Leitsatz (amtlich)
1. Zur Bemessung eines Ausgleichsanspruchs nach § 338 Abs. 3 ZGB-DDR (hier: 200.000 Euro zzgl. monatl. Geldrente 950 Euro)
1.1. § 338 Abs. 3 ZGB der DDR unterscheidet sich von § 847 Abs. 1 BGB insoweit, als eine Genugtuungsfunktion, wie sie § 847 BGB inne wohnt, § 338 Abs. 3 ZGB fremd ist. Dementsprechend ist der Grad des Verschuldens des Schädigers ebenso wie die wirtschaftlichen Verhältnisse von Schädiger und Geschädigten für die Bemessung des Ausgleichsanspruchs bedeutungslos.
1.2. Es ist nicht an der Spruchpraxis der früheren DDR-Gerichte haften zu bleiben. Vielmehr bedarf der Ausgleichsbetrag einer Anhebung, die der Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse entspricht, die im Lebensbereich des Geschädigten zwischen dem Zeitpunkt der Schädigung und dem Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung eingetreten sind.
2. Zur Hemmung der Anspruchsverjährung nach § 852 Abs. 2 BGB.
2.1. Der Träger eines Krankenhauses muss sich das Verhalten der Versicherung, hier deren Einverständnis mit der Einschaltung der ärztlichen Schlichtungsstelle zurechnen lassen, ohne dass es darauf ankäme, ob er Kenntnis von der Durchführung des Schlichtungsverfahrens hatte oder nicht.
2.2. Um eine Benachteiligung der bedürftigen Partei zu vermeiden, was bereits aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten ist, ist der Eingang eines ordnungsgemäß begründeten und vollständigen PKH-Gesuchs geeignet, eine Hemmung der Verjährung nach § 203 ZPO herbeizuführen. Für die Ordnungsgemäßheit eines Prozesskostenhilfegesuches muss es dabei ausreichen, wenn ein Gericht, ohne weitere Unterlagen nachzufordern, anhand der eingereichten Unterlagen die Bedürftigkeit bejaht.
Verfahrensgang
LG Halle (Saale) (Aktenzeichen 8 O 47/98) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 17.7.2000 verkündete Urteil des LG Halle unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte zu 1) wird verurteilt, an den Kläger 14.006,78 Euro nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 24.2.1999 zu zahlen.
Der Beklagte zu 1) wird verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld von 200.000 Euro nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 24.2.1999 zu zahlen.
Der Beklagte zu 1) wird verurteilt, an den Kläger für die Monate März 1999 bis einschließlich Juni 2002 rückständige Schmerzensgeldrente i.H.v. insgesamt 38.000 Euro (40 Monate × 950 Euro pro Monat) sowie ab Juli 2002 eine laufende monatliche Schmerzensgeldrente i.H.v. 950 Euro zu zahlen. Die Zahlungen haben jeweils vierteljährlich im Voraus zum 1.1., 1.4., 1.7. sowie 1.10. eines jeden Jahres zu erfolgen.
Es wird festgestellt, dass der Beklagte zu 1) verpflichtet ist, dem Kläger jeden weiteren materiellen Schaden, der diesem in Zukunft aus der fehlerhaften ärztlichen Behandlung im Kreiskrankenhaus Z. in der Zeit vom 3.2.1990 bis zum 4.2.1990 entstehen wird, zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Gerichtskosten sowie die außergerichtlichen Kosten des Klägers tragen der Kläger und der Beklagte zu 1) jeweils zur Hälfte. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1) trägt dieser selbst. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten zu 1) wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des jeweils beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat. Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch die Beklagte zu 2) durch Sicherheitsleistung i.H.v. 20.000 Euro abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zu 2) vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat.
Die Revision wird nicht zugelassen. Die Beschwer des Klägers sowie des Beklagten zu 1) übersteigt jeweils 20.000 Euro.
Der Streitwert für die Gebührenberechnung im Berufungsverfahren beträgt 314.006,78 Euro, wobei neben den bezifferten Beträgen die künftige Schmerzensgeldrente mit 57.000 Euro (§ 17 Abs. 2 S. 1 GKG) und der Feststellungsantrag mit 5.000 Euro anzusetzen waren.
Tatbestand
Der am 13.5.1988 geborene Kläger nimmt die Beklagte zu 2) als behandelnde Ärztin und den Beklagten zu 1) als Träger des Kreiskrankenhauses Z. im Wege der Arzthaftung auf Schadensersatz und Schmerzensgeld in Anspruch, nachdem er infolge eines Atem- und Kreislaufstillstandes in der Nacht vom 3. auf den 4.2.1990 schwerste Hirnschäden erlitten hat.
Der damals noch nicht ganz zwei Jahre alte Kläger litt vom 15.1.1990 bis zum 29.1.1990 unter einer Erkältung, die mit Husten- und Nasentropfen behandelt wurde. Am 29.1.1990 wies er keine entsprechenden Symptome mehr auf. Am Abend des 2.2.1990 bekam er allerdings erneut wieder nur sehr schwer Luft, weshalb seine Eltern ihn am Vormittag des 3.2.1990 bei der Beklagten zu 2) vorstellten. Diese war zum damaligen Zeitpunkt in der Poliklinik Z. angestellt. Nach Untersuchung des Klägers diagnostizierte ...