Entscheidungsstichwort (Thema)
Elterliche Sorge: Einschränkungen des Sorgerechts zur Vorbereitung der Rückgabe des Kindes an einen Elternteil
Leitsatz (amtlich)
Ist ein Kind nach längerer Zeit an ein Elternteil zurückzugeben, ist im Interesse des Kindes die Rückgabe mit einem intensiven Umgangsrecht zugunsten des Elternteils vorzubereiten und bis zur Rückkehr des Kindes zum Elternteil das Verbleiben bei der Pflegefamilie anzuordnen.
Normenkette
BGB § 1632 Abs. 4, § 1666
Verfahrensgang
AG Wernigerode (Beschluss vom 15.06.2005; Aktenzeichen 11 F 1332/04) |
Tenor
1. Auf die befristete Beschwerde der Kindesmutter wird der Beschluss des AG Wernigerode vom 15.6.2005 - 11 F 1332/04, aufgehoben.
2. Das elterliche Sorgerecht - mit Ausnahme des Teilbereichs der Gesundheitsfürsorge, welches auf die Antragsgegnerin übertragen wird - für das am 2.6.2001 geborene Kind I. T. wird der Kindesmutter übertragen.
3. Es wird angeordnet, dass das Kind I. T. bei den Pflegeeltern D. in Dg. verbleibt.
4. Die Umgangsrechtsregelung (Ziff. 4 des Ausspruchs des angefochtenen Beschlusses) betreffend das Kind I. T. wird wie folgt von Amts wegen konkretisiert:
Den Kindeseltern wird Umgang mit dem Kind an jedem zweiten Wochenende in der Zeit von Samstag, ab 10.00 Uhr, bis zum darauffolgenden Sonntag, bis 17.00 Uhr, in Z. eingeräumt. Die bisherigen Umgangsausübungsmodalitäten, nämlich dass die Kindeseltern am Samstag das Kind von Dg. abholen und am Sonntag von Z. nach Dg. bringen, sollen beibehalten werden.
5. Die Entscheidung über die Beschwerde ergeht gerichtsgebühren- und auslagenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Die Beschwerde der Kindesmutter gegen den Sorgerechtsbeschluss des AG Wernigerode vom 15.6.2005 ist gemäß den §§ 621e Abs. 1, 621 Abs. 1 Nr. 1 ZPO als befristete Beschwerde statthaft, denn sie richtet sich gegen eine im ersten Rechtszug ergangene Endentscheidung über das Sorgerecht. Sie ist zudem rechtzeitig innerhalb der einmonatigen Beschwerdefrist der §§ 621e Abs. 3 Satz 2, 517 ZPO eingelegt worden.
II. Die befristete Beschwerde der Kindesmutter ist auch teilweise begründet.
Denn die Grundlage für den erstinstanzlich gemäß den §§ 1666, 1666a BGB vorgenommenen vollständigen Sorgerechtsentzug ist entfallen, sodass der angefochtene Beschluss des AG Wernigerode vom 15.6.2005 gem. § 1696 Abs. 2 BGB aufzuheben ist. Allerdings hält es der Senat von Amts wegen aus Gründen des Kindeswohls für geboten, einerseits gem. § 1632 Abs. 4 BGB eine Verbleibensanordnung zugunsten der Pflegeeltern zu treffen und andererseits gem. § 1666 Abs. 1 BGB den Teilbereich der elterlichen Sorge, nämlich die Gesundheitsfürsorge, auf die Antragsgegnerin zu übertragen.
Zwar hat es das AG Wernigerode zum damaligen Zeitpunkt in grundsätzlich zutreffender Weise abgelehnt, die vollständige elterliche Sorge auf die Kindesmutter zurückzuübertragen und das Kind in den Haushalt der zu diesem Zeitpunkt noch nicht verheirateten Kindesmutter zurückzuführen, und den entsprechenden Antrag der Beschwerdeführerin zurückgewiesen.
Das erstinstanzliche Gericht hat sich in dem angefochtenen Beschluss sorgfältig und nachvollziehbar mit den Interessen und Argumenten aller Beteiligter auseinandergesetzt und sich letztendlich bei seiner Entscheidung richtigerweise ausschließlich am Kindeswohl orientiert. Dabei hat das AG sich vornehmlich in nicht zu beanstandender Weise auf das Ergebnis der gerichtlich durchgeführten Anhörungen sowie die schriftlichen Ausführungen des psychologischen Sachverständigen Sch. vom 25.4.2005 gestützt und ist im Ergebnis auf Grund der gegen die Kindesmutter erhobenen Vorwürfe zu dem Schluss gekommen, das Kind nicht in deren Haushalt zurückzuführen und ihr die komplette elterliche Sorge zu entziehen.
Der Senat schließt sich insoweit nach nochmaliger Prüfung der Sach- und Rechtslage den überzeugenden Ausführungen des AG in dem angefochtenen Beschluss an und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf diese Bezug.
Allerdings sind, wie tenoriert, gewisse Korrekturen vorzunehmen, da sich doch gravierende Umstände zwischenzeitlich ergeben haben, die zu dem damaligen Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung noch nicht vorgelegen haben.
1. Die vollständige Entziehung des nach § 1626a Abs. 2 BGB bestehenden mütterlichen Sorgerechts ist mangels fortbestehender Gefahr für das Wohl des Kindes nicht mehr gerechtfertigt. Der gegenteilige Beschluss des AG vom 15.6.2005 war mithin aufzuheben.
Die Voraussetzungen des § 1696 Abs. 2 BGB, wonach Maßnahmen i.S.d. §§ 1666, 1666a BGB dann wieder aufzuheben sind, wenn keine Gefahr mehr für das Wohl des Kindes besteht, liegen vor.
Die Gefahr, die ohne Zweifel ursprünglich für das Kindeswohl i.S.d. § 1666 Abs. 1 BGB bestanden hat und die Grundlage der vom AG getroffenen vorläufigen und letztlich auch endgültigen Sorgerechtsentziehung gewesen ist, nämlich die Vernachlässigungen des Kindes durch seine Mutter, ist hier zumindest teilweise wieder weggefallen. Eine Gefahr für das Kindeswohl ist eine gegenwärtige, in sol...