Leitsatz (amtlich)

Eine Bestellung des Jugendamtes als Pfleger setzt voraus, dass keine als Einzelpfleger geeignete Person vorhanden ist. Dies erfordert sorgfältige Ermittlungen des Gerichts.

Eine Bestellung des Jugendamtes ist - auch wenn es allgemein zulässig sein könnte - aus anderen Gründen kritisch zu beurteilen, insb. wenn andere Behörden involviert sind, die derselben Behördenspitze zugeordnet sind wie das Jugendamt.

 

Verfahrensgang

AG Magdeburg (Beschluss vom 01.09.2004; Aktenzeichen 272 F 151/04)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Kindes wird der durch Beschl. v. 20.9.2004 berichtigte Beschluss des AG - FamG - Magdeburg vom 1.9.2004 - 272 F 151/04, aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Entscheidung über die Bestellung eines Ergänzungspflegers an das AG Magdeburg - VormG - zurückverwiesen.

2. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren sind nicht angefallen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

3. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren beträgt 500 EUR.

 

Gründe

I. Die entweder gem. den §§ 621e Abs. 1, 621 Abs. 1 Nr. 1 ZPO oder gem. den §§ 19, 20 FGG i.V.m. den §§ 621a Abs. 1 S. 1, 621 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde des Kindes gegen den am 20. des Monats berichtigten Beschluss des AG - FamG - Magdeburg vom 1.9.2004 (Bl. 11, 17 d.A.) ist begründet.

Das FamG war zum einen, unabhängig von der problematischen Frage der funktionellen Zuständigkeit, nicht befugt zur Entscheidung über den ausdrücklich an das VormG gerichteten Antrag der Staatsanwaltschaft Magdeburg (Bl. 4 d.A.), für das Beschwerde führende Kind zwecks Durchführung einer Maßnahme gem. den §§ 81c, 81e und 81 f. StPO einen Ergänzungspfleger zu bestellen (1).

Zum anderen ist oder wäre auch bei unterstellter Zuständigkeit des FamG die Bestellung des Jugendamtes zum Ergänzungspfleger mangels pflichtgemäßer Ausübung des insoweit bestehenden Ermessens rechtsfehlerhaft (2), sodass entsprechend dem Ersuchen der Staatsanwaltschaft Magdeburg das VormG in eigener Verantwortung über die beantragte Ergänzungspflegschaft zu befinden hat (3).

1. Auf die gleichermaßen problematische wie hochkontrovers beurteilte Frage, ob das VormG oder das FamG für die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft für das Kind im Falle der - hier nach Maßgabe der §§ 52 Abs. 2 S. 2, 81c Abs. 3 S. 2 StPO gegebenen - Verhinderung der an sich zuständigen Eltern funktionell zuständig ist, kommt es im vorliegenden Fall nicht an.

Denn zur Beantwortung dieser Frage wäre und ist zunächst ausschließlich das VormG als Adressat des entsprechenden Antrags der Staatsanwaltschaft Magdeburg funktionell berufen gewesen, nicht aber, ohne entsprechenden Antrag oder Abgabe des Verfahrens seitens des VormG, das sich ohne verfahrensrechtliche Grundlage kurzerhand ohne Begründung für zuständig erachtende FamG des AG Magdeburg.

Keiner Entscheidung bedarf mithin das in Rechtsprechung und Literatur sehr unterschiedlich gelöste Problem der funktionellen Zuständigkeit des Familien- oder VormG bei die elterliche Sorge ergänzenden Pflegschaften, die zwar grundsätzlich gem. den §§ 1909 Abs. 1 S. 1, 1915 BGB in den sachlichen Zuständigkeitsbereich des VormG nach Maßgabe der §§ 1774 ff. BGB, §§ 35 ff. FGG fallen, aber wegen der in § 1915 Abs. 1 Halbs. 2 BGB enthaltenen Einschränkung "soweit sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt" auch über die §§ 1693, 1697 BGB alternativ oder exklusiv der Zuständigkeit der FamG überantwortet werden.

So vertreten einige OLG und diverse Stimmen in der Literatur im Hinblick auf die seit dem In-Kraft-Treten des Kindschaftsrechtsreformgesetzes am 1.7.1998 neu gefasste Vorschrift des § 1693 BGB die Auffassung, dass es sich dabei um eine anderweitige Regelung i.S.d. § 1915 Abs. 1 Halbs. 2 BGB handele, welche die sachliche Zuständigkeit des FamG für die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft gem. § 1909 BGB, soweit die elterliche Sorge betroffen sei, generell und vorrangig begründe OLG Dresden v. 6.7.2000 - 10 ARf 15/00, OLGReport Dresden 2000, 384 = FamRZ 2001, 715 ff.; BayObLG FamRZ 2000, 568 ff.; OLG Zweibrücken FamRZ 2000, 243 ff.). Denn für Maßnahmen, welche Sorgerechtsangelegenheiten beträfen, sei grundsätzlich das FamG zuständig, das folgerichtig gem. § 1693 BGB bei tatsächlicher oder rechtlicher Verhinderung der Eltern zur Ausübung des Sorgerechts auch als im Interesse des Kindes erforderliche Maßnahmen eine Pflegschaft anzuordnen habe (OLG Dresden v. 6.7.2000 - 10 ARf 15/00, OLGReport Dresden 2000, 384 = FamRZ 2001, 715 ff.; OLG Zweibrücken FamRZ 2000, 243 ff.; BayObLG FamRZ 2000, 568 ff.; OLG Stuttgart v. 16.12.1998 - 18 WF 562/98, OLGReport Stuttgart 1999, 205 = FamRZ 1999, 1601; Schwab in MünchKomm/BGB, Bd. 8, 4. Aufl. 2002, § 1909 Rz. 62; Palandt/Diederichsen, BGB, 63. Aufl. 2004, Einf. vor § 1909 Rz. 8, § 1693 Rz. 1).

Andere Gerichte wiederum vertreten die Auffassung, dass im Hinblick auf die gesetzlich vorgesehene originäre Zuständigkeit des VormG für die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft gem. den §§ 1909, 1915 Abs. 1 BGB...

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