Leitsatz (amtlich)
Der Unfallversicherer kann im Einzelfall nach § 186 VVG gehalten sein, den Versicherungsnehmer mehrmals darauf hinzuweisen, dass eine Invalidität innerhalb von fünfzehn Monaten nach dem Unfall von einem Arzt schriftlich festgestellt und bei ihm geltend gemacht werden muss.
Verfahrensgang
LG Dessau-Roßlau (Beschluss vom 15.04.2013; Aktenzeichen 4 O 611/12) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des LG Dessau-Roßlau vom 15.4.2013 - 4 O 611/12, aufgehoben und der Klägerin für die beabsichtigte Klage Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Rechtsanwalt H. aus Q. zu ihrer Vertretung bewilligt.
2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kostenwerden nicht erstattet.
Gründe
I. Die gemäß den §§ 127 Abs. 2 Satz 2 und 3, 567 Abs. 1 Nr. 1, 569 ZPO statthafte wie auch sonst zulässige Beschwerde der Klägerin gegen den ihr Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss des LG Dessau-Roßlau vom 15.4. dieses Jahres ist in der Sache begründet.
Die im Übrigen nach Maßgabe der §§ 115 Abs. 1 und 2, 121 Abs. 1 ZPO unproblematischen Voraussetzungen für die Bewilligung der beantragen Prozesskostenhilfe liegen vor, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung auch, wie gem. § 114 Satz 1 ZPO in objektiver Hinsicht vonnöten und allein diskutabel, hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.
Das LG hat zu Unrecht einer Klage auf Feststellung des Versicherungsschutzes aus der bei der Beklagten bestehenden Unfallversicherung der Klägerin für ihren mitversicherten, am 17.7.2009 gegen 20.36 Uhr schwer verletzten Sohn J. K. keine wenigstens hinreichende Erfolgssaussicht beigemessen.
Sollte indes - wie das LG eher beiläufig meint, was indes weder in Betreff der primär eher dem Grunde nach streitigen Verbindlichkeit angemessen noch in Bezug auf die jederzeit zwanglos mögliche Klageerweiterung nach § 264 Nr. 2 ZPO sonderlich zweckdienlich erscheint - eine Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO wegen bereits möglicher Leistungsklage nicht mehr zulässig sein, so hätte die Klägerin dem jedenfalls durch den hilfsweise angekündigten, nicht übersetzt erscheinenden Leistungsantrag über 80.000,- EUR Rechnung getragen.
Auf einen eventuellen Ablauf der Frist nach Ziff. 2.1.1.1 ihrer Allgemeinen Unfallversicherungs-Bedingungen (V. AUB 2008; Bl. 5 - 17 Anlagenband), wonach die Invalidität innerhalb von fünfzehn Monaten nach dem Unfall von einem Arzt schriftlich festgestellt und bei der Versicherung geltend gemacht worden sein muss, kann die Beklagte sich ungeachtet dessen, dass sie zunächst mit Schreiben vom 3.3.2010 (Bl. 79 Anlagenband) ihrer Hinweispflicht gem. § 186 VVG nachgekommen ist und gleichsam abstrakt, mittels fast wörtlicher Wiedergabe der Allgemeinen Unfallversicherungs-Bedingung, auf den Ablauf der jedenfalls nicht exakt angegebenen Frist am 17.10.2010 hingewiesen hat, redlicherweise nach Treu und Glauben gem. § 242 BGB nicht mehr berufen (s. zu dem Aspekt allgemein Knappmann, in: Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl. 2010, AUB 2008, Rz. 24).
Denn die Beklagte hat gerade mit dem späteren Schreiben vom 23.9.2010 (Bl. 33 Anlagenband) für die Gegenseite unmissverständlich zu erkennen gegeben, dass es ihr, unabhängig von einem gar nicht mehr erwähnten Fristablauf, für die Frage der eventuellen Regulierung des Unfalles allein noch um den Wegfall des Versicherungsschutzes wegen der vorsätzlichen Ausführung einer Straftat ging, wie folgende Passagen des Schreibens verdeutlichen:
"Wie wir den Unterlagen entnehmen, ereignete sich der Unfall während der Fahrt mit einem Quad, obwohl dieses nicht haftpflichtversichert war. Da es sich dabei um eine Straftat handelt, bitten wir um Verständnis, dass keine Leistung aus der in unserem Haus bestehenden Unfallversicherung beansprucht werden kann.
Sollte sich im Rahmen des Widerspruchsverfahrens ein anderer Sachverhalt ergeben bzw. ergeben haben, wollen Sie sich bitte erneut mit uns in Verbindung setzen. Wir sind dann gerne bereit, unsere Leistungspflicht erneut zu prüfen."
Sofern die Beklagte unbeschadet dieser Mitteilung gleichwohl immer noch an dem prinzipiell geltenden Fristerfordernis für die ärztliche Feststellung der Invalidität hätte festhalten wollen, so wäre nochmals ein zusätzlicher Hinweis auf den knapp einen Monat später am 17.10.2010 eintretenden Fristablauf in diesem Schreiben nach Treu und Glauben zu erwarten und geboten gewesen, da mit einem derartigen Vorbehalt wegen der ausdrücklich und uneingeschränkt erklärten Bereitschaft, die Leistungspflicht jederzeit erneut zu prüfen, wenn sich strafrechtlich gewissermaßen im Widerspruchsverfahren ein neuer Sachverhalt ergeben habe, redlicherweise nicht mehr zu rechnen war.
Dies gilt umso mehr, als die Beklagte sogar noch mit Schreiben vom 4.7.2012 (Bl. 87 Anlagenband) immer noch ausschließlich über das Problem des ob einer Straftat ausgeschlossen Versicherungsschutzes mit dem jetzigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin korrespondiert hat.
Im Übrigen dürfte ohnehin angesichts der unfallbedingt...