Entscheidungsstichwort (Thema)
Vaterschaftsanfechtung: Anfechtungsrecht der Behörde bei sog. Altfällen. Verteilung der Darlegungs- und Beweislast für das Nichtvorliegen einer sozial-familiären Beziehung
Leitsatz (amtlich)
§ 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB (Vaterschaftsanfechtung durch die zuständige Behörde) gilt auch für sog. Altfälle. Die Frage des Nichtbestehens einer sozial-familiären Beziehung ist grundsätzlich vor der Einholung eines Abstammungsgutachtens zu klären. Darlegungs- und beweispflichtig für das Nichtvorliegen einer sozial-familiären Beziehung ist grundsätzlich die anfechtende Behörde; es gelten allerdings die Grundsätze der sekundären Darlegungslast. Für die Frage des Bestehens bzw. Nichtbestehens einer sozial-familiären Beziehung kommt es nicht auf die Beziehung zwischen Kindesvater und Kindesmutter an; ihr kommt allenfalls indizielle Wirkung zu.
Normenkette
BGB § 1600 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2, 4
Verfahrensgang
AG Köthen (Beschluss vom 29.04.2010; Aktenzeichen 11 F 431/09) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragsgegners zu 1. wird der Beschluss des AG - Familiengerichts - Köthen vom 29.4.2010 (Az.: 11 F 431/09) abgeändert:
Der Antrag des Antragstellers vom 15.9.2009 wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.
Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.000 EUR festgesetzt.
Die Rechtsbeschwerde ist nicht zugelassen.
Gründe
I. Gegenstand des Verfahrens ist die behördliche Vaterschaftsanfechtung durch das hierfür zuständige Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt nach § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB.
Die Kindesmutter, nigerianische Staatsangehörige, reiste nach ihren Angaben am 9.1.2004 illegal in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ein und gebar am 12.2.2007 das Kind K. E., den Antragsgegner zu 1.
Zuvor war die Kindesmutter in Abschiebehaft genommen worden; ein von ihr unter falschem Namen gestellter Asylantrag wurde abgelehnt. Nach Preisgabe ihrer wahren Identität erteilte der zuständige Landkreis A. der Kindesmutter am 2.7.2007 eine zunächst bis zum 1.1.2008 befristete Aufenthaltserlaubnis, welche bis heute fortlaufend verlängert wurde.
Der Vater des Kindes, der Antragsgegner zu 2., ist mosambikanischer Staatsangehöriger, er hält sich seit 1989 im Bundesgebiet auf, am 30.4.1999 erhielt er eine Aufenthaltserlaubnis der Ausländerbehörde in C.. Er hat die Vaterschaft für den Antragsgegner zu 1. am 13.3.2007 (Bl. 8 d.A.) anerkannt. Der Antragsgegner zu 2. wohnt und wohnte ständig in C. mit Ausnahme seiner jetzigen Arbeitsaufnahme, auf Grund derer er sich unter der Woche in R. aufhält. Er hat zu keiner Zeit mit der Kindesmutter bzw. der Kindesmutter und/oder dem Kind zusammengelebt.
Die Kindesmutter hat das alleinige Sorgerecht.
Es erfolgten jeweils mehrfach monatliche Kontakte zwischen dem Antragsgegner zu 2. und dem Antragsgegner zu 1. über bis zu 4 Tagen, an dem u.a. auch Geschenke überreicht wurden und kleinere Unternehmungen stattfanden. Während dieser Zeit wohnte der Antragsgegner zu 2. mit in der Wohnung der Kindesmutter in K..
Der Antragsteller hat die Auffassung vertreten, eine sozial-familiäre Beziehung zwischen der Kindesmutter bzw. dem Kind und dem Kindesvater habe zu keinem Zeitpunkt bestanden, zumal diese - unstreitig - nie zusammengewohnt hätten. Gelegentliche Kontakte seien nicht geeignet, eine derartige Beziehung begründen zu können.
Der Antragsteller hat beantragt, festzustellen, dass der Antragsgegner zu 2. nicht der Vater des am 12.2.2007 geborenen Kindes K. E. ist.
Der Antragsgegner zu 1. hat beantragt, den Antrag abzuweisen.
Der Antragsgegner zu 2. hat keinen Antrag gestellt.
Sie sind im Wesentlichen der Ansicht, zwischen den Eltern des Kindes sei in der Vergangenheit eine intensive Begegnungsgemeinschaft entstanden. Die Besuche in B. und später in K. seien regelmäßig erfolgt. Dies sei um so beachtlicher, da die Kindesmutter eine begrenzte Aufenthaltserlaubnis gehabt habe, in deren Folge sie nicht in der Lage gewesen sei, den Kindesvater in C. aufzusuchen. Zudem habe der Vater wegen seines weiteren in C. wohnenden Kindes nicht die Möglichkeit gehabt, zur Kindesmutter zu ziehen. Zudem habe der Kindesvater der Kindesmutter, was vom Antragsteller bestritten worden ist, der Kindesmutter in der gesetzlichen Empfängniszeit beigewohnt und sei daher auch der biologische Vater. Der Antragsgegner zu 1. spreche den Antragsgegner zu 2. mit Papa an und habe innige Kontakte zu diesem. Unterhalt sei über einen Zeitraum von 1 ½ Jahren nach Geburt bis zur Arbeitslosigkeit des Kindesvaters von diesem gezahlt worden.
Das AG hat zunächst mit Beweisbeschluss vom 28.10.2009 (Bl. 31 f. d.A.) die Einholung eines schriftlichen Abstammungsgutachtens angeordnet. Auf das darauf erstellte schriftliche Abstammungsgutachten vom 26.2.2010 des Prof. Dr. med. D. (Bl. 46 ff. d.A.) wird verwiesen. Danach hat das Gericht in der Folge die Mutter des Antragsgegners zu 1. und den Antragsgegner umfassend angehört. Auf die Sitzungsniederschrift vom 15.4.2010 (Bl. 75 ff. d.A.) wird verwiesen.
Durch den am 29.4.2010 verk...