Leitsatz (amtlich)
Die im Rahmen der Führungsaufsicht erteilte Weisung an den Verurteilten "eine Verhaltenstherapie zur Auseinandersetzung und Behandlung seines latenten Gewaltpotentials durchzuführen" genügt ihrem Inhalt nach nicht dem Bestimmtheitsgrundsatz. Das Gericht hat, soweit dies im Zeitpunkt der Entscheidung der Strafvollstreckungskammer bereits möglich ist und anderenfalls, sobald eine geeignete Einrichtung gefunden ist, in einer gesonderten Entscheidung, nicht nur die Art der Therapie, sondern auch die betreffende Therapieeinrichtung sowie den Zeitpunkt des Therapiebeginns zu bezeichnen.
Verfahrensgang
LG Stendal (Entscheidung vom 16.12.2009; Aktenzeichen 508 StVK 128/09) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Verurteilten wird der Beschluss der 8. Strafkammer - Strafvollstreckungskammer - des Landgerichts Stendal vom 16. Dezember 2009 aufgehoben, soweit der Verurteilte angewiesen wurde, eine Verhaltenstherapie zur Auseinandersetzung und Behandlung seines latenten Gewaltpotentials durchzuführen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Entscheidung - auch über die Kosten der Beschwerde - an dieselbe Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Stendal zurückverwiesen.
Gründe
I. Der Verurteilte wird bis zum 3. Mai 2010 vollständig eine Freiheitsstrafe von sechs Jahren wegen Totschlags aus dem Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 30. März 2004 (21 Ks 4/04) verbüßt haben. Mit Beschluss vom 16. Dezember 2009 hat die 8. Strafkammer - Strafvollstreckungskammer - des Landgerichts Stendal (508 StVK 128/09) angeordnet, dass die kraft Gesetzes eingetretene Führungsaufsicht nicht entfällt, und deren Dauer auf fünf Jahre festgesetzt. Darüber hinaus hat die Kammer den Verurteilten unter anderem angewiesen, "eine Verhaltenstherapie zur Auseinandersetzung und Behandlung seines latenten Gewaltpotentials durchzuführen."
Gegen diese Weisung wendet sich der Verurteilte mit seiner Beschwerde vom 12. Januar 2010.
II. Das gemäß §§ 463 Abs. 2, 453 Abs. 2 S. 1 StPO zulässige Rechtsmittel hat in der Sache (vorläufig) Erfolg.
Der über § 463 Abs. 2 StPO anwendbare § 453 Abs. 2 Satz 2 StPO beschränkt die Überprüfung durch das Beschwerdegericht auf eine Kontrolle der Gesetzmäßigkeit. Eine Anordnung ist gesetzwidrig, wenn sie nicht hinreichend bestimmt, im Gesetz nicht vorgesehen, unverhältnismäßig oder unzumutbar ist oder sonst die Grenzen eingeräumten Ermessens überschreitet (OLG Frankfurt NStZ-RR 2009, 27; OLG Jena NStZ 2006, 39; Meyer-Goßner, StPO, 52. Aufl., § 453 Rz. 12).
Unter Zugrundelegung dieses Überprüfungsmaßstabes kann die angefochtene Weisung keinen Bestand haben.
1. Der Beschluss vom 16. Dezember 2009 enthält keinerlei Begründung der angefochtenen Weisung und lässt daher schon dem Grunde nach eine Abwägung maßgeblicher Umstände und damit eine Ermessensausübung vermissen. Dies genügt den Anforderungen an eine zielgerichtete und ermessensfehlerfreie Ausgestaltung der Führungsaufsicht nicht. Die Strafvollstreckungskammer hat vielmehr im Rahmen ihrer Amtsaufklärungspflicht die für ihre Entscheidungsfindung maßgeblichen Tatsachen festzustellen und in eine ordnungsgemäße Ermessensabwägung einzubeziehen. Das Institut der Führungsaufsicht nach § 68f StGB hat nämlich die Aufgabe, gefährliche oder rückfallgefährdete Täter in ihrer Lebensführung in Freiheit über gewisse kritische Zeiträume hinweg zu unterstützen und zu überwachen, um sie von weiteren Straftaten abzuhalten (BVerfGE 55, 28, 29). Die Führungsaufsicht soll damit nicht nur Lebenshilfe für den Übergang von der Freiheitsentziehung in die Freiheit geben, sondern auch den Verurteilten führen und überwachen. Wenn diese umfassende Sozialisierungshilfe wirksam sein soll, setzt dies Weisungen voraus, die auf den Täter, die Taten, deretwegen er verurteilt wurde und damit zusammenhängend auf die von ihm ausgehende Gefährlichkeit hinsichtlich der Begehung weiterer Straftaten möglichst genau abzustimmen sind. Um dieser kriminalpolitischen Zielsetzung gerecht zu werden, ist eine Schematisierung der zu erteilenden Weisung nicht möglich (OLG Hamm NStZ-RR 2009, 260; OLG Dresden, StV 2008, 317). Die Strafvollstreckungskammer hat deshalb bei der Auswahl der erforderlichen Weisungen einen Ermessensspielraum. Die Ausübung dieses pflichtgemäßen Ermessens auf Grundlage festgestellter Tatsachen muss jedoch in einer Anordnungsbegründung enthalten sein. Fehlt sie wie hier, kann das Beschwerdegericht die Rechtsfehlerfreiheit der Weisungen nicht prüfen, weshalb bereits aus diesem Grund die Beschwerde begründet ist, auch wenn die angeordnete Weisung nach dem bisherigen Akteninhalt sachgerecht sein könnte (OLG Hamm aaO.).
2. Darüber hinaus ist die Weisung auch nicht hinreichend bestimmt.
a) Entgegen der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Zuschrift vom 11. Februar 2010 ist der Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot hier allerdings nicht bereits darin zu sehen, dass die Strafvollstreckungskammer es unterlassen hat, die Rechtsgrundlage für die angefochtene Weisung (§ 68b Abs. 1 S. 1 Nr....