Leitsatz (amtlich)

Eine Nähe, die eine Besorgnis der Befangenheit rechtfertigt, kann darin liegen, dass der Sachverständige zur Zeit der Erbringung eines Teils seiner gutachterlichen Leistungen in einer Klinik derselben Unternehmensgruppe abhängig beschäftigt gewesen ist, zu der auch die Streitverkündete zu 1) gehört und bei der auch die Streiverkündeten zu 2) und 3), abhängig beschäftigt sind, welche sämtlich dem Rechtsstreit auf Seiten der Klägerin beigetreten sind.

Dabei kommt es nicht darauf an, dass diese Sorge möglicherweise beim Beklagten näher als bei der Klägerin läge. Wie ein Richter kann grundsätzlich auch ein Sachverständiger von beiden Seiten wegen einer persönlichen oder geschäftlichen Nähe zu einer der Parteien abgelehnt werden (§§ 406 Abs. 1, 42 Abs. 3 ZPO).

 

Verfahrensgang

LG Magdeburg (Beschluss vom 17.01.2013; Aktenzeichen 9 O 987/10)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss der 9. Zivilkammer des LG Magdeburg vom 17.1.2013 abgeändert und das Ablehnungsgesuch der Klägerin gegen den Sachverständigen Dr. med. P. F. für begründet erklärt.

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt den Beklagten im Ausgangsverfahren vor dem LG Magdeburg aus Arzthaftung auf Ersatz ihres materiellen und immateriellen Schadens in Anspruch. Sie wendet sich vorliegend mit ihrer sofortigen Beschwerde gegen die Zurückweisung ihres Gesuchs auf Ablehnung des Sachverständigen Dr. med. P. F., der mit Beweisbeschluss vom 20.12.2010 in der Fassung des Ergänzungsbeschlusses vom 10.2.2011 mit der Feststellung beauftragt worden war, ob der Beklagte gegen die Regeln der ärztlichen Kunst verstoßen habe.

Der Beklagte verteidigt sich gegen die Klageforderung u.a. dahin, nicht ihm, sondern den Ärzten der A. Klinikum H. GmbH, die ambulant das Metall am Handgelenk der Klägerin entfernt hatten, sei die Fehlstellung der Radiusfraktur vorzuwerfen. Die A. Klinikum H. GmbH habe ihm gegenüber auch keine radiologische Kontrolle empfohlen, obwohl den dort tätigen Ärzten die Fehlstellung aufgefallen sein müsse, wofür die Empfehlung gegenüber der Klägerin zu einer handchirurgischen Vorstellung spräche. Die Klägerin hat der A. Klinikum H. GmbH und den dort tätig gewordenen Ärzten den Streit verkündet. Die Streitverkündeten sind mit Schriftsatz vom 18.2.2011 dem Rechtsstreit auf Seiten der Klägerin beigetreten.

Der Sachverständige Dr. med. P. F. hat das Gutachten am 17.8.2011 erstellt. Zu dieser Zeit war er Chefarzt in der Klinikum An. -St. GmbH.

Mit Beweisbeschluss vom 4.11.2011 wurde der Sachverständige mit einer ersten Ergänzung seines Gutachtens beauftragt, die er am 23.2.2012 erbracht hat. Eine weitere Ergänzung des Gutachtens hat die Kammer am 9.5.2012 beschlossen. Für dieses zweite Ergänzungsgutachten vom 25.9.2012 hat der Sachverständige einen Briefkopf verwendet, der die Zugehörigkeit der Klinik zur A. Klinik-Gruppe erkennen ließ. Es ist der Klägerin am 9.10.2012 unter Gewährung einer vierwöchigen Stellungnahmefrist durch das LG zugestellt worden.

Bis einschließlich 15.6.2012, als ein Fristverlängerungsgesuch des Sachverständigen beim LG eingegangen war, hatte der Sachverständige Dr. med. P. F. für Schriftwechsel und Gutachten einen Briefkopf der Klinikum An. -St. GmbH benutzt, der die Klinik als Akademisches Lehrkrankenhaus der Medizinischen Fakultät der Universität M. und später auch als Unternehmen der S. Kliniken GmbH ausgewiesen hatte.

Mit Schriftsatz vom 17.10.2012, eingegangen beim LG am Folgetag, hat die Klägerin den Sachverständigen Dr. med. P. F. wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die erst nunmehr offenbar gewordene Zugehörigkeit der Klinik, an der der Sachverständige als Chefarzt tätig ist, zur A. -Klinikgruppe, zu der auch die Streitverkündete zu 1) und damit auch die bei ihr beschäftigten Streitverkündeten zu 2) und 3) gehörten, rechtfertige die Sorge der Befangenheit. Der Sachverständige sei als dem "Lager" der Streitverkündeten zugehörig anzusehen.

Der Sachverständige Dr. med. P. F. hat mit Schreiben vom 23.11.2012 - erneut unter Verwendung eines Briefkopfes des A. -Klinikums An. - hierzu erklärt, die Gutachtertätigkeit eines angestellten Chefarztes falle in den Bereich seiner selbständigen und eigenverantwortlichen Nebentätigkeiten. Bis zum März 2012 sei der Träger des Klinikums An. der Landkreis gewesen, der zunächst zum Landkreis An. -St. und später zum S. Kreis fusioniert sei, weshalb die S. Kliniken Sch., B., An. und St. zusammengeschlossen worden seien. Nach längeren Verhandlungen sei dieser Verbund an die A. -Gruppe veräußert worden, die am 2.4.2012 ein Begrüßungstreffen veranstaltet habe. Das Gutachten vom 18.8.2011 habe er zu einem Zeitpunkt erstellt, als seine Klinik noch in kommunaler Trägerschaft gewesen sei. Als Gutachter fühle er sich von der Trägerschaft des Klinikums unbeeinflusst.

Die Klägerin meint, schon diese außerdienstliche Verwendung des Briefkopfes des Klinikums für die selbständige gutachterliche Tätigkeit spreche für eine besondere Nä...

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