Normenkette
ZPO §§ 53a, 323, 655; BGB §§ 1612a, 1612b, 1612c, 12712 Art. 5; KindUG § 3
Verfahrensgang
AG Sangerhausen (Aktenzeichen 2 FH 9/00) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des AG – FamG – Sangerhausen vom 23.2.2001 aufgehoben und die Sache zur weiteren Verhandlung an das FamG zurückverwiesen.
Beschwerdewert: 4.704 DM.
Gründe
I. Das Kreisjugendamt S. begehrt die Umstellung eines Unterhaltstitels mit der Maßgabe, dass künftig eine Anrechnung von Kindergeld unterbleiben soll.
Mit Urkunde des Kreisjugendamts vom 5.2.1991 verpflichtete sich der Antragsgegner, seinem am 2.12.1990 geborenen Kind C.B. eine monatliche Unterhaltsrente von 130 DM zu zahlen. Mit Urkunde des Kreisjugendamts vom 7.11.1995 wurde der Titel dahin abgeändert, dass der Antragsgegner anerkannte, seinem Kind – nach Anrechnung eines hälftigen monatlichen Kindergelds von 35 DM – folgenden monatlichen Regelunterhalt zu schulden:
während der 1. Altersstufe 227 DM
während der 2. Altersstufe 282 DM
und während der 3. Altersstufe 341 DM.
Mit Schriftsatz vom 19.12.2000 beantragte das Jugendamt – als Beistand des Kindes – im vereinfachten Verfahren die Umstellung des Titels vom 7.11.1995 dahingehend, das ab 1.1.2001 – ohne Anrechnung von Kindergeld – 100 % der Beträge nach § 2 Regelbetrag-Verordnung für die jeweilige Altersstufe gezahlt werden sollen (Art. 5 § 3 KindUG; Art. 4 § 2 des Gesetzes zur Ächtung von Gewalt in der Erziehung und zur Änderung des Kindesunterhaltsrechts). Die Rechtspflegerin setzte den Antragsgegner mit Verfügung vom 9.1.2001 von dem Antrag formlos in Kenntnis. Mit Beschluss vom 23.2.2001 gab sie dem Begehren antragsgemäß mit Wirkung vom 1.1.2001 statt.
II. Der Beschluss hält der statthaften (Art. 5 § 3 Abs. 2 KindUG, § 652 ZPO) und zulässigen sofortigen Beschwerde des Antragsgegners (§§ 569, 577 ZPO) nicht stand.
1. Der Beschluss ist bereits verfahrensfehlerhaft zu Stande gekommen, da die Rechtspflegerin nicht geprüft hat, ob das Kreisjugendamt – als Beistand des Kindes – zur Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs befugt ist (§ 53a ZPO). Letzteres wäre nur der Fall, wenn ein Elternteil bei dem – örtlich zuständigen – Kreisjugendamt einen entsprechenden Antrag gestellt hat (§ 1712 Abs. 1 Nr. 2 BGB).
Abgesehen davon wurde der Antragsgegner von dem Antrag vom 19.12.2000 nur formlos in Kenntnis gesetzt. Der Antrag wurde ihm nicht – wie gesetzlich vorgeschrieben – förmlich zugestellt (Art. 5 § 3 Abs. 2 KindUG [BGBl. 1998, Teil I, S. 666 ff.], § 647 Abs. 1 ZPO).
2. Darüber hinaus weist der angefochtene Beschluss auch inhaltliche Mängel auf, da die Entscheidung sachlich-rechtlich mit Art. 5 § 3 KindUG unvereinbar ist:
a) aa) Nach Art. 5 § 3 Abs. 1 KindUG dürfen Unterhaltstitel i.S.v. § 794 ZPO, die aus der Zeit vor dem 1.7.1998 stammen – dazu zählt der Alttitel des Kreisjugendamts vom 7.11.1995 (§ 60 SGB VIII, § 794 Abs. 1 Ziffer 5 ZPO) –, im vereinfachten Verfahren nur auf das seit dem 1.7.1998 geltende neue Recht (§§ 1612a BGB n.F.) umgestellt (transformiert) werden, d.h., der nach dem Alttitel – für die jeweilige Altersstufe – geschuldete Unterhaltsbetrag (in DM) wird lediglich in Prozent des – für die jeweilige Altersstufe maßgebenden – Betrags nach § 1 (West) oder § 2 (Ost) der Regelbetrag-Verordnung umgerechnet (Art. 5 § 3 Abs. 1 S. 1 KindUG). Eine weitergehende Änderung findet nicht statt, da keine Titelabänderungsklage (§ 323 ZPO) erhoben ist.
Hier kommt nur eine Umrechnung nach § 2 (Ost) Regelbetrag-Verordnung in Betracht.
bb) Ist – wie im vorliegenden Fall – ein Alttitel nach § 1615f und 1615g BGB a.F. Verfahrensgegenstand, wird der nach dem Alttitel geschuldete Unterhaltsbetrag (in DM) – von Ausnahmen abgesehen (Art. 5 § 3 Abs. 1 S. 3 KindUG) – in der Weise ermittelt, dass der in dem Alttitel errechnete Zahlbetrag (Regelunterhalt) – hier also 227 DM mtl. für die erste, 282 DM für die zweite und 341 DM für die dritte Altersstufe des Kindes – jeweils um die in dem Alttitel angerechneten Leistungen i.S.v. §§ 1612b und 1612c BGB n.F., d.h. vorliegend also jeweils um hälftiges Kindergeld i.H.v. 35 DM monatlich, erhöht wird (Art. 5 § 3 Abs. 1 S. 2 KindUG). Denn der nach dem Alttitel geschuldete Unterhaltsbetrag ergibt sich aus dem im Alttitel zu Grunde gelegten (Regel-)Bedarf, auf den kindbezogene Leistungen (§ 1615g BGB a.F.) angerechnet worden sind (§ 1615f BGB a.F.). Es findet also eine Rückrechnung der in dem Alttitel vorgenommenen Berechnung statt.
cc) Wird der sich ergebende, nach dem Alttitel geschuldete Unterhaltsbetrag (in DM) dann in Prozent der Beträge nach der Regelbetrag-Verordnung umgerechnet, unterliegt der in das neue Recht transformierte Alttitel der Dynamisierung nach der Regelbetrag-Verordnung. Es entsteht ein dynamisierter Titel nach neuem Recht (§ 1612a BGB n.F.).
Diesen Anforderungen genügt der angefochtene Beschluss nicht, da keine Umrechnung der nach dem Alttitel geschuldeten Unterhaltsbeträge vorgenommen worden ist, sondern ohne Grund – zum Nachteil des Antragsgegners – einfach 1...