parteien nicht eine Tatsacheninstanz zu nehmen.
Nach alledem hatte die befristete Beschwerde in dem aus dem Tenor ersichtlichen und von der beschwerdeführenden Versorgungsanstalt erstrebten Umfange Erfolg.
II. Gemäß § 21 GKG ist von der Erhebung der Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren abzusehen.
Die Festsetzung des Gegenstandswertes für das Beschwerdeverfahren folgt aus §§ 49 Nr. 3 GKG.
Fundstellen
Haufe-Index 2015773 |
NJW 2008, 2594 |
FamRZ 2008, 2212 |
NJ 2008, 368 |
OLGR-Ost 2008, 743 |