Leitsatz (amtlich)
Eine öffentlich-rechtliche Körperschaft, der die Verkehrssicherungspflicht obliegt, hat - sofern keine gesetzliche Regelung getroffen ist - die Wahl, ob sie die Aufgabe hoheitlich oder privatrechtlich erfüllen will. Erfüllt sie die Verkehrssicherungspflicht nicht ausdrücklich als hoheitliche Aufgabe, beurteilt sich deren Verletzung allein nach § 823 BGB.
Verfahrensgang
AG Magdeburg (Aktenzeichen 151 C 770/10) |
LG Magdeburg (Aktenzeichen 10 O 2128/09) |
Tenor
Zuständig für den Rechtsstreit ist das AG Magdeburg.
Gründe
I. Zum Ende des Schuljahres 2002/2003 schloss die Beklagte zu 2) die in ihrer Trägerschaft stehende D. -Schule (N. 68). Nach dem Vortrag der Klägerin verblieben in den Räumen der Schule gefährliche Chemikalien. Weiter nach dem Vortrag der Klägerin entwendete am 4.9.2006 der Zeuge M. St. aus den Räumen der ehemaligen Schule (u.a.) Kaliumpermanganat und Kupferspäne. Am selben Tag übergab der Zeuge St. das Kaliumpermanganat an den Beklagten zu 1), der es anzündete. Dadurch entstand eine Stichflamme und es kam zu einer größeren Rauchentwicklung. Durch das Einatmen dieses Rauches erlitt die bei der Klägerin versicherte J. St. eine Rauchvergiftung, die stationär behandelt werden musste. Insgesamt musste die Klägerin für die Behandlung ihrer Versicherten einen Betrag von 2.010,25 EUR aufwenden, den sie mit der vorliegenden Klage geltend macht. Die Beklagte zu 2) nimmt die Klägerin dabei aus dem Gesichtspunkt einer Verkehrssicherungspflichtverletzung in Anspruch. Die Klägerin hat Klage beim LG Magdeburg erhoben.
Mit Beschluss vom 3.3.2010 hat das LG Magdeburg Bedenken gegen seine sachliche Zuständigkeit geltend gemacht und den Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben (Bl. 83). Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 4.3.2010 Verweisung an das AG Magdeburg beantragt. Mit Beschluss vom 5.3.2010 (Bl. 104) hat sich das LG Magdeburg für sachlich unständig erklärt,
weil eine Amtspflichtverletzung durch die Zweitbeklagte, die als fiskalische Grundstückseigentümerin in Anspruch genommen wird, nicht ersichtlich ist
und den Rechtsstreit an das AG Magdeburg verwiesen. Mit Beschluss vom 15.3.2010 (Bl. 115) hat sich das AG Magdeburg ebenfalls für unzuständig erklärt und die Akte unter Hinweis auf § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO dem OLG vorgelegt.
II. Der Senat entscheidet gem. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO. Dabei ist vorab zu berücksichtigten, dass auch die Voraussetzungen von § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO vorliegen. Nach der Höhe des Streitwertes ergibt sich die sachliche Zuständigkeit des AG (§ 23 Nr. 1 GVG). Das AG Magdeburg ist auch örtlich zuständig (§ 32 ZPO), wenn neben dem Beklagten zu 1) die Beklagte zu 2) wegen Verletzung der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht haften würde. Wäre von einer Amtspflichtverletzung auszugehen, würde für die Klage gegen die Beklagte zu 2) unabhängig vom Streitwert sachlich das LG zuständig (§ 71 Abs. 2 Nr. 2 GVG) sein, was für den Beklagten zu 1) unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt gilt. Letztlich kann die Frage einer Entscheidung gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO aber dahinstehen, weil der Verweisungsbeschluss des LG für das AG bindend ist (§ 281 Abs. 2 S. 4 ZPO). Die Bindung ist entgegen der Ansicht des AG nicht ausnahmsweise entfallen. Selbst wenn die Beklagte zu 2) in Bezug auf die geschlossene Schule noch eine öffentliche Aufgabe wahrnimmt, folgt daraus nicht zwingend, dass dadurch eine drittbezogene Amtspflicht erfüllt wird. Die Beklagte zu 2) trifft hinsichtlich der Gebäude eine Verkehrssicherungspflicht wie jeden privaten Eigentümer auch. Dem Fiskus bleibt es aber unbenommen, die allgemeine Verkehrssicherungspflicht als Amtspflicht auszugestalten. Die öffentlich-rechtliche Körperschaft, der die Verkehrssicherung obliegt, hat grundsätzlich die Wahl, ob sie dieser Pflicht als Fiskus, also privatrechtlich, oder als Träger öffentlicher Gewalt, also hoheitlich, genügen will. Soweit eine solche gesetzliche Regelung (zur hoheitlichen Erfüllung der Aufgabe) nicht getroffen wird, steht es im Ermessen der Körperschaft, ob sie die Aufgabe hoheitlich oder privatrechtlich erfüllen will. Erfüllt die Körperschaft die Sicherungspflicht gegenüber Dritten nicht ausdrücklich als hoheitliche Aufgabe (wofür vorliegend nichts ersichtlich ist), beurteilt sich eine Verletzung der Verkehrspflicht allein nach § 823 BGB (zur Gesamtproblematik: LG Oldenburg Beschl. v. 5.3.2008 - 5 T 115/07; hier: zitiert nach juris, m. w. N). Entgegen der Ansicht des AG folgt aus § 64 (Abs. 3) SchulG nur, dass die Schulträgerschaft zum eigenen Wirkungskreis des Schulträgers zählt und ggf. noch, dass die Schulträgerschaft selbst öffentlich-rechtlicher Natur ist. Den Regelungen des Schulgesetzes kann demgegenüber für die vorliegend entscheidende Frage, ob die Verkehrssicherungspflicht hoheitliche Natur ist, nichts entnommen werden. Die Ansicht des LG ist - zumal der Beschluss auf diesen Gesichtspunkt ausdrücklich gestützt wird - vor diesem Hintergrund jedenfalls vertretbar. Das LG hat den Parteien vor der Verweisung rechtliches Ge...