Leitsatz (amtlich)

Eine juristische Person ist im Sinne des § 927 Abs. 1 BGB als verschollen anzusehen, wenn nicht festgestellt werden kann, wer ihre Organe sind und wie diese Personen zu erreichen wären.

 

Verfahrensgang

AG Köthen (Beschluss vom 02.06.2015; Aktenzeichen 8 II 1/15)

AG Köthen (Beschluss vom 08.04.2015; Aktenzeichen 8 II 1/15)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Beteiligten vom 5.5.2015 werden die Beschlüsse des AG Köthen vom 8.4.2015 und 2.6.2015 aufgehoben.

Das AG Köthen wird angewiesen, das beantragte Aufgebot zu erlassen.

Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahrens wird auf 100.000 Euro festgesetzt.

 

Gründe

Im Grundbuch von K., Blatt ... ist seit dem 17.5.1929 der Verein "N. e.V." als Alleineigentümer des Grundstückes der Gemarkung K., Flur ..., Flurstück ..., B. Promenade 16, mit einer Größe von 1058 m2 eingetragen.

Dieser Verein ist zwar noch im Vereinsregister des AG Köthen (Geschäfts-Nr.: 5 VR 86) eingetragen, wurde aber mit Beschluss seiner Mitgliederversammlung vom 8.10.1941 aufgelöst. Zu seinen Liquidatoren wurden die beiden Vorstandsmitglieder bestellt und dies am 17.11.1941 in das Vereinsregister eingetragen. Mit weiterem Beschluss vom 3.12.1945 wurde ein dritter Liquidator bestellt.

Der ehemalige Magistrat der Stadt K. teilte dem ehemaligen Registergericht K. am 18.5.1946 mit, dass der Verein unter die Vereinigungen falle, die nach dem Gesetz Nr. 8 des Kontrollrates vom 30.11.1945 für ungesetzlich erklärt und damit als aufgelöst gelten würden. Die Verwaltung und Verfügung über das Vermögen des Vereins wurde sodann gemäß Befehl Nr. 126 der sowjetischen Militäradministration vom 30.10.1945 dem Chef der Verwaltung der sowjetischen Militäradministration in der ehemaligen sowjetischen Besatzungszone übertragen. Mit Schreiben vom 23.5.1951 wurde darum gebeten, die Kirchengemeinde J. in K. als Alleineigentümerin des betroffenen Grundstücks einzutragen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass es eine mündliche Zusage der Kommandantur der sowjetischen Militäradministration gebe, wonach die Kirche J. als Eigentümerin zu betrachten sei.

Daraufhin hat der damalige Sachbearbeiter des Grundbuchamtes verfügt:

"1.) Verfügung Blatt 79 und 79 R ausführen.

2.) Schreiben an Einsender: In pp. wird Ihnen aufgrund Ihres Schreibens vom 23.5.1951 Folgendes erwidert: Es trifft zu, dass eingetragener Eigentümer des Grundstücks F. Allee Nr. 16 der Verein N. in K. ist. Wie aus den einschlägigen Vereinsregisterakten - 5 VR 86 - des hiesigen AG zu ersehen ist, war der Verein bereits seit 8.10.1948 aufgelöst worden und in Liquidation getreten. Durch den richtigen Beschluss vom 3.12.1945 wurde außer dem allein noch vorhandenen Liquidator K. D. der Kaufmann L. W. in K. zum Liquidator bestellt, damit der in Liquidation befindliche Verein vertreten werden konnte. Aufgrund eines Schreibens vom 18.5.1946 des damaligen Magistrats zu K. ging uns die Mitteilung zu, dass der "Verein N. " e.V., in K. unter die Vereinigung falle, die nach dem Gesetz Nr. 2 des Kontrollrates vom 10.10.1945 für ungesetzlich erklärt sind und damit als aufgelöst gelten. Die Verwaltung und Verfügung über das Vermögen dieses Vereins war gemäß Befehl Nr. 126 der S. M. A. vom 31.10.1945 bis auf Weiteres dem Chef der Verwaltung der S. M. A. übertragen. Inwieweit hierbei in der Vermögensverwaltung die Änderung eingetreten ist, kann von hier nicht festgestellt werden. Jedenfalls kann nur von der für die Vermögensverwaltung zuständigen Stelle die Übertragung des fraglichen Grundbesitzes erfolgen. Die Eintragung der Kirchengemeinde J. als Eigentümer kann aus besagten Gründen aufgrund Ihres Antrages in der gestellten Form nicht stattfinden. Es wird Ihnen anheim gestellt, das Erforderliche zu veranlassen.

3.) Akten 5 VR 86 trennen.

K., den 24.5.1951

Sachbearbeiter."

In 1951 wurden noch Abtretungen von Hypotheken in das Grundbuch eingetragen.

Mit Schreiben vom 8.1.2015 beantragte der damalige Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten - der Notar Dr. H. B. - unter Vorlage einer ihm von der Beteiligten erteilten Vollmacht und unter Bezugnahme einer von ihm ausgestellten Urkunde (UR-Nr.: 10/2014), das Aufgebot nach § 927 BGB, §§ 442 - 445 FamFG zum Zwecke des Ausschlusses des als Eigentümer des im Grundbuch von K., Blatt ..., Flur ..., Flurstück ... eingetragenen "N. " e.V..

Zur Begründung verwies er auf seine in der Urkunde (UR-Nr.: 10/2014) enthaltenen Erklärungen. Darin heißt es unter I. unter anderem, dass die Kirchengemeinde bereits seit 1945 die Eigentümerrechte und die Eigentümerpflichten bezüglich des vorbezeichneten Grundstücks übernommen, insbesondere auch alle baulichen Maßnahmen auf eigene Rechnung vorgenommen und alle Lasten getragen habe. Sie habe unter anderem auch für das Grundstück B. Promenade 16 im Jahr 1992 eine Grundsteuerbefreiung erlangt. Ferner habe sie auch die Abfallgebühren und die Kosten der Schmutzwasserbeseitigung, der Niederschlagswasserbeseitigung und die Straßenreinigungsgebühren entrichtet, welche sämtlich auch an sie gerichtet worden seien. Die...

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