Entscheidungsstichwort (Thema)
Elterliche Sorge: Notwendigkeit einer gerichtlichen Entscheidung
Leitsatz (amtlich)
Eine gerichtliche Entscheidung zum Sorgerecht kommt nur dann in Betracht, wenn eine derartige Entscheidung zum Wohl des Kindes notwendig ist.
Die Notwendigkeit, den Unterhalt geltend zu machen, rechtfertigt keine Sorgerechtsregelung, denn § 1629 Abs. 2 BGB gibt dem betreuenden Elternteil die notwendige rechtliche Grundlage für die Vertretung.
Normenkette
BGB § 1629 Abs. 2, § 1671
Verfahrensgang
AG Aschersleben (Beschluss vom 24.11.2004; Aktenzeichen 4 F 140/03) |
Tenor
Die befristete Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des AG - FamG - Aschersleben vom 24.11.2004 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Der Beschwerdewert beträgt 3.000 EUR.
Gründe
Die zulässige befristete Beschwerde (§ 621e ZPO) gegen die Versagung der Übertragung des alleinigen Aufenthaltsbestimmungsrechtes auf die Antragstellerin (§ 621 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) ist nicht begründet.
Zwar leben die Antragstellerin und der Antragsgegner - die miteinander verheiratet sind und denen die gemeinsame elterliche Sorge für das am 19.6.1998 geborene Kind zusteht (§ 1626 BGB) - seit Juni 2002 nicht nur vorübergehend getrennt (§ 1671 Abs. 1 BGB). Der Antragsgegner hat der von der Antragstellerin begehrten Übertragung des alleinigen Aufenthaltsbestimmungsrechts für das Kind aber weder zugestimmt (§ 1671 Abs. 2 Nr. 1 BGB) noch ist zu erwarten, dass eine derartige Entscheidung dem Wohl des Kindes am besten entspricht (§ 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB).
Nach ständiger Rechtsprechung des Senates kommt eine gerichtliche Entscheidung zum Sorgerecht nämlich lediglich dann in Betracht, wenn eine derartige Entscheidung zum Wohl des Kindes notwendig ist. Dies folgt aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der einen staatlichen Eingriff in das natürliche Grundrecht beider Elternteile auf Pflege und Erziehung ihres Kindes (Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG; § 1 Abs. 2 SGB VIII) nur erlaubt, soweit der Eingriff zur Verbesserung der Situation des Kindes geeignet und erforderlich ist. Daran fehlt es, wenn eine gerichtliche Übertragung des alleinigen Aufenthaltsbestimmungsrechtes für das Kind nicht hilfreich ist, weil zwischen den Eltern - wie hier - kein Streit über den tatsächlichen Aufenthaltsort des Kindes besteht (OLG Naumburg, Beschl. v. 17.2.2003 - 8 UF 189/02, OLGReport Naumburg 2003, 562, m.w.N.). Denn hält sich ein Kind im Einverständnis beider Eltern tatsächlich bei einem Elternteil auf, so hat dieser Elternteil schon von Gesetzes wegen die Befugnis zur alleinigen Entscheidung in allen Angelegenheiten des täglichen Lebens (§ 1687 Abs. 1 S. 2 BGB), d.h. in sämtlichen Angelegenheiten, die häufig vorkommen und die keine schwer abzuändernden Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes haben (§ 1687 Abs. 1 S. 3 BGB). Außerdem steht dem betreuenden Elternteil die Befugnis zur alleinigen Entscheidung in Angelegenheiten der tatsächlichen Betreuung zu (§ 1687 Abs. 1 S. 1 BGB); auf Grund dieser Befugnis ist er bei Gefahr im Verzug berechtigt, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zum Wohl des Kindes notwendig sind, und braucht den anderen Elternteil von seinen Rechtshandlungen nur unverzüglich zu informieren (§ 1687 Abs. 1 S. 5 i.V.m. § 1629 Abs. 1 S. 4 BGB). Der betreuende Elternteil hat lediglich alles zu unterlassen, was das Verhältnis des Kindes zum anderen Elternteil beeinträchtigt oder die Erziehung erschwert (§ 1687 Abs. 1 S. 5 i.V.m. § 1684 Abs. 2 S. 1 BGB).
Auch die Geltendmachung von Kindesunterhalt durch einen Elternteil setzt - abweichend von der Ansicht der Antragstellerin - lediglich voraus, dass sich das Kind tatsächlich in der Obhut dieses Elternteiles befindet (§ 1629 Abs. 2 und 3 BGB). Dies - wie auch alle anderen sich aus der gemeinsamen elterlichen Sorge ergebenden Fragen - ist zwischen den Eltern nicht streitig.
Fundstellen
Haufe-Index 1333882 |
NJOZ 2005, 2987 |
OLGR-Ost 2005, 465 |