Leitsatz (amtlich)

Der zur Verweisung wegen Unzuständigkeit gefasste Beschluss ist auch bei objektiver Willkür oder der Verletzung rechtlichen Gehörs unanfechtbar (§ 281 II S. 2 ZPO). Das verweisende Gericht hat den Fehler in einem solchen Fall selbst zu korrigieren. Außerdem entfällt die Bindung des im Verweisungsbeschluss genannten Gerichts.

 

Verfahrensgang

LG Magdeburg (Beschluss vom 08.04.2015; Aktenzeichen 10 O 254/15)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des LG Magdeburg vom 8.4.2015 wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt den Beklagten als faktischen Geschäftsführer (der Komplementärin) der Schuldnerin am Sitz der Gesellschaft auf Schadensersatz in Anspruch und meint, sich auf den besonderen Gerichtsstand des Erfüllungsorts stützen zu können. Nach Rüge der örtlichen Zuständigkeit durch den Beklagten hat das LG Magdeburg dem Kläger eine Stellungnahmefrist von einer Woche eingeräumt, die am 9.4.2015 endete. Gleichwohl hat der Einzelrichter bereits am 8.4.2015 nach § 281 ZPO entschieden. Gegen diesen Beschluss wendet sich der Kläger mit der sofortigen Beschwerde vom 15.4.2015 und vertritt die Auffassung, die Verweisung wegen Unzuständigkeit beruhe auf objektiver Willkür und verletze seinen Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs.

Das im angefochtenen Beschluss bezeichnete LG Regensburg hat die Übernahme abgelehnt. Daraufhin hat das LG Magdeburg am 28.5.2015 entschieden, das Verfahren aus den Gründen der Entscheidung des LG Regensburg fortzuführen.

Gleichwohl hält der Kläger an seiner sofortigen Beschwerde fest, der das LG nicht abgeholfen hat.

II. Die sofortige Beschwerde, über die gemäß § 568 S. 1 ZPO das Beschwerdegericht durch den Einzelrichter entscheidet, ist unzulässig. Es fehlt dem Rechtsmittel an der Statthaftigkeit (§§ 572 II S. 1; 567 I; 281 II S. 2 ZPO).

Gemäß § 281 II S. 2 ZPO ist der Beschluss, mit dem sich das Gericht für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das zuständige Gericht verweist, unanfechtbar. Damit wird gesetzlich angeordnet, dass auch die sofortige Beschwerde nach §§ 567 ff. ZPO ausnahmslos nicht stattfindet (OLG Koblenz, Beschluss vom 12.3.2012, 10 W 117/12, BeckRS 2012, 09112; Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl., § 281 Rdn. 14; Musielak/Voit/Foerste, ZPO, 12. Aufl., § 281 Rdn. 11; Wieczorek/Schütze/Assmann, ZPO, 4. Aufl., § 281 Rdn. 99,101 m.w.N.). Soweit der Kläger auf eine herrschende Meinung verweist, die in Fällen objektiver Willkür oder der Verletzung des rechtlichen Gehörs ausnahmsweise die Beschwerde für möglich hält (OLG Köln NJW-RR 2009, 1543; OLG Stuttgart NJW-RR 2010, 792; OLG Hamburg NJW-RR 2012, 634, 635; PG/Geisler, ZPO, 7. Aufl., § 281 Rdn. 58; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 22. Aufl., § 281 Rdn. 29, 28; Prütting, in: MünchKomm.-ZPO, 4. Aufl., § 281 Rdn. 41; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 36. Aufl., § 281 Rdn. 12), vermag der Senat die notwendige Rechtsgrundlage nicht zu erkennen. Außerordentliche Rechtsmittel wegen greifbarer Gesetzwidrigkeit oder Verletzung des rechtlichen Gehörs schließen spätestens nach der Reform des Zivilprozesses und der Einführung der Abhilfe bei Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 321a ZPO) keine planwidrige Regelungslücke mehr, sodass auch eine analoge Anwendung der Vorschriften über die sofortige Beschwerde ausscheidet. Soweit ersichtlich hat der Bundesgerichtshof die Zulässigkeit der Beschwerde gegen Verweisungsbeschlüsse nicht ausdrücklich bejaht, sondern die Frage offen gelassen (BGH NJW-RR 2000,1731, 1732). Seine zur Rechtfertigung der Anfechtbarkeit herangezogenen Äußerungen standen stets im Zusammenhang mit Entscheidungen zur gerichtlichen Bestimmung der Zuständigkeit (jetzt § 36 I Nr. 6 ZPO) und bezogen sich dementsprechend auf die Bindungswirkung nach § 281 II S. 4 ZPO (vgl. BGH NJW 1978, 1163, 1164; 1984, 740; 1988, 1794, 1795). Aus einer fehlenden Bindung des im Verweisungsbeschluss bezeichneten Gerichts lässt sich jedoch nicht zwingend das (prozessökonomisch motivierte) Bedürfnis einer Beschwerdemöglichkeit des Klägers herleiten, zumal auch die Rechtmittelklarheit und Rechtssicherheit tangiert sind und die Unanfechtbarkeit ebenfalls prozessökonomischen Zwecken folgt (Bacher, in: BeckOK-ZPO, Stand: 1.3.2015, § 281 Rdn. 24).

Ist die Verweisung objektiv willkürlich oder unter Verstoß gegen Verfahrensgrundrechte zustande gekommen, hat das verweisende Gericht, dessen Bindung an die eigene Entscheidung dann entfällt, den Fehler selbst zu korrigieren (BGH NJW 2000, 590; 2002, 1577; Beschluss vom 8.5.2002, V ZB 20/02, BeckRS 2002 30258387; Beschluss vom 16.12.2010, I ZA 18/10, BeckRS 2010, 31031; Beschluss vom 4.9.2014, I ZA 7/14, BeckRS 2014, 18023; anders BGH NJW-RR 2009, 1223). Außerdem kann sich das ebenfalls nicht nach § 281 II S. 4 ZPO gebundene, im Verweisungsbeschluss genannte Gericht für unzuständig erklären und eine Entscheidung nach § 36 I Nr. 6 ZPO herbeiführen. Eine Rechtsmittelmöglichkeit ist auch verfassungsrechtlich daneben nicht geboten (BVerfG NJ...

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