Leitsatz (amtlich)

Nach der Grundsatzentscheidung des BGH (BGH v. 12.12.2002 - I ZB 29/02, BGHReport 2003, 308 = FamRZ 2003, 524) kann eine auswärtige Partei an ihrem Wohn- oder Geschäftsort einen Prozessbevollmächtigte bestellen. Eine Einschränkung der Beiordnung ist nur dann zulässig, wenn absehbar ist, dass die mit der Beiordnung eines auswärtigen Anwalts notwendigerweise verbundenen Reisekosten wesentlich höher sind als die Kosten eines vor Ort beauftragten Unterbevollmächtigten.

 

Verfahrensgang

AG Wernigerode (Beschluss vom 29.09.2004; Aktenzeichen 11 F 1213/04)

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des AG Wernigerode vom 29.9.2004 - 11 F 1213/04, teilweise abgeändert und der Antragstellerin für die erste Instanz ratenfreie Prozesskostenhilfe unter uneingeschränkter Beiordnung von Rechtsanwältin F. aus G. zu ihrer Vertretung bewilligt.

2. Eine Gerichtsgebühr für das Beschwerdeverfahren ist nicht entstanden. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I. Die gem. § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO i.V.m. § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte und auch im Übrigen gem. § 569 ZPO i.V.m. § 127 Abs. 2 S. 3 ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 4.11.2004 (Bl. 21, 22 d.A.) gegen den ihr Prozesskostenhilfe zwar grundsätzlich, jedoch nur unter eingeschränkter Beiordnung ihrer Verfahrensbevollmächtigten zu den Bedingungen einer ortsansässigen Anwältin bewilligenden Beschluss des AG Wernigerode vom 29.9.2004 (Bl. 16, 17 d.A.), zugestellt am 3.11.2004 (Bl. 20 d.A.), hat in der Sache Erfolg.

Gemäß § 121 Abs. 3 ZPO kann zwar ein nicht bei einem Prozessgericht zugelassener Rechtsanwalt nur beigeordnet werden, wenn dadurch weitere Kosten nicht entstehen. Nachdem mittlerweile allerdings seit geraumer Zeit jeder an einem Amts- oder LG zugelassene Rechtsanwalt erstinstanzlich gem. § 78 ZPO postulationsfähig ist, kann und darf auch eine ihre Belange vernünftig und kostenbewusst wahrnehmende Partei für das zur Verfolgung ihrer Interessen notwendige persönliche Beratungsgespräch mit einem Rechtsanwalt den für sie einfacheren und nahe liegenden Weg wählen, einen an ihrem Wohnort ansässigen Rechtsanwalt mit der Übernahme des Mandats zu beauftragen (eingehend dazu BGH FamRZ 2003, 441 [443], re. Sp. sub 2b bb). Eine allenfalls in besonders gelagerten Ausnahmefällen in Betracht kommende Ausnahme von diesem Grundsatz ist im vorliegenden Fall nicht ersichtlich und kann insb. wegen der für eine rechtsunkundige Partei generell nicht überschaubaren Weiterungen bzw. Schwierigkeiten eines Rechtsstreites nicht aus einem - hier ohnedies nicht gegebenen - einfach gelagerten Sachverhalt hergeleitet werden.

Die vom BGH (vgl. hierzu grundlegend BGH FamRZ 2003, 441; sowie ergänzend BGH v. 12.12.2002 - I ZB 29/02, BGHReport 2003, 308 = FamRZ 2003, 524; FamRZ 2003, 1088) in gefestigter Rechtssprechung im Rahmen des § 91 Abs. 2 S. 1 und 2 ZPO grundsätzlich bejahte Frage, ob die auswärtige Partei an ihrem Wohn- oder Geschäftsort einen Prozessbevollmächtigten beauftragen und dessen Gebühren und Auslagen gem. § 91 Abs. 2 S. 1 Halbs. 2 ZPO erstattet verlangen kann, muss zutreffenderweise auch im Rahmen der Prozesskostenhilfe mittels zweckgerichteter Auslegung des § 121 Abs. 3 ZPO wie auch des § 126 BRAGO ebenfalls positiv beantwortet werden.

Wenn die Antragstellerin also von vornherein, da zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig, einem Prozessbevollmächtigten an ihrem Wohnort die abschließende Wahrnehmung des Mandats hat übertragen können, ohne prozessual kostenrechtliche Nachteile befürchten zu müssen, sind folgerichtig auch die Reisekosten des Rechtsanwalts zur auswärtigen Terminswahrnehmung grundsätzlich als notwendig und damit als erstattungsfähig im Rahmen der Prozesskostenhilfebeiordnung anzusehen, wie sich jetzt auch aus der Neuregelung des § 46 Abs. 1 RVG ableiten lässt.

Eine Einschränkung der Beiordnung eines auswärtigen Rechtsanwalts im Prozesskostenhilfeverfahren zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts ist damit nach der insoweit im Rahmen des § 126 BRAGO a.F. auch entsprechend anwendbaren Rechtsprechung des BGH zur Regelung des § 91 Abs. 2 S. 1 Halbs. 2 ZPO allenfalls dann noch möglich, wenn absehbar ist, dass die mit der Beiordnung eines auswärtigen Anwaltes notwendigerweise verbundenen Reisekosten deutlich höher sind als die Kosten eines vor Ort beauftragten Unterbevollmächtigten. Allein dafür bestehen im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte.

II. Die - rein deklaratorische - Entscheidung zu den Gerichtskosten ergibt sich aus Nr. 1811 des Kostenverzeichnisses der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG, wonach nur im Falle der Zurückweisung oder Verwerfung einer Beschwerde im Verfahren über die Prozesskostenhilfe eine Gebühr anfällt.

Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet im Beschwerdeverfahren zur Prozesskostenhilfe gem. § 127 Abs. 4 ZPO generell nicht statt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1333894

FPR 2005, 413

NJOZ 2005, 1554

OLGR-Ost 2005, 567

www.judicialis.de 2004

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