Leitsatz (amtlich)
Der Verdacht, der Beschuldigte könne für weitere Straftaten in Betracht kommen, rechtfertigt nicht die Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft, solange diese Taten nicht Gegenstand des Haftbefehls sind.
Verfahrensgang
LG Magdeburg (Entscheidung vom 06.02.2007; Aktenzeichen 25 Qs 12/07) |
Tenor
Auf die weitere Beschwerde des Beschuldigten wird der mit Beschluss der 5. Strafkammer des Landgerichts Magdeburg vom 6. Februar 2007 erlassene Haftbefehl aufgehoben.
Gründe
Der am 22. Dezember 2006 auf frischer Tat vorläufig festgenommene Beschuldigte hat sich aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Magdeburg vom 23. Dezember 2006 bis zu dessen Aufhebung durch Beschluss vom 23. Januar 2007 in Untersuchungshaft befunden. Auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Magdeburg gegen den Beschluss des Amtsgerichts Magdeburg vom 23. Januar 2007 hat die 5. Strafkammer des Landgerichts Magdeburg am 06. Februar 2007 erneut die Untersuchungshaft gegen den Beschuldigten angeordnet. Der Haftbefehl ist wegen des dringenden Verdachts des Diebstahls in drei Fällen, hiervon in mindestens zwei besonders schweren Fällen, ergangen und stützt sich auf den Haftgrund der Wiederholungsgefahr gemäß § 112a Abs. 1 Nr. 2 StPO.
Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde des Beschuldigten, der die Kammer nicht abgeholfen hat.
Das gemäß § 310 Abs. 1 StPO zulässige Rechtsmittel ist begründet.
Zwar ist der Beschuldigte der ihm mit Haftbefehl vom 06. Februar 2007 zur Last gelegten Taten aufgrund seines umfassenden, glaubhaften Geständnisses dringend verdächtig.
Es besteht gegen ihn auch der Haftgrund der Wiederholungsgefahr gemäß § 112 a Abs. 1 Nr. 2 StPO, weil er dringend verdächtig ist, wiederholt eine die Rechtsordnung schwerwiegend beeinträchtigende Straftat nach § 243 StGB begangen zu haben und bestimmte Tatsachen die Gefahr begründen, dass er vor rechtskräftiger Aburteilung weitere erhebliche Straftaten gleicher Art begehen wird und eine Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr zu erwarten ist.
Die (erneute) Anordnung der Untersuchungshaft durch Beschluss des Landgerichts Magdeburg vom 06. Februar 2007 ist jedoch unverhältnismäßig.
Untersuchungshaft darf in Ansehung der durch Artikel 2 Abs. 2 S. 2 GG garantierten Freiheit der Person und der Unschuldsvermutung des Artikel 6 Abs. 2 MRK nur angeordnet und aufrechterhalten werden, wenn überwiegende Interessen des Gemeinwohls das zwingend gebieten (BVerfGE 35, 185, 190). Zweck der Untersuchungshaft ist danach ausschließlich die Durchsetzung des Anspruchs der staatlichen Gemeinschaft auf vollständige Aufklärung der Tat und rasche Bestrafung des Täters (BVerfGE 19, 342, 348; BVerfGE 20, 45, 49). Sie soll die Durchführung eines geordneten Strafverfahrens gewährleisten und die spätere Vollstreckung eines auf Freiheitsstrafe oder freiheitsentziehende Sicherungsmaßregel lautenden Urteils sicherstellen (BVerfGE 32, 87, 93).
Im Rahmen der danach gebotenen Abwägung zwischen dem Freiheitsanspruch des noch nicht verurteilten Beschuldigten und der vom Standpunkt der Strafverfolgung aus erforderlichen und zweckmäßigen Freiheitsbeschränkung ist zu berücksichtigen, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Haft auch unabhängig von der zu erwartenden Strafe Grenzen setzt (BVerfGE 20, 45, 49); gleichzeitig ist zu bedenken, dass sich das Gewicht des Freiheitsanspruchs gegenüber dem Interesse an einer wirksamen Strafverfolgung mit zunehmender Dauer der Untersuchungshaft regelmäßig vergrößert (BVerfGE 53, 152, 158).
Der verfassungsrechtlich verankerte Beschleunigungsgrundsatz in Haftsachen verlangt daher bezogen auf das in Rede stehende Strafverfahren, dass die Strafverfolgungsbehörden und Strafgerichte alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um die notwendigen Ermittlungen mit der gebotenen Geschwindigkeit abzuschließen und eine gerichtliche Entscheidung über die einem Beschuldigten vorgeworfenen Taten herbeizuführen (BVerfGE 20, 45; 36, 264, 273). Kommt es zu vermeidbaren und dem Staat zuzurechnenden Verfahrensverzögerungen, wobei es auf eine wie auch immer geartete Vorwerfbarkeit nicht ankommt, liegt ein Verstoß gegen Artikel 2 Abs. 2 S. 2 GG vor (vgl. BVerfGE 20, 45, 50). Je nach Sachlage kann dabei bereits eine Zeitspanne von drei Monaten zu beanstanden sein (vgl. SchlH-OLG, Beschluss vom 2. April 1992, 1 HEs 14/92; HansOLG Hamburg, Beschluss vom 7. März 1985 - 2 Ws 90/85 H -; OLG Köln, Beschluss vom 18. August 1992 - HEs 136/92 -; OLG Koblenz, Beschluss vom 28. April 2000 - (1) 4420 BL III - 25/00), wobei schon eine vermeidbare Verfahrensverzögerung von rund zwei Monaten mit dem Beschleunigungsgebot in Haftsachen unvereinbar sein kann.
Im vorliegenden Fall ist diesem Beschleunigungsgebot nicht ausreichend Rechnung getragen. Eine Förderung des Verfahrens seit der Übergabe der Vorgänge durch die Polizei an die Staatsanwaltschaft Magdeburg am 12. Januar 2007 ist nicht aktenkundig. Der Beschuldigte hatte die ihm - nunmehr nur noch - mit Haftbefehl vom 06. Februar 2007 zur Last gelegten ...