Leitsatz (amtlich)
Beauftragen zwei Streitgenossen einen Prozessbevollmächtigten mit ihrer Vertretung und wird nur einem Streitgenossen Prozesskostenhilfe bewilligt, dann beschränkt sich die Prozesskostenhilfe auf die Erhöhungsgebühr nach § 6 Abs. 1 S. 2 BRAGO.
Verfahrensgang
LG Halle (Saale) (Beschluss vom 05.03.2003; Aktenzeichen 3 O 306/01) |
Tenor
Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Beklagten gegen den Beschluss des LG Halle vom 5.3.2003 wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Die Beschwerdeführer haben die Beklagten als Prozessbevollmächtigte im Rechtsstreit vertreten. Nur dem Beklagten zu 1) ist Prozesskostenhilfe bewilligt worden. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat die den Beschwerdeführern aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen auf die 3/10-Erhöhungsgebühr des § 6 Abs. 1 S. 2 BRAGO zzgl. Mehrwertsteuer beschränkt. Ihre hiergegen gerichtete Erinnerung hat das LG mit Beschluss vom 14.4.2003 zurückgewiesen. Die Beschwerdeführer vertreten die Auffassung, es sei nicht nur die Erhöhungsgebühr gem. § 6 BRAGO festzusetzen; werde ein Rechtsanwalt von zwei Auftraggebern beauftragt, so hafteten sie ihm gesamtschuldnerisch auf die volle entstandene Prozessgebühr. Im Innenverhältnis habe daher jeder von ihnen die Hälfte der entstandenen Prozessgebühr zu tragen.
II. Die gem. §§ 128 Abs. 4, 10 Abs. 3 S. 4 BRAGO i.V.m. §§ 569 Abs. 2, 570 ff. ZPO zulässige Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Das LG hat zu Recht die ihnen zustehenden PKH-Gebühren auf die 3/10-Erhöhungsgebühr des § 6 Abs. 1 S. 2 BRAGO beschränkt.
Beauftragen zwei Streitgenossen denselben Prozessbevollmächtigten mit der Wahrnehmung ihrer Interessen in einem Rechtsstreit, der dieselbe Angelegenheit betrifft, liegen aber nur bei einem von ihnen die persönlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe vor, dann beschränkt sich die Bewilligung bezüglich der Anwaltsgebühren auf die Erhöhungsbeträge nach § 6 Abs. 1 S. 2 BRAGO (z.B. BGH NJW 1993, 1750; OLG Koblenz RPfleger 2001, 503; OLG München OLGReport München 1993, 76; OLG Celle JurBüro 1984, 1248; OLG Frankfurt BB 1974, 1458; Zöller/Philippi, ZPO, § 114 ZPO Rz. 7; Stein/Jonas, ZPO, 21. Aufl., vor § 114 Rz. 8; Wach in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 114 Rz. 32).
Soweit ein Teil der Rspr. und Lit. (z.B. OLG Düsseldorf v. 1.7.1997 – 10 W 86/97, MDR 1997, 1071 = NJW-RR 1997, 1493; OLG München v. 22.4.1996 – 11 W 2958/95, MDR 1996, 857 = NJW-RR 1997, 191; OLG Stuttgart JurBüro 1997, 200; Hartmann, Kostengesetze, § 122 BRAGO Rz. 65; Kalthoener/Büttner, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 3. Aufl., Rz. 48) die Auffassung vertritt, der Vergütungsanspruch des beigeordneten Rechtsanwaltes sei nicht auf den Zuschlag nach § 6 Abs. 1 S. 2 BRAGO beschränkt, sondern umfasse die vollen Gebühren nach der Tabelle zu § 123 BRAGO oder zumindest einen Anteil nach Kopfteilen, folgt der Senat dem nicht. Denn sie führt zu dem Ergebnis, dass sich die Prozesskostenhilfe nicht nur auf den mittellosen, sondern zum Teil auch auf den vermögenden Streitgenossen erstreckt, obwohl in seiner Person die Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe nicht erfüllt sind. Es würde aber dem Sinn des Prozesskostenhilferechts widersprechen, wenn die vermögende Partei aus Steuermitteln finanziell dadurch entlastet wird, dass ihr Anwalt zugleich eine bedürftige Partei vertritt. Es ist deshalb nicht gerechtfertigt, die Allgemeinheit mit Kosten zu belasten, die der vermögende Streitgenosse, wenn er den Rechtsstreit allein führen würde, selbst zu tragen hätte (BGH NJW 1993, 1750; OLG Koblenz RPfleger 2001, 503). Der Einwand, dass der bedürftige Streitgenosse von dem Vermögenden gem. § 426 Abs. 1 BGB auf Erstattung der Hälfte der verauslagten Anwaltskosten in Anspruch genommen werden kann, steht der Beschränkung der Anwaltsvergütung auf die Erhöhungsgebühr bei der Vertretung mehrerer Streitgenossen nicht entgegen. Denn die Prozesskostenhilfe schützt den bedürftigen Streitgenossen weder vor einer Inanspruchnahme des obsiegenden Gegners noch dagegen, dass der vermögende Streitgenosse ihn nach § 426 Abs. 1 BGB in Anspruch nimmt (OLG Koblenz RPfleger 2001, 503).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 128 Abs. 5 S. 1 und 2 BRAGO.
Fundstellen
Haufe-Index 1118874 |
Rpfleger 2004, 168 |
OLGR-NBL 2004, 175 |
www.judicialis.de 2003 |