Leitsatz (amtlich)
Es begründet die Besorgnis der Befangenheit, wenn ein Sachverständiger anregt, Beweis über eine - bis dahin vom Kläger nicht behauptete - mögliche Pflichtverletzung des Beklagten zu erheben. Er darf ebenso wenig wie ein Richter darauf hinwirken, dass eine Partei ihr Prozessziel auf einen anderen Tatsachenvortrag stützt.
Verfahrensgang
LG Dessau-Roßlau (Beschluss vom 18.10.2013; Aktenzeichen 3 O 40/13) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss der 3. Zivilkammer - Kammer für Handelssachen - des LG Dessau-Roßlau vom 18.10.2013 abgeändert und das Ablehnungsgesuch der Beklagten gegen den Sachverständigen Dr. D. S. für begründet erklärt.
Gründe
I. In dem Ausgangsverfahren ist zwischen den Parteien streitig, ob der von der Beklagten gelieferte 3D-Drucker bereits bei Gefahrübergang mangelhaft war oder ob die Klägerin Mängel durch eine fehlerhafte Bedienung hervorgerufen hat.
Mit Beweisbeschluss vom 29.8.2013 hat das LG Dessau-Roßlau die Einholung eines Sachverständigengutachtens hierzu angeordnet und Dr. D. S. zum Sachverständigen bestimmt. Auf den Beschluss wird Bezug genommen.
Der Sachverständige hat dem Gericht mit Schreiben vom 18.9.2013 mitgeteilt, beim Durcharbeiten der Akte festgestellt zu haben, dass der Drucker entgegen den Bestimmungen der EU-Maschinenrichtlinie 2006/42/EG, umgesetzt in der 9. ProdSGV, mit einer Bedienungsanleitung in englischer statt in deutscher Sprache übergeben worden sei. Zudem gehe aus der Akte nicht hervor, ob die zwingend vorgeschriebene EG-Konformitätserklärung vorgelegen habe und ob das CE-Kennzeichen deutlich sichtbar angebracht gewesen sei. Der Sachverständige hat vorgeschlagen, den Beweisbeschluss dahin zu ergänzen, ob "die Forderungen der 9. ProdSGV mit der Übergabe der Maschine durch den Lieferanten berücksichtigt und eingehalten" worden seien. Die Parteien haben mit Verfügung vom 23.9.2013 hierzu Gelegenheit zur Äußerung erhalten.
Hierauf hat die Beklagte den Sachverständigen mit anwaltlichem Schriftsatz vom 8.10.2013, eingegangen beim LG am selben Tag, wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Der Sachverständige habe sich mit dem Schreiben vom 18.9.2013 zu Sachverhalten geäußert, die von der Klägerin nicht gerügt worden waren. Ihm obliege nicht die Ergänzung oder Ersetzung klägerischen Vorbringens. Eine objektive Begutachtung sei nicht mehr zu erwarten, nachdem der Sachverständige angeregt habe, festzustellen, welche weiteren Pflichten die Beklagte nicht erfüllt haben könnte. Ein Sachverständiger setze sich der Sorge der Befangenheit aus, wenn er Beweisthemen umformuliere oder durch den Auftrag gezogene Grenze überschreite. Im Übrigen sei der Klägerin die Bedienungsanleitung in deutscher Sprache am 19.10.2012 übersandt worden. Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 16.10.2013 die Ergänzung des Beweisbeschlusses, wie vom Sachverständigen vorgeschlagen, beantragt.
Das LG hat das Ablehnungsgesuch mit Beschluss vom 18.10.2013 zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Sachverständige sei hier nicht eigenmächtig über das Beweisthema hinausgegangen, sondern habe noch vor der Begutachtung die Ergänzung des Beweisbeschlusses bei Gericht angeregt. Dieses Vorgehen sei zulässig. Der Sachverständige sei verpflichtet, einen Sachverhalt aus seiner fachkundigen Sicht umfassend zu prüfen und entsprechende fachlich begründete Hinweise zur klaren Abfassung des Beweisthemas zu geben. Gehe es, wie hier, um mögliche Bedienfehler käme es auch darauf an, ob der Klägerin eine Bedienungsanleitung in deutscher Sprache vorgelegen habe. Nicht entscheidungserheblich sei indes das Vorliegen der Konformitätserklärung und des CE-Kennzeichens. Insoweit sei eine Ergänzung des Beweisbeschlusses ohnehin nicht vorzunehmen.
Gegen diesen ihr am 24.10.2013 zugestellten Beschluss hat die Beklagte mit dem am 30.10.2013 beim LG eingegangen Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt und zur Begründung ergänzend ausgeführt, der Sachverständige habe den Eindruck erweckt, die Einhaltung der Bestimmungen der 9. ProdSGV könnte streitentscheidend sein. Er habe insoweit letztlich die Feststellung einer vermeintlichen Pflichtverletzung der Beklagten angeregt. Für die bereits Anfang Oktober 2011 gelieferte Maschine entfalte die erst zum 1.12.2011 in Kraft getretene 9. ProdSGV noch nicht einmal Wirkung. Für die Beurteilung eines Bedienfehlers käme es nicht auf das Überreichen einer deutschen Bedienungsanleitung an. Maßgeblich sei vielmehr, ob die Klägerin die Instruktionen durch die Beklagte beachtet habe.
Das LG hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 1.11.2013 mit der Begründung nicht abgeholfen, die Beschwerde enthalte keine Gesichtspunkte, die eine anderweitige Beurteilung rechtfertigen könnten.
II. Die sofortige Beschwerde der Beklagten ist gem. §§ 406 Abs. 5 i.V.m. 567 Abs. 1 Nr. 1, 568 ZPO zulässig, sie ist insbesondere auch innerhalb der in § 569 ZPO genannten Frist und Form eingelegt worden. Die sofortige Beschwerde der Beklagten ist auch begründet.
Der gem. § ...