Leitsatz (amtlich)
Eine in der Unfallversicherung zum Leistungsausschluss führende Straftat kann auch in einem vorsätzlichen Führen eines Kraftfahrzeugs ohne Haftpflichtversicherungsschutz (§ 6 Abs. 1 PflVersG) liegen.
Verfahrensgang
LG Dessau-Roßlau (Urteil vom 11.07.2014; Aktenzeichen 4 O 611/12) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Dessau-Roßlau vom 11.7.2014, Az.: 4 O 611/12, abgeändert und die Klage abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
I. Die Klägerin macht gegen die Beklagte Invaliditätsleistungen aus einer Unfallversicherung wegen eines Verkehrsunfalles ihres mitversicherten Sohnes geltend.
Die Klägerin unterhielt als Versicherungsnehmerin bei der Beklagten eine Unfallversicherung, die unter Geltung der V. AUB 2008 (Bl. 5 - 29 Anlagenband) ausweislich des am 19.6.2009 ausgefertigten Ersatzversicherungsscheins (Bl. 1 - 4 Anlagenband) für ihren am 15.5.1986 geborenen Sohn J. K. bei Vollinvalidität eine Leistung in Höhe von 190.000,-- EUR vorsieht.
Am 17.7.2009 befuhr J. K. zwischen 20:00 und 21:00 Uhr im alkoholisierten Zustand - die Höhe der Blutalkoholkonzentration ist zwischen den Parteien umstritten - mit einem im Eigentum des T. N. stehenden Quad Yamaha in K. ohne einen für das Fahrzeug erforderlichen Haftpflichtversicherungsvertrag öffentliche Straßen. Das Quad, für das seit April 2008 die Hauptuntersuchung ausstand, war am 8.4.2009 außer Betrieb gesetzt worden (Bl. 29 der beigezogenen Ermittlungsakte zu 339 Js 20994/09). Nach Durchfahren einer langgestreckten Linkskurve kam J. K. von der S. Straße nach rechts von der Fahrbahn ab, fuhr über mehrere Feldsteine und stieß gegen einen Baum. Hierbei verletzte er sich schwer und erlitt unter anderem eine chronisch spastische Querschnittslähmung.
Ein gegen ihn wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Haftpflichtversicherungsvertrag geführtes Strafverfahren (beigezogene Ermittlungsakte zu 393 Js 20994/09) wurde, nachdem J. K. gegen einen zunächst erlassenen Strafbefehl Einspruch eingelegt hatte, am 14.9.2010 vom AG Bitterfeld-Wolfen nach § 153a StPO eingestellt.
Ein zuvor von der Staatsanwaltschaft Dessau-Roßlau eingeholtes Sachverständigengutachten des Dipl.-Ing. E. H. vom 22.9.2009 (Bl. 34 - 70 zu 393 Js 20994/09) stellte beim Quad an der Vorderbereifung sowie an der Vorderbremse wegen eines unzulässig langen Leerwegs des Handbremshebels erhebliche Mängel mit möglicher unfallbegünstigender Wirkung fest.
Nachdem die Klägerin der Beklagten eine schriftliche Unfall-Schaden-Anzeige nebst ärztlicher Bescheinigung vom 22.7.2009 (Bl. 30, 31 Anlagenband) zugeleitet hatte, in der ein Blutalkoholwert von 0,895 o/oog/l vermerkt worden war, wies die Beklagte mit Schreiben vom 3.3.2010 (Bl. 79 Anlagenband) u.a. darauf hin, dass für eine Invaliditätsleistung innerhalb von 15 Monaten nach dem Unfall eine schriftliche ärztliche Invaliditätsfeststellung bei ihr einzureichen sei.
Mit weiterem Schreiben vom 23.9.2010 (Bl. 33 Anlagenband) lehnte die Beklagte eine Einstandspflicht ab, da nach den Versicherungsbedingungen eine Leistung für Unfälle infolge vorsätzlicher Straftaten ausgeschlossen sei, stellte aber für den Fall, dass sich im Rahmen des Widerspruchsverfahrens - gemeint war offenbar das gegen J. K. vor dem AG Bitterfeld-Wolfen anhängige Strafverfahren - ein anderer Sachverhalt ergeben sollte, eine erneute Prüfung ihrer Leistungspflicht in Aussicht.
Die Klägerin hat behauptet, ihr Sohn habe das gegenständliche Quad vor dem Unfall ständig, ebenso wie weitere Personen auch, im Einvernehmen mit dem Eigentümer N. genutzt. Eine fehlende Zulassung und das Fehlen eines erforderlichen Haftpflichtversicherungsvertrages für das Fahrzeug seien ihrem Sohn hingegen nicht bewusst gewesen.
Auch habe bei ihrem Sohn keine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit oder Bewusstseinsstörung zur Unfallzeit vorgelegen. Den in der Unfall-Schaden-Anzeige angegebenen Blutalkoholwert von 0,895 o/oo hat sie als unzutreffend bestritten. Der Unfall, so ihre weitere Behauptung, beruhe nicht auf einem alkoholbedingten Fahrfehler, sondern sei vielmehr allein den ihrem Sohn zuvor nicht bekannten Mängeln des Fahrzeugs anzulasten.
Auf den Ablauf der Ausschlussfrist nach Ziff. 2.1.1.1 der V. AUB 2008 könne sich die Beklagte nach den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht berufen, da ihr bereits vor Fristablauf mehrere ärztliche Bescheinigungen, aus denen sich eine Querschnittslähmung ihres Sohnes und eine unzweifelhaft damit verbundene Invalidität ergab, zugeleitet worden seien. Zudem habe die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 23.9.2010 den Anschein erweckt, dass es für ihre Einstandspflicht nicht mehr auf eine Fristeinhaltung, sondern allein noch auf einen möglichen Ausschlussgrund wegen einer vorsätzlich begangenen Straftat a...