Leitsatz (amtlich)
Einer Partei, die vor Ablauf einer Rechtsmittelfrist Prozesskostenhilfe beantragt, kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden. Das setzt aber voraus, dass sie vernünftigerweise nicht mit der Verweigerung der Prozesskostenhilfe wegen nicht hinreichend nachgewiesener Bedürftigkeit rechnen musste, was der Fall ist, wenn ihre Erklärung zu ihren wirtschaftlichen Verhältnissen erhebliche Lücken aufweist.
Die nachträgliche Einreichung des Bescheides über die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes genügt nicht zum Nachweis, dass sie vor Ablauf der Rechtsmittelfrist schuldlos daran gehindert war, vollständige Angaben zu machen und ihre Bedürftigkeit zu belegen.
Verfahrensgang
LG Magdeburg (Beschluss vom 09.01.2012; Aktenzeichen 11 O 756/11) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des Einzelrichters der 11. Zivilkammer des LG Magdeburg vom 9.1.2012 - 11 O 756/11, wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Der Kläger macht gegen den Beklagten Ansprüche aus Darlehensverträgen und aus einer Beeinträchtigung eines Nießbrauchsrechtes geltend. Auf Antrag des Klägers erging gegen den im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht erschienenen Beklagten vor dem LG Magdeburg am 15.9.2011 ein Versäumnisurteil, das dem Beklagtenvertreter ausweislich Empfangsbekenntnisses am 4.10.2011 zugestellt worden ist. Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 13.10.2011, eingegangen beim LG Magdeburg am selben Tag, hat der Beklagte die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die erste Instanz unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten beantragt und erklärt, die "beabsichtigte Klage" - gemeint ist offensichtlich der beabsichtigte Einspruch - habe hinreichende Aussicht auf Erfolg. Gleichzeitig hat der Beklagtenvertreter auf den "Klageentwurf" - gemeint ist insoweit erkennbar die Einspruchsschrift - Bezug genommen und erklärt, die "Klage" - der Einspruch - werde nur unter der Bedingung der Gewährung der Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Prozessbevollmächtigten erhoben. Dem Schreiben lag der nicht unterzeichnete Entwurf einer Einspruchsschrift mit Wiedereinsetzungsantrag bei. Der Beklagte hat zeitgleich eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 21.9.2011 zur Akte gereicht. Das Formular war bezüglich der Einnahmen aus nicht selbständiger Arbeit unter Hinweis darauf, dass ALG II per 1.9.2011 beantragt worden sei, nicht ausgefüllt. Als Wohnkosten wurden 390 EUR, auf die der Antragsteller und seine Ehegattin jeweils 195 EUR zahlen würden, geltend gemacht. Dem Formular über die Erklärung bezüglich der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse lagen Kopien eines Abfallgebührenbescheides, eine auszugsweise Kopie über Strom- und Erdgasabschlagszahlungen, die Kopie eines Abschlagsbescheides des W. Wasser- und Abwasserzweckverbandes sowie die Kopien eines Mietvertrages und eines Kontoauszuges bei. Mit Verfügung vom 17.10.2011 hat das LG eine Mediation angeregt. Der zuständige Mediationsrichter hat der 11. Zivilkammer darauf mit Verfügung vom 25.10.2011 mitgeteilt, der Beklagte stimme einer Mediation zu, wenn ihm zuvor Prozesskostenhilfe bewilligt würde. Hierauf hat der Vorsitzende Richter der 11. Zivilkammer des LG Magdeburg dem Beklagten mit Verfügung vom 1.11.2011 rechtliches Gehör gewährt. Eine Wiedereinsetzung käme nicht in Betracht. Die Versäumung der Einspruchsfrist sei wohl nicht unverschuldet. Es sei seit Zustellung der Klage Sache des Beklagten gewesen, sich um Prozesskostenhilfe zu bemühen. Ein Einspruch läge nicht vor. Es werde anheim gestellt, eine Rücknahme des Einspruchs und des PKH-Antrages in Betracht zu ziehen, da die nunmehr entstandene zeitliche Not wohl verschuldet sei.
Mit Schriftsatz vom 10.11.2011 hat der Beklagte neuerliche Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 9.11.2011 unter Beifügung eines Bescheides des Jobcenters über die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes ab 1.9.2011 eingereicht. Gleichzeitig wurde der Vorsitzende Richter der 11. Zivilkammer wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt.
Mit Beschluss vom 9.1.2011 hat die 11. Zivilkammer des LG Magdeburg, Einzelrichter, den Antrag des Beklagten auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe vom 13.10.2011 zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sei nicht vollständig gewesen. Da die Bewilligung von Arbeitslosengeld II erst beantragt worden war, habe das Gericht nicht davon ausgehen können, dass der Antragsteller finanziell auch so gestellt ist, dass er Anspruch auf Arbeitslosengeld II habe. Die Angaben für den Buchstaben "E" bis "J" in dem Formular "Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse" seien aber nur dann entbehrlich, wenn bereits ein Bescheid über die Bewilligung von Arbeitslosengeld vorgelegt würde.
Gegen diesen, ihm am 25.1.2012 zugegangenen Beschluss richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragst...