Leitsatz (amtlich)

1. Auf die Frage des Beginns der Verjährung eines Anspruchs auf Schadensersatz wegen fehlerhafter medizinischer Behandlung in der ehemaligen DDR sind die von der (bundesdeutschen) Rechtsprechung zu § 852 Abs. 1 BGB entwickelten Anforderungen nicht anwendbar.

2. Die Person des Ersatzpflichtigen in Arzthaftungssachen konnte nach § 334 ZGB nur die medizinische Einrichtung bzw. deren Träger sein, weswegen es auch rechtlichen Gründen nicht darauf ankam, einen behandelnden Arzt namentlich als Ersatzpflichtigen zu benennen bzw. diesem ein subjektives Verschulden nachzuweisen.

3. Nach § 475 Nr. 2 S. 2 ZGB tritt die Verjährung – unabhängig von Beginn bzw. etwaiger Hemmung – spätestens nach Ablauf von zehn Jahren nach Vollendung der schädigenden Handlung ein.

 

Verfahrensgang

LG Magdeburg (Aktenzeichen 6 O 695/00)

 

Tenor

Die Gegenvorstellung der Antragstellerin gegen den Beschluss des Senats vom 2.11.2000, 1 W 14/00, wird zurückgewiesen.

Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Auslagen der Parteien werden nicht erstattet.

 

Gründe

1. Die Gegenvorstellung der Antragstellerin ist zulässig. Insbesondere ist die angegriffene Entscheidung des Senats nicht in materielle Rechtskraft erwachsen, so dass sie grundsätzlich einer Überprüfung und ggfs. Abänderung durch den Senat noch zugänglich ist (vgl. Gummer in Zöller, Komm. z. ZPO, 21. Aufl. 1999, § 567 Rz. 22 ff. m.w.N.).

2. Die Gegenvorstellung der Antragstellerin ist jedoch unbegründet und gibt keinen Anlass zur Änderung der angegriffenen Entscheidung. Die beabsichtigte Klage der Antragstellerin bietet auch unter Berücksichtigung des nunmehrigen, z.T. neuen Sachvorbringens im Rahmen der Gegenvorstellung keinerlei Aussicht auf Erfolg.

2.1. Die gegen den Antragsgegner zu 1) erhobenen Ansprüche sind – ungeachtet der Frage ihrer Entstehung – jedenfalls gerichtlich nicht mehr durchsetzbar, weil sie verjährt sind. Für die Feststellung des Eintritts der Verjährung ist – entgegen der Auffassung der Antragstellerin – auch keine „schwierige, bislang ungeklärte Rechtsfrage” zu entscheiden; die Verjährung ergibt sich vielmehr aus einfacher tatsächlicher Würdigung und bloßer Anwendung der einschlägigen Rechtsvorschriften.

Es kann letztlich dahinstehen, ob die die Entscheidungen des LG Magdeburg vom 7.7.2000 und des Senats vom 2.11.2000 tragenden Gründe rechtlich zutreffend sind oder nicht, denn beide Entscheidungen erweisen sich im Ergebnis auch aus anderen Gründen als richtig.

a) Der geltend gemachte Anspruch ist – soweit er überhaupt entstanden ist – bereits vor Inkrafttreten des Einigungsvertrages am 3.10.1990 verjährt gewesen, und zwar nach den Vorschriften des Zivilgesetzbuches der DDR (im Folgenden: ZGB), die die Antragstellerin in ihrer Gegenvorstellung vollständig und richtig aufgeführt hat.

aa) Auf den geltend gemachten Anspruch ist (zunächst) das Recht der DDR anzuwenden, da Art. 231 § 6 Abs. 1 S. 1 EGBGB die Anwendbarkeit des bundesdeutschen Zivilrechts in Verjährungsfragen nur für solche am 3.10.1990 bestehende und noch unverjährte Ansprüche eröffnet. Für den ggfs. am Tage der Operation, am 18.10.1979, entstandenen Anspruch der Antragstellerin sind die Verjährungsvorschriften des am 1.1.1976 in Kraft getretenen Zivilgesetzbuchs der DDR anzuwenden.

bb) Nach § 474 Abs. 1 Nr. 3 ZGB beträgt die Verjährungsfrist für etwaige vertragliche und außervertragliche Ansprüche der Antragstellerin gegen einen Ersatzverpflichteten einheitlich vier Jahre. Die Frist beginnt nach § 475 Nr. 2 S. 1 ZGB ab Kenntnis der Antragstellerin von der Entstehung eines Schadens sowie von der Person des Ersatzverpflichteten.

Für die „Kenntnis von der Entstehung des Anspruchs” genügte nach der vorzitierten Rechtsvorschrift bereits die Kenntnis von der Möglichkeit der Entstehung eines Schadens sowie die objektiv bestehende Möglichkeit der Geltendmachung (vgl. Komm. z. ZGB, 2. Aufl. 1985, § 475 Anm. 2 u. 3. – S. 501 f.); insoweit kann nach dem Sachvortrag der Antragstellerin auf das Ende der Operation am 18.10.1979 abgestellt werden. Die Person des Ersatzpflichtigen konnte nach § 334 ZGB nur die medizinische Einrichtung bzw. deren Träger sein, hier also die Medizinische Akademie Magdeburg bzw. der Ministerrat der DDR, was der Antragstellerin nach eigenen Angaben auch bekannt war. Zudem ging die Antragstellerin von Anfang an davon aus, dass der vermeintliche Schadenverursacher der/die Anästhesist/in gewesen sei.

Soweit die Antragstellerin dagegen meint, hinsichtlich der vorgenannten Tatbestandsmerkmale sei auf die in der bundesdeutschen Rechtsprechung zu § 852 Abs. 1 BGB entwickelten Anforderungen abzustellen, folgt der Senat dieser Auffassung schon nicht. Denn gerade wegen der Regelung des § 334 ZGB kam es aus rechtlichen Gründen nicht darauf an, einen behandelnden Arzt namentlich als Ersatzpflichtigen zu benennen bzw. diesem ein subjektives Verschulden nachzuweisen; im Übrigen war es wegen der zentralen Erbringung jeglicher Versicherungsleistungen durch die Staatliche Versicherung d...

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