Leitsatz (amtlich)
1. Werden die Nachprüfungsanträge zweier Bieter eines Vergabeverfahrens nach deren Eingang durch die Vergabekammer zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung förmlich verbunden und bis zum Abschluss des Verfahrens nicht wieder getrennt, sind nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. Beschl. v. 28.6.2004 - 1 Verg 5/04, OLGReport Naumburg 2004, 420) eine getrennte Kostenentscheidung und eine doppelte Gebührenerhebung grundsätzlich unzulässig. Dies gilt auch für die Gebühren eines Rechtsanwalts im Rahmen der Erstattung als Aufwendungen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung.
2. Wird zunächst die Nachprüfung von Vergabeverfahren zu zwei Losen eines einheitlichen Beschaffungsvorgangs begehrt und sodann im Verlaufe des Nachprüfungsverfahrens der Antrag auf die Nachprüfung nur noch eines Loses beschränkt, so ist für den Gegenstandswert der Gebühren nach RVG-VV Nr. 2300 des Verfahrensbevollmächtigten der Vergabestelle - ungeachtet der Rechtsprechung zum Fehlen eines Kostenerstattungsanspruchs des Antragsgegners bei Rücknahme des Nachprüfungsantrages - der Bruttoauftragswert beider Lose maßgeblich.
3. Zum - billigen - Ansatz einer 2,0-fachen Gebühr nach RVG-VV Nr. 2300 für ein Nachprüfungsverfahren zweier Bieter mit mündlicher Verhandlung, das sich auf eine Ausschreibung von Versicherungsleistungen und anfangs auf zwei Lose hieraus bezog.
Verfahrensgang
Vergabekammer Halle (Beschluss vom 18.10.2006; Aktenzeichen 1 VK LVwA 01/06) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss der 1. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt Halle vom 18.10.2006 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die von den Antragstellerinnen an die Antragsgegnerin zu erstattenden Kosten werden auf insgesamt 9.798,49 EUR festgesetzt.
Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Antragsgegnerin 2/3 und die Antragstellerin zu 1) 1/3.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt 13.306,78 EUR.
Gründe
I. Die Antragstellerin zu 1) hat am 13.1.2006 und die Antragstellerin zu 2) am 16.1.2006 einen Antrag auf Einleitung des Nachprüfungsverfahrens betreffend die Vergabe der Lose 1 und 2 der Ausschreibung von Leistungen zur betrieblichen Altersversorgung für die Mitarbeiter des Klinikums B. gGmbH gestellt. Hinsichtlich des Loses 2 haben beide Antragstellerinnen ihre Anträge vor der mündlichen Verhandlung zurückgenommen und nur noch eine Entscheidung hinsichtlich des Loses 1 angestrebt. Mit Beschluss vom 7.2.2006 hat die Vergabekammer die beiden Nachprüfungsverfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Am 7.3.2006 wurde der Antrag der Antragstellerin zu 1) zurückgewiesen und der Antrag der Antragstellerin zu 2) verworfen. Die Kosten des Verfahrens und die Auslagen der Antragsgegnerin wurden den Antragstellerinnen auferlegt. Zugleich hat die Vergabekammer festgestellt, dass die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragsgegnerin notwendig war.
Nach Abschluss des Vergabenachprüfungsverfahrens hat die Antragsgegnerin mit zwei separaten Kostenberechnungen vom 5.4.2006 beantragt, die ihr von den jeweiligen Antragstellerinnen zu erstattenden Kosten des Hauptsacheverfahrens vor der Vergabekammer des Landesverwaltungsamtes festzusetzen. Sie hat 6.793,73 EUR für den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zu 1) verlangt und 7.019,93 EUR gegen die Antragstellerin zu 2) geltend gemacht. Dabei hat die Antragsgegnerin neben Abwesenheitsgeldern, Fahrtkosten und weiteren Auslagen jeweils eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2401 RVG-VV (in der bis 30.6.2006 gültigen Fassung - dies gilt auch für alle nachfolgend genannten Ziffern des Teils 2 des RVG-VV) von 1,3 für das Los 1 und von 0,7 für das Los 2 in Ansatz gebracht. Wegen der weiteren Einzelheiten der Berechnung wird auf die Festsetzungsanträge vom 5.4.2006 verwiesen.
Mit Beschluss vom 18.10.2006 hat die Vergabekammer die von den Antragstellerinnen als Gesamtschuldner an die Antragsgegnerin zu erstattenden Kosten des Verwaltungsverfahrens auf insgesamt 5.430,40 EUR festgesetzt und die weiter gehenden Anträge zurückgewiesen. Die Vergabekammer hat die Ansicht vertreten, dass eine Festsetzung der anwaltlichen Kosten im Hinblick auf den Wert des Loses 2 nicht in Betracht komme, weil insoweit die Nachprüfungsanträge zurückgenommen worden seien, bevor es zu einer Entscheidung in der Hauptsache habe kommen können. Für diesen Fall der Antragsrücknahme sehe das Gesetz (§ 128 Abs. 4 GWB i.V.m. § 80 VwVfG) keine Auslagenerstattung vor, so dass die Antragsgegnerin diesen Teil ihrer Kosten selbst tragen müsse.
Bei der Gebührenberechnung hat die Vergabekammer daher nur die Angebote zu Los 1 berücksichtigt und deren Gegenstandswert mit 5 % der Auftragssumme in Ansatz gebracht. Hierbei ist sie auf Grund der Verbindung der beiden Nachprüfungsanträge von dem höheren Angebot der Antragstellerin zu 2) ausgegangen. Auf Basis des so ermittelten Streitwerts von 638.798,75 EUR hat die Vergabekammer - entgegen den doppelten Anträgen der Antragsgegnerin - ...