Leitsatz (amtlich)
1. Die Ermessensentscheidung über den Ausschluss wegen Verweigerung der Mitwirkung an der Angebotsaufklärung nach § 24 Nr. 2 VOB/A kann grundsätzlich nicht von der Nachprüfungsinstanz getroffen werden.
2. Ein Aufklärungsverlangen hinsichtlich der Grundlagen der Preisermittlung eines Bieters ist - insb. unter Berücksichtigung des im Vergabeverfahren geltenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes - zulässig, wenn das Angebot inhaltlich bewertet wird und die Vergabestelle einem für die Vergabeentscheidung erheblichen Informationsbedürfnis, d.h. einem im Zusammenhang mit einem konkreten Ausschlussgrund bzw. mit der Prüfung eines zuvor bekannt gemachten Zuschlagskriteriums stehenden Informationsbedürfnis folgt, wenn die geforderten Angaben geeignet sind, dieses Informationsbedürfnis der Vergabestelle zu befriedigen, und wenn der Vergabestelle die Erlangung dieser Informationen auf einfachere Weise nicht möglich ist, § 24 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A.
Verfahrensgang
2. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt des Landes Sachsen-Anhalt (Beschluss vom 29.07.2005; Aktenzeichen 2 VK LVwA 21/05) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der 2. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt des Landes Sachsen-Anhalt vom 29.7.2005, 2 VK LVwA 21/05, aufgehoben.
Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, die Wertung der Angebote unter Einschluss des Angebots der Antragstellerin und unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats zu wiederholen.
Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Nachprüfungsverfahrens vor der Vergabekammer sowie des Beschwerdeverfahrens, jeweils einschließlich der außergerichtlichen Auslagen der Antragstellerin, zu tragen.
Auch im Verfahren vor der Vergabekammer war die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin notwendig.
Die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer werden auf ... EUR festgesetzt.
Der Kostenwert des Beschwerdeverfahrens wird auf bis zu ... EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Antragsgegnerin schrieb im März 2005 den oben genannten Bauauftrag zur Herstellung eines ca. 5,9 km langen vierstreifigen Streckenabschnitts der Bundesautobahn A. einschließlich des Neubaus einer Autobahnanschlussstelle EU-weit im Offenen Verfahren auf der Grundlage der Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB) - Ausgabe 2002 - zur Vergabe aus. Die Ausführung der Arbeiten sollte jedenfalls noch im August 2005 beginnen und bis zum 30.9.2006 abgeschlossen sein.
In der Bekanntmachung der Ausschreibung ist unter Nr. IV.2) aufgeführt, dass der Zuschlag auf "das wirtschaftlich günstigste Angebot auf Grund der in den Unterlagen genannten Kriterien" erteilt werden soll. Nebenangebote waren zugelassen.
Die Verdingungsunterlagen enthalten in der Aufforderung zur Angebotsabgabe eine Aufzählung der Kriterien für die Zuschlagserteilung, wie folgt: Preis, Betriebs- und Folgekosten, technischer Wert und Gestaltung. Es folgen besondere Kriterien für die Wertung von Nebenangeboten und Preisnachlässen. Hinsichtlich der Bewerbungsbedingungen wird auf das Formblatt HVA B-StB-Bewerbungsbedingungen/E1 (Stand 10/03) verwiesen, welches den Verdingungsunterlagen beigefügt ist und unter Ziff. 3.3. u.a. den Hinweis auf das Gebot der Vollständigkeit des Angebotes, insb. im Hinblick auf die Preise und die geforderten Erklärungen, enthält.
Die Antragsgegnerin nahm auf Anfragen und Hinweise von Bewerbern insgesamt drei Änderungen der Verdingungsunterlagen vor. Mit Schreiben vom 7.4.2005 änderte die Antragsgegnerin die Verdingungsunterlagen hinsichtlich der Zuschlagskriterien, allerdings nur im Hinblick auf Nebenangebote: Es wurde darauf hingewiesen, dass die Allgemeinen Rundschreiben Straßenbau des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (künftig: ARS) Nrn. 5/1996, 29/1998 und 35/1998 bei der Wertung Berücksichtigung finden sollen. Ein Hinweis auf das ARS 25/2004 vom 25.11.2004 - Wertung von Spekulationsangeboten - ist in den Verdingungsunterlagen nicht enthalten.
Innerhalb der Angebotsfrist gaben sechs Unternehmen, darunter die Antragstellerin, jeweils ein Hauptangebot und diverse Nebenangebote ab. Das Hauptangebot der Antragstellerin war mit einer geprüften Angebotsendsumme i.H.v. ... EUR das zweitplatzierte Hauptangebot. Das Hauptangebot der R.M. GmbH lag mit einem ca. 6,2 % höheren Angebotsendpreis auf Platz 4.
Unter Einbeziehung der berücksichtigungsfähigen Nebenangebote lag das Angebot der Antragstellerin mit ... EUR auf Platz 3; der preisliche Abstand zum Hauptangebot des o.g. Mitbieters (nunmehr auf Platz 6) betrug ca. 7,4 %.
Mit Schreiben vom 3.5.2005 forderte die Antragsgegnerin mehrere Bieter, darunter auch die Antragstellerin, unter Bezugnahme auf die Entscheidung des X. Zivilsenates des BGH v. 18.5.2004 - X ZB 7/04, BGHReport 2004, 1570 = MDR 2004, 1351, sowie auf das ARS Nr. 25/2004 v. 25.11.2004 zur Erläuterung der Preisermittlung jeweils konkret bezeichneter Leistungspositionen auf. Sie wies die Bieter darauf hin, dass eine Darstellung der einzelnen Kostenanteile (u.a....