Leitsatz (amtlich)
Der Sachverständige verliert seinen Entschädigungsanspruch, wenn sein Gutachten aufgrund vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Verhaltens unverwertbar wird.
Verfahrensgang
LG Stendal (Aktenzeichen 23 O 421/96) |
Tenor
Die Beschwerde des Sachverständigen gegen den Beschluss des LG Stendal v. 6.3.2000 – 23 O 421/96, wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Auslagen werden nicht erstattet.
Gründe
Das LG hat durch Beschluss vom 6.3.2000 die Ablehnung des Sachverständigen durch die Beklagten für begründet erklärt und gleichzeitig die Sachverständigenentschädigung für ein bereits erstattetes, schriftliches Gutachten auf Null festgesetzt. Gegen die gerichtliche Festsetzung der Entschädigung sowie die in diesem Zusammenhang getroffene Rückzahlungsanordnung wendet sich der Sachverständige mit seiner Beschwerde vom 28.6.2001, der das LG durch Beschluss vom 30.10.2001 nicht abgeholfen hat.
Die nach § 16 Abs. 2 ZSEG zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Das LG ist zutreffend davon ausgegangen, dass dem Sachverständigen eine Entschädigung nicht zusteht, weil er diese verwirkt hat.
Durch die erfolgreiche Ablehnung des Sachverständigen ist sein Gutachten im Prozess unverwertbar geworden. Allein dies rechtfertigt es zwar noch nicht, dem Sachverständigen von vornherein eine Entschädigung zu versagen. Die verfahrensrechtliche Rolle als Gehilfe des Gerichts bedingt notwendig das Bedürfnis auf Wahrung einer gewissen inneren Unabhängigkeit des Sachverständigen. Daraus wird zu Recht abgeleitet, dass der Sachverständige seinen Entschädigungsanspruch nur dann verliert, wenn die Unverwertbarkeit seines Gutachtens auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit beruht (OLG München v. 18.5.1984 – 11 W 1597/84, MDR 1984, 948; OLG Koblenz v. 27.1.1988 – 14 W 834/87, BB 1988, 1490; v. 27.11.1992 – 5 W 637/92, BB 1993, 1975; OLG Hamm v. 2.9.1993 – 5 WF 184/93, FamRZ 1994, 974 f.; OLG Düsseldorf v. 11.7.1996 – 10 W 48/96, OLGReport Düsseldorf 1996, 275 = NJW-RR 1997, 1353; OLG München v. 11.5.1998 – 11 W 864/98, MDR 1998, 1123 = OLGReport München 1999, 41 = NJW-RR 1998, 1687; Hartmann, Kostengesetze, 30. Aufl., § 3 ZSEG Rz. 14; § 1 ZSEG Rz. 46 f., 50; Zöller/Greger, ZPO, 22. Aufl., § 414 Rz. 7). Diesen Schuldvorwurf muss sich der Sachverständige hier allerdings entgegenhalten lassen. Zumindest liegt ein Fall grober Fahrlässigkeit vor.
Die Beklagtenvertreter hatten mit Schriftsatz vom 28.5.1999 zum schriftlichen Gutachten des Sachverständigen Stellung genommen. Diese Stellungnahme, die möglicherweise dazu geeignet war, sich angegriffen zu fühlen, bewegte den Sachverständigen dazu, die Äußerungen der Beklagten als Frechheit bzw. Unverschämtheit zu bezeichnen, die dafür spreche, dass die Rechtsanwälte sein Gutachten nicht gelesen haben würden. Jedenfalls sei er nicht gewillt „gegenüber Unverschämtheiten von Anwälten vor Gericht weitere Aussagen zu machen”.
Eine solche Erwiderung geht weit über die offensiv-kritische und sachliche Auseinandersetzung des Sachverständigen mit gegen seine gutachterliche Leistung geführten Angriffen hinaus (vgl. hierzu OLG Düsseldorf v. 11.7.1996 – 10 W 48/96, OLGReport Düsseldorf 1996, 275 = NJW-RR 1997, 1353). Es liegt eine Entgleisung vor, die einem gerichtlich bestellten Sachverständigen nicht passieren darf, weil sie zweifelsohne dazu geeignet ist, bei einer Partei mangelnde Neutralität und Distanz befürchten zu lassen. Dies erschließt sich jedem zur Unparteilichkeit Aufgerufenen sofort und wäre bei Beachtung der an ihn zu stellenden Anforderungen auch dem Sachverständigen klar gewesen. Seine sich hierüber hinwegsetzende Reaktion stellt sich als besonders schwerer Sorgfaltsverstoß dar.
Ist danach der Entschädigungsanspruch verwirkt, entstand er vorliegend auch nicht deshalb erneut, weil das Folgegutachten auf den Leistungen des Sachverständigen aufbaute und deshalb billiger wurde oder sich die Parteien die Leistungen des Sachverständigen zu Eigen machten (OLG München v. 11.5.1998 – 11 W 864/98, MDR 1998, 1123 = OLGReport München 1999, 41 = NJW-RR 1998, 1687 [1688]; Hartmann, § 1 ZSEG Rz. 50). Beides lässt sich, wie bereits das LG im Nichtabhilfebeschluss zutreffend ausgeführt hat, nicht zuverlässig feststellen. Weder das Gericht noch die Parteien haben das Gutachten des Sachverständigen verwertet. Auch dem „Zweitgutachten” lässt sich ein Aufbauen auf den Leistungen des abgelehnten Sachverständigen nicht entnehmen. Der Senat vermag nicht auszuschließen, dass das zweite Gutachten deshalb weniger kostete, weil der herangezogene Sachverständige über größere berufliche Erfahrung verfügte oder (bzw. deshalb) schlicht schneller arbeitete. Zweifel gehen zu Lasten des Sachverständigen (OLG München v. 11.5.1998 – 11 W 864/98, MDR 1998, 1123 = OLGReport München 1999, 41 = NJW-RR 1998, 1687).
Die Kosten und Auslagenentscheidung beruht auf § 16 Abs. 5 ZSEG.
Goerke-Berzau Baumgarten Krause
Fundstellen
Haufe-Index 1108670 |
GuG-aktuell 2003, 31 |
GuG 2004, 52 |
www.judicialis.... |