Entscheidungsstichwort (Thema)

BAB Erd- und Deckenbau I

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Änderung der Verdingungsunterlagen kann nicht durch Angaben eines Bieters zu den Grundlagen seiner Preisermittlung, die keinen Niederschlag im Angebotstext finden, bewirkt werden.

2. Ob eine Preisangabe wegen Verlagerung von Preisbestandteilen in eine oder mehrere andere Leistungspositionen unvollständig ist, beurteilt sich nach der internen Preisermittlung des jeweiligen Bieters und ist mithin durch einen Vergleich der Einheitspreisangaben mit den Angaben des Bieters in seiner Kalkulation sowie zur Erläuterung der Grundlagen seiner Preisbildung festzustellen.

3. Der Nachweis der Unvollständigkeit eines Angebots ist auch hinsichtlich des Vorliegens von Preisangaben mit Preisverlagerung von der Vergabestelle zu führen, die sich auf das Vorliegen eines zwingenden Ausschlussgrundes nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A beruft.

4. Soweit sich aus auffällig hohen bzw. auffällig niedrigen Einheitspreisen im Angebot eines Bieters mit einiger Wahrscheinlichkeit konkrete Vertragsrisiken feststellen lassen, z.B. das Risiko einer nicht einwandfreien Ausführung der Leistung bzw. ein erhöhtes Nachtrags- bzw. Betriebs- und Folgekostenrisiko, kann dies im Rahmen der inhaltlichen Bewertung der Angebote in der dritten und vierten Wertungsstufe Berücksichtigung finden.

 

Verfahrensgang

2. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt des Landes Sachsen-Anhalt (Beschluss vom 07.07.2005; Aktenzeichen 2 VK 19/05)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der 2. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt des Landes Sachsen-Anhalt vom 7.7.2005, 2 VK 19/05, aufgehoben.

Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, die Wertung der Angebote unter Einschluss des Angebots der Antragstellerin und unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats zu wiederholen.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Nachprüfungsverfahrens vor der Vergabekammer sowie des Beschwerdeverfahrens, jeweils einschließlich der außergerichtlichen Auslagen der Antragstellerin, zu tragen.

Auch im Verfahren vor der Vergabekammer war die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin notwendig.

Die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer werden auf ... EUR festgesetzt.

Der Kostenwert des Beschwerdeverfahrens wird auf bis zu ... EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Antragsgegnerin schrieb im März 2005 den oben genannten Bauauftrag zur Herstellung eines ca. 17 km langen vierstreifigen Streckenabschnitts der Bundesautobahn A. einschließlich des Neubaus einer Autobahnab- und auffahrt EU-weit im Offenen Verfahren auf der Grundlage der Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB) - Ausgabe 2002 - zur Vergabe aus. Die Ausführung der Arbeiten sollte jedenfalls noch im August 2005 beginnen und bis zum 31.8.2007 abgeschlossen sein.

In der Bekanntmachung der Ausschreibung ist unter Nr. IV.2) aufgeführt, dass der Zuschlag auf "das wirtschaftlich günstigste Angebot auf Grund der in den Unterlagen genannten Kriterien" erteilt werden soll. Nebenangebote waren zugelassen.

Die Verdingungsunterlagen enthalten in der Aufforderung zur Angebotsabgabe eine Aufzählung der Kriterien für die Zuschlagserteilung, wie folgt: Preis, Betriebs- und Folgekosten, technischer Wert und Gestaltung. Es folgen besondere Kriterien für die Wertung von Nebenangeboten und Preisnachlässen. Hinsichtlich der Bewerbungsbedingungen wird auf das Formblatt HVA B-StB-Bewerbungsbedingungen/E1 (Stand 10/03) verwiesen, welches den Verdingungsunterlagen beigefügt ist und unter Ziff. 3.3. u.a. den Hinweis auf das Gebot der Vollständigkeit des Angebotes, insb. im Hinblick auf die Preise und die geforderten Erklärungen, enthält. Unter Ziff. 16 der Aufforderung zur Angebotsabgabe ließ die Antragsgegnerin ausdrücklich negative Preisangaben im Hauptangebot zu.

Die Antragsgegnerin nahm auf Anfragen und Hinweise von Bewerbern insgesamt vier Änderungen der Verdingungsunterlagen vor. Mit Schreiben vom 8.4.2005 änderte die Antragsgegnerin die Verdingungsunterlagen hinsichtlich der Zuschlagskriterien, allerdings nur im Hinblick auf Nebenangebote: Es wurde darauf hingewiesen, dass die Allgemeinen Rundschreiben Straßenbau des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (künftig: ARS) Nrn. 5/1996, 29/1998 und 35/1998 bei der Wertung Berücksichtigung finden sollen. Ein Hinweis auf das ARS 25/2004 vom 25.11.2004 - Wertung von Spekulationsangeboten - ist in den Verdingungsunterlagen nicht enthalten.

Innerhalb der Angebotsfrist gaben sieben Unternehmen, darunter die Antragstellerin, jeweils ein Hauptangebot und diverse Nebenangebote ab. Das Hauptangebot der Antragstellerin war mit einer geprüften Angebotsendsumme i.H.v. ... EUR das preisgünstigste Angebot. Die Angebotsendpreise der nächstplatzierten Hauptangebote lagen ca. 6,8 % bzw. ca. 8,3 % darüber.

Unter Einbeziehung der berücksichtigungsfähigen Nebenangebote lag das Angebot der Antragstellerin mit ... EUR auf Platz 1 vor dem Hauptangebot der Antragstellerin; drittplatziert w...

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