Leitsatz (amtlich)
1. Die Verteidigerbestellung im Vollstreckungsverfahren erstreckt sich, jedenfalls bei Vollzug einer Maßregel gemäß § 63 StGB, auf das gesamte Verfahren.
2. Die Auswechslung eines Pflichtverteidigers bei Fehlen eines wichtigen Grundes ist nach dem Grundsatz des fairen Verfahrens nur dann geboten, wenn der bisher beigeordnete notwendige Verteidiger mit einer Entbindung von der Pflichtverteidigung einverstanden ist und durch die Beiordnung des neuen Verteidigers weder eine Verfahrensverzögerung noch Mehrkosten für die Staatskasse verursacht werden.
Verfahrensgang
LG Stendal (Entscheidung vom 26.01.2010; Aktenzeichen 504 StVK 351/09) |
Tenor
Die Beschwerde des Betroffenen gegen die Entscheidung der Vorsitzenden der 4. Strafkammer - Strafvollstreckungskammer - des Landgerichts Stendal vom 26. Januar 2010 wird auf seine Kosten als unbegründet verworfen.
Gründe
I. Der Betroffene ist seit dem 27. September 2004 - zunächst vorläufig gemäß § 126 a StPO - im Landeskrankenhaus für Forensische Psychiatrie U., seit dem 04. Oktober 2007 in dessen Außenstelle L., untergebracht.
Im Rahmen der in der Vergangenheit durchgeführten Überprüfungsverfahren zur Erforderlichkeit einer weiteren Unterbringung ordnete die Kammer dem Betroffenen unter Berücksichtigung dessen jeweiliger Anträge verschiedene Verteidiger als Pflichtverteidiger bei. Zuletzt wurde dem Betroffenen am 04. Dezember 2008 Rechtsanwältin H. beigeordnet.
Durch Beschluss vom 20. März 2009, rechtskräftig seit 02. April 2009, wurde die Fortdauer der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet.
Mit Schreiben vom 14. Juli 2009 zeigte Rechtsanwalt B. unter Beifügung einer Vollmacht die Vertretung des Betroffenen an und beantragte seine Beiordnung als Pflichtverteidiger. Nach Hinweis des Gerichts, dass der Antrag erst im Rahmen des weiteren Prüfungsverfahrens berücksichtigt werden könne, wiederholte Rechtsanwalt B. mit Schreiben vom 07. Januar 2010 den Beiordnungsantrag.
Durch Beschluss vom 26. Januar 2010 wies die Vorsitzende der 4. Strafkammer des Landgerichts Stendal den Antrag des Betroffenen auf Beiordnung von nunmehr Rechtsanwalt B. unter Aufhebung der Bestellung der bisherigen Pflichtverteidigerin, Rechtsanwältin H., zurück.
Der hiergegen mit Schriftsatz des Rechtsanwalts B. vom 09. Februar 2010 erhobenen Beschwerde des Betroffenen hat die Kammer nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
Die Generalstaatsanwaltschaft Naumburg hat mit Zuschrift vom 18. März 2010 beantragt, auf die Beschwerde des Betroffenen den Beschluss der Vorsitzenden der 4. Strafkammer - Strafvollstreckungskammer - des Landgerichts Stendal vom 26. Januar 2010 aufzuheben und Rechtsanwalt B. aus Bg. als Pflichtverteidiger für das aktuelle Überprüfungsverfahren beizuordnen.
II. Die Beschwerde ist gemäß § 304 Abs. 1 StPO zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Die Entscheidung der Vorsitzenden der 4. Strafkammer des Landgerichts Stendal entspricht der Sach- und Rechtslage.
Der Senat hält an seiner Auffassung fest, dass sich die Verteidigerbestellung im Vollstreckungsverfahren, jedenfalls bei Vollzug einer Maßregel gemäß § 63 StGB, auf das gesamte Verfahren erstreckt (vgl. Senat, Beschluss vom 10. Mai 2005 - 1 Ws 250/05 -; Beschluss vom 08. September 2005 - 1 Ws 510/05 - ; zuletzt Beschluss vom 20. November 2009 - 1 Ws 750/09 - ; so auch Meyer-Goßner, StPO, 52. Auflage, § 140 Rn.33a; OLG Stuttgart, Beschluss vom 23. Mai 2000 - 2 Ws 96/2000 - ; OLG Hamm, Beschluss vom 10. Mai 2002 - 2 Ws 99/02 -).
Soweit in der Rechtsprechung die Auffassung vertreten wird, die Beiordnung eines Verteidigers im Vollstreckungsverfahren gelte nur für den jeweiligen Vollstreckungsabschnitt (vgl. KG, Beschluss vom 03. August 2001 - 5 Ws 380/01; OLG Schleswig, SchlHA 1989,105; OLG Frankfurt, NStZ-RR 2003,252; OLG München, Beschluss vom 09. März 2007 - 3 Ws 94/07 -), stimmt der Senat dem in dieser Allgemeinheit nicht zu.
Für diese Auffassung spricht zwar, dass die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage im Laufe eines Vollstreckungsverfahrens variieren kann, weswegen in manchen Verfahrensabschnitten die Mitwirkung eines Verteidigers erforderlich und geboten sein mag, während in anderen eine eigenständige Interessenwahrnehmung durch den Verurteilten ausreichend erscheint. Dies mag für den Bereich des Vollzuges von Freiheitsstrafen gelten.
Für die Vollstreckung einer Maßregel gemäß § 63 StGB ist demgegenüber zu beachten, dass in Verfahren, in denen es um die Fortsetzung, Aussetzung oder Beendigung der Unterbringung einer geistig erkrankten Person geht, die Beiordnung eines Verteidigers notwendig ist (vgl. EGMR vom 12.Mai 1992, StV 1993,88).
Diese Anforderung hat der Gesetzgeber in § 463 Abs. 3 S. 5 StPO erfüllt, indem er für alle von Verfahren nach § 67 d Abs. 2 und 3 StGB Betroffene die notwendige Verteidigung eingeführt hat. Aus dieser Vorschrift geht allerdings nur hervor, dass die Verteidigerbestellung in den genannten Fällen erforderlich ist, soweit der Verurteilte noc...