Verfahrensgang

LG Stendal (Entscheidung vom 15.09.2017; Aktenzeichen 508 StVK 234/17 (K))

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Stendal vom 15. September 2017 (508 StVK 234/17 (K)) aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an die auswärtige Strafvollstreckungskammer zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Mit Urteil vom 11.09.2000 (1 KLs 100 Js 1117/00) hat das Landgericht Bautzen den Betroffenen wegen einer im Dezember 1999 in der Justizvollzugsanstalt Bautzen begangenen Geiselnahme zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt und zugleich seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet.

Seit dem 07.09.2012 wird die angeordnete Sicherungsverwahrung vollzogen, nachdem das Landgericht Leipzig -sachverständig beraten -mit Beschluss vom 21.08.2012 (1 StVK 687/11) dies angeordnet und die Vollstreckung der durch Urteil des Landgerichts Dessau vom 06.10.1993 (6 Ks 310 Js 9588/93) u. a. wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion angeordnete Unterbringung des Beschwerdeführers in einem psychiatrischen Krankenhaus für erledigt erklärt hatte.

Mit Beschluss vom 15.09.2017 (508 StVK 234/17 (K)) hat die auswärtige große Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Stendal mit Sitz in Burg die Fortdauer der Unterbringung des Betroffenen in der Sicherungsverwahrung angeordnet und den Antrag des Betroffenen, die Maßregel der Sicherungsverwahrung für erledigt zu erklären, zurückgewiesen.

Gegen diese seinem Verteidiger am 12.10.2017 zugestellte Entscheidung richtet sich die sofortige Beschwerde des Betroffenen vom 04.10.2017, welche am selben Tag beim Landgericht Stendal eingegangen und mit Schriftsatz vom 02.11.2017 weiter begründet worden ist, und zwar im Wesentlichen damit, dass die Vollstreckungskammer bereits den für die Altfälle geltenden Prüfungsmaßstab, insbesondere die Notwendigkeit einer "strikten Verhältnismäßigkeitsprüfung" verkannt habe.

II.

Die gemäß §§ 463 Abs. 3 Satz 1, 454 Abs. 3 Satz 1, 311 StPO zulässige sofortige Beschwerde des Betroffenen führt zur Aufhebung und zur Zurückverweisung der Sache an die Strafvollstreckungskammer, weil deren Entscheidung auf einer unzureichend aufgeklärten Prognosegrundlage beruht.

Wie der Betroffene zutreffend vorträgt, hängt die Fortdauer der Unterbringung in Fällen, in denen die Anlasstat wie hier vor dem 01.06.2013 begangen worden ist, gem. Art. 316 e Abs. 1 S. 3, 316 f Abs. 2 S. 1 EGStGB i.V.m. § 67 d Abs. 2 S. 1 StGB in der Fassung vom 26.01.1998 (BGBl. I S. 160) unter Beachtung des nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 04.11.2011 (BVerfGE 128, 326, 405 f) geltenden Maßstabs "strikter Verhältnismäßigkeit" davon ab, ob eine Gefahr schwerer Gewalt- und Sexualstraftaten aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Betroffenen abzuleiten ist (vgl. BGH, NStZ 2013, 524, 525; NStZ-RR 2014, 43; NStZ 2014, 263, 264; OLG Koblenz, Beschl. v. 26.04.2016, 2 Ws 204/16, Rn. 12, 13; Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen, Beschl. v. 18.09.2017, Vf 97-IV-17, Rn. 16; jeweils zitiert nach juris), wobei unter einer Gefahr im vorgenannten Sinne von der höchstrichterlichen Rechtsprechung nur eine hohe Gefahr verstanden wird (vgl. BGH, Beschl. v. 25.05.2011, 4 StR 164/11, Rn. 8; Urt. v. 18.07.2012, 2 StR 605/11, Rn. 23; jeweils zitiert nach juris).

Anderer Auffassung nach ist seit dem 01.06.2013 bzw. 01.08.2016 hingegen § 67 d Abs. 2 S. 1 StGB in der Fassung vom 05.12.2012 bzw. mittlerweile in der Fassung vom 08.07.2016 gem. § 316 f Abs. 3 S. 1 EGStGB auch auf Altfälle anwendbar (vgl. OLG Frankfurt, Beschl. v. 04.07.2013, 3 Ws 136/13, Rn. 15; Brandenburgisches OLG, Beschl. v. 02.01.2014, 1 Ws 165/13, Rn. 14). Danach käme es darauf an, ob der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzugs keine erheblichen rechtswidrigen Taten mehr begehen wird, wobei dann zusätzlich Art. 316 Abs. 2 S. 2 EGStGB zu beachten wäre, wonach die Fortdauer der Sicherungsverwahrung nur zulässig ist, wenn beim Betroffenen eine psychische Störung vorliegt und aus konkreten Umständen in seiner Person oder seinem Verhalten eine hochgradige Gefahr abzuleiten ist, dass er infolge dieser Störung schwerste Gewalt- oder Sexualstraftaten begehen wird (vgl. OLG Frankfurt, a.a.O., Rn. 10; Brandenburgisches OLG, a.a.O.; KG, Beschl. v. 19.02.2015, 2 Ws 24/15 - 141 AR 30/15, Rn. 8; Beschl. v. 04.03.2015, 2 Ws 27/15 - 141 AR 50/15, Rn. 8, 11; jeweils zitiert nach juris). In der Sache führen beide Auffassungen zum selben Ergebnis, da sich der Gesetzgeber bei der Neuregelung eng an den oben genannten Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts angelehnt und sich dabei insbesondere dessen strengen Prüfungsmaßstab für die Anordnung und Fortdauer der Sicherungsverwahrung in Altfällen zu Eigen gemacht hat (vgl. OLG Frankfurt, Beschl. v. 04.07.2013, 3 Ws 136/13; KG Berlin, Beschl. v...

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