Leitsatz (amtlich)
Eine Klausel in einem Bierbezugsvertrag, in der es heißt: Bei Unterschreitung der Mindestbezugsmenge "ist die Brauerei unabhängig von einem Verschulden des Kunden (...)" berechtigt, eine Ausgleichszahlung zu verlangen, ist gem. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam. Sie weicht von wesentlichen Rechten und Pflichten der gesetzlichen Regelungen der §§ 282 BGB a.F., 280, 281 BGB n.F. ab, weil nach den generellen Grundsätzen des Haftungsrechts der Schuldner nur haftet, wenn er den Schaden zu vertreten hat.
Verfahrensgang
LG Halle (Saale) (Beschluss vom 13.12.2012; Aktenzeichen 6 O 379/12) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Einzelrichters der 6. Zivilkammer des LG Halle vom 13.12.2012 abgeändert.
Dem Antragsteller wird für die Rechtsverteidigung in erster Instanz Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt. Ihm wird Rechtsanwalt M. S. aus Ü. zur Vertretung beigeordnet.
Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Auslagen werden nicht erstattet.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt den Beklagten und Antragsteller als Bürgen in Anspruch. Sie verlangt auf Grundlage eines Bierlieferungsvertrages vom 18.9.2000 und späterer Nachtragsvereinbarungen Schadensersatz wegen Minderabnahmen von Bier durch die inzwischen insolvente Hauptschuldnerin.
Der Beklagte hält die Vertragsklausel (§ 3 Abs. 4), auf der der geltend gemachte Schadensersatzanspruch beruht, für sittenwidrig und hält sie auch wegen Verstoßes gegen §§ 305 ff. BGB für unwirksam. Er bestreitet mit Nichtwissen die behaupteten Mindermengen und meint u.a., der Klägerin stehe grundsätzlich kein pauschaler Schadensersatz zu.
Das LG hat den Prozesskostenhilfeantrag mit Beschluss vom 13.12.2012 zurückgewiesen, da es keine Zweifel an der Wirksamkeit der streitgegenständlichen Vertragsklausel und an der Haftung des Bürgen gebe.
Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 24.1.2013, der das LG nicht abgeholfen hat, und die der Klägerin am 6.2.2013 zum Zwecke rechtlichen Gehörs übersandt wurde.
II. Die sofortige Beschwerde ist nach § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO zulässig.
Sie hat auch in der Sache Erfolg.
Die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen der §§ 114, 115 ZPO sind erfüllt. Der Beklagte ist nach den von ihm dargestellten und als wahr versicherten Angaben nicht in der Lage, die Prozesskosten auch nur ratenweise aufzubringen.
Die Erfolgsaussichten der Rechtsverteidigung hat das LG in einem Punkt zu Unrecht verneint. Wie der Beschwerdeführer insoweit zu Recht vorgetragen hat, steht § 3 Abs. 4 des Bierlieferungsvertrages vom 18.9.2000 zu den Anforderungen im Widerspruch, die von der obergerichtlichen Rechtsprechung an die formularmäßige Begründung eines Schadensersatzanspruchs gestellt werden.
1. Indes hat das LG die Aktivlegitimation der Klägerin zu Recht bejaht. Hieran bestehen auf Grund der getroffenen Nachtragsvereinbarungen keine Zweifel.
2. Gleiches gilt auch für die Wirksamkeit der Bürgschaft des Beklagten.
Der Beschwerdeführer beruft sich in erster Linie auf eine vermeintliche Unwirksamkeit der formalen Zweckbestimmung der Bürgschaft gem. § 305c Abs. 1 BGB. Danach werden Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, nicht Vertragsbestandteil. Zu Recht weist der Beschwerdeführer auf die Rechtsprechung des BGH hin, wonach die Klausel in einem Bürgschaftsformular, die die Haftung des Bürgen auf alle bestehenden Ansprüche des Gläubigers gegen den Hauptschuldner erstreckt, ohne die verbürgten Forderungen näher zu bezeichnen, grundsätzlich eine den Geboten von Treu und Glauben (§ 242 BGB) widersprechende, unangemessene Benachteiligung des Bürgen darstellt und deswegen unwirksam ist (BGH NJW 2000, 658, zum damaligen § 9 Abs. 1 AGBG). Es kommt deshalb darauf an, ob die geltend gemachten Forderungen noch vom Sicherungszweck umfasst sind.
Das ist hier der Fall. Mit der Bürgschaftserklärung vom 20.9.2000 hat sich der Antragsteller, der damals Geschäftsführer der Hauptschuldnerin war, für alle bestehenden und künftigen Forderungen der Brauerei gegenüber der Hauptschuldnerin verbürgt. Diese Erklärung bezog sich nicht nur auf Forderungen aus der am 18.9.2000 vom Beklagten selbst unterzeichneten Vereinbarung, sondern ausdrücklich auch auf "etwaige Nachtrags- und Folgevereinbarungen, insbesondere auch Vertragsverlängerungen". Erfasst ist also auch die Nachtragsvereinbarung Nr. 3 vom 8.9.2004, mit der der Hauptschuldnerin ein zusätzliches Darlehen gewährt wurde.
3. Diese Nachtragsvereinbarung hält der Beschwerdeführer aus zwei Gründen ebenfalls für unwirksam. Auch insoweit kann ihm aber nicht gefolgt werden.
a) Im Nachtrag, so meint der Antragsteller, liege zum einen eine unangemessene Benachteiligung i.S.v. § 307, Abs. 1 und 2 S. 2 BGB, weil nicht nur ein zusätzliches Darlehen vereinbart, sondern auch die Fällig...