Leitsatz (amtlich)
Stellt der Sachverständige im selbständigen Beweisverfahren keine Mängel fest, ist der Streitwert nicht mit "null" anzusetzen, sondern auf der Grundlage der vom Antragsteller behaupteten Mängel zu schätzen.
Verfahrensgang
LG Magdeburg (Beschluss vom 29.09.2014; Aktenzeichen 10 OH 10/14) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin wird der Streitwert für das selbstständige Beweisverfahren in Abänderung des Streitwertbeschlusses des Einzelrichters der 10. Zivilkammer des LG Magdeburg vom 29.9.2014 auf 7.533, 00 EUR festgesetzt.
Die weiter gehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.1. Dass die Antragsgegnerin eine Streitwertbeschwerde eingelegt hat, ist allerdings nicht anzunehmen, da sie durch die Streitwertfestsetzung des LG selbst nicht beschwert ist. Vielmehr ist die Beschwerdeschrift dahingehend verständig auszulegen, dass die Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin aus eigenem Recht eine auf Erhöhung des Verfahrensgegenstandswertes gerichtete Beschwerde gemäß § 32 Abs. 2 RVG einlegen wollten.
Die von dem Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin im eigenen Namen eingelegte Beschwerde ist nach § 32 Abs. 2 RVG in Verbindung mit § 68 Abs. 1 GKG zulässig und hat auch in der Sache ganz überwiegend Erfolg.
2. Der Streitwert des selbstständigen Beweisverfahrens bemisst sich gemäß § 48 Abs. 1 GKG in Verbindung mit § 3 ZPO nach dem materiellen Interesse des Antragstellers an der Beweiserhebung. Dieses Interesse entspricht im allgemeinen dem vollen mutmaßlichen Hauptsachewert, da dessen Beweisaufnahme vorweggenommen wird, und zwar bezogen auf den Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung und das wirtschaftliche Interesse der Antragstellerin (vgl. BGH MDR 2005, 162; OLG Schleswig Beschluss vom 28.10.2014, 3 W 553/14; Herget in Zöller, ZPO, 30. Aufl., Rdn. 16 zu § 3 ZPO "Selbständiges Beweisverfahren").
a) Entscheidend ist mithin das bei Verfahrensbeginn von dem Antragsteller vorgetragene Hauptsacheinteresse. Ist das Ziel eines späteren Hauptsacheverfahrens, so wie es auch hier in der Antragsschrift dargestellt wird, die Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen und werden deshalb Mängel festgestellt und deren Beseitigung bzw. Minderungskosten ermittelt, dann entsprechen, soweit Mängel vom Gutachter bestätigt werden, die vom Sachverständigen ermittelten Beseitigungskosten in der Regel dem materiellen Interesse des Antragstellers. Bestätigt der Sachverständige allerdings nur einen Teil der behaupteten Mängel, so sind die Kosten, die bei Vorhandensein dieser Mängel nach objektiven Kriterien entstehen würden, bei der Wertbemessung mit zu berücksichtigen und zu schätzen. Dies kann bedeuten, dass dann, wenn im selbständigen Beweisverfahren nicht alle behaupteten Mängel festgestellt werden, für die Streitwertfestsetzung diejenigen Kosten überschlägig zu schätzen sind, die sich ergeben hätten, wenn jene Mängel festgestellt worden wären (vgl. BGH MDR 2005, 162; OLG Düsseldorf NZBau 2010, 705; OLG Celle NJW-RR 2004, 234; OLG Celle AGS 2014, 560; OLG Köln JurBüro 2013, 423;OLG Jena OLG-Report 2001, 132; Herget in Zöller, ZPO, 30. Aufl., Rdn. 16 zu § 3 ZPO "Selbständiges Beweisverfahren"). Stellt der Sachverständige - wie auch hier - die behaupteten Mängel überhaupt nicht fest und bestimmt er deshalb keine Beseitigungskosten, ist der Wert mithin nicht mit "Null" anzusetzen, sondern unter Zugrundelegung der Behauptungen zu den Mängeln zu schätzen (vgl. OLG Naumburg, BauR 2008, 144, juris-Rdnr. 5, 8; OLG Celle OLGR Celle 2008, 506; OLG Frankfurt BauR 2007, 921; OLG Rostock OLGR Rostock 2009, 799).
b) Diese Grundsätze führen hier zur folgenden Bewertung:
Der Antrag ist darauf ausgerichtet, aufzuklären, welche Maßnahmen ergriffen werden müssen, um die Emissionsquellen zu beseitigen und ferner festzustellen, welche Kosten für diese Mängelbeseitigungsarbeiten anfallen werden. Die Antragstellerin hat sich in ihrer verfahrenseinleitenden Antragsschrift allerdings selbst nicht in der Lage gesehen, verlässliche Angaben zur Höhe dieser Mängelbeseitigungskosten zu machen.
Eine weiter gehende Beweisaufnahme durch eine Gutachtenergänzung bzw. die Einholung eines Ergänzungsgutachtens zur Bestimmung des Streitwerts ist hingegen gleichwohl nicht angebracht; denn sie ist unter den gegebenen Voraussetzungen weder erfolgversprechend, noch im Rahmen der Streitwertfestsetzung angemessen oder notwendig (vgl. OLG Celle OLGR Celle 2008, 506; OLG Naumburg BauR 008, 144; OLG Frankfurt BauR 2007, 921).
Auch ohne eine entsprechende gutachterliche Stellungnahme ist für die nicht erwiesenen Mängel ein Wert zu schätzen, der dem Interesse der Antragsteller an der Durchführung des Hauptsacheverfahrens im Wesentlichen entspricht. Anknüpfungstatsachen hierfür sind in Ermangelung anderweitiger Schätzgrundlagen der Sachvortrag der Parteien sowie die Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen. Der Senat hat dabei keine ...