Leitsatz (amtlich)
Die Schuldnerin eines wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsgebots, das im Kern untersagt, den Kunden zu einem vertragswidrigen Verhalten gegenüber seiner Kfz-Versicherung anzustiften, hat es auch zu unterlassen, Werbung mit einem Erlass der Selbstbeteiligung zu Lasten des Versicherung zu tätigen.
Verfahrensgang
LG Dessau (Beschluss vom 16.08.2006; Aktenzeichen 4 O 215/04) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Gläubigers wird der Beschluss der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des LG Dessau vom 16.8.2006 abgeändert.
Gegen die Schuldnerin wird wegen Zuwiderhandlung gegen die in dem Urteil des 7. Zivilsenates des OLG Naumburg vom 29.7.2004 angeordnete Unterlassungsverpflichtung ein Ordnungsgeld i.H.v. 5.000 EUR, ersatzweise für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, für je 500 EUR ein Tag Ordnungshaft, zu vollstrecken an einem der persönlich haftenden Gesellschafter der Schuldnerin, verhängt.
Die Kosten des Vollstreckungsverfahrens hat die Schuldnerin zu tragen.
Gründe
A. Mit dem am 29.7.2004 verkündeten Urteil hat das OLG Naumburg der Verfügungsbeklagten unter Androhung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu zwei Jahren, die Ordnungshaft zu vollstrecken an einem der persönlich haftenden Gesellschafter, es untersagt, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs mit dem Hinweis:
"DEFEKTE FRONTSCHEIBE?
Bei uns zahlen Sie
keinen Cent ....
.... wie Sie dabei Ihre Selbstbeteiligung bis zu 200 EUR bei Teilkaskoversicherung einsparen, erfahren Sie bei uns."
oder inhaltsgleiche Formulierungen zu werben und/oder ankündigungsgemäß zu verfahren.
Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils vom 29.7.2004 Bezug genommen.
Eine Urteilsausfertigung ist der Schuldnerin am 10.8.2004 von Anwalt zu Anwalt zugestellt worden. Unter dem 29.9.2004 unterzeichnete die Schuldnerin eine Abschlusserklärung, mit der sie die einstweilige Verfügung des OLG Naumburg vom 29.7.2004 als endgültige und zwischen den Parteien materiell-rechtlich verbindliche Regelung anerkannte und auf die Rechtsbehelfe der Fristsetzung zur Erhebung der Hauptsacheklage und des Antrags auf Aufhebung der einstweiligen Verfügung wegen veränderter Umstände verzichtete.
Am 18.1.2006 schaltete die Schuldnerin in der Anzeigenzeitung "W." mit Verteilerkreis im Einzugsgebiet der Stadt H. und im S. kreis ein Werbeinserat mit folgendem Wortlaut:
"DEFEKTE FRONTSCHEIBE?
Austausch und Reparatur
Im Autohaus E.
Wie Sie dabei bis zu 200 EUR sparen können, erfahren Sie bei uns.
In der Ausgabe des "W." vom 1.2.2006 erschien ein weiteres Inserat der Schuldnerin, das folgenden Inhalt aufwies:
"SPAREN SIE
jetzt noch bis zu 200 EUR ob Steinschlagreparatur oder Austausch AH E. die 1. Adresse bei
DEFEKTER FRONTSCHEIBE ...
alle Informationen im AH E."
Werbeannoncen mit vergleichbaren Inhalt wurden auch in den Ausgaben vom 15.2.2006, 1.3.2006, 15.3.2006, 26.4.2006, 3.5.2006, 10.5.2006 und 17.5.2006 veröffentlicht. In der regionalen Anzeigenzeitung "S." warb die Schuldnerin mit gleichlautenden Inseraten am 30.4.2006, am 7.5.2006, 14.5.2006, 21.5.2006 und 4.6.2006. Wegen der Einzelheiten wird auf die Ablichtungen der Werbeanzeigen - Anlagen G 7 bis G 11 und G 15 bis G 23 - Anlagenband - Bezug genommen.
Der Gläubiger hat die Ansicht vertreten, dass die Schuldnerin mit der Veröffentlichung der Werbeanzeigen schuldhaft gegen das gerichtliche Unterlassungsverbot verstoßen habe. Denn bei den beanstandeten Werbeaussagen handele es sich - ungeachtet der vorgenommenen Modifikationen in der Formulierung - im Kernbereich um mit der Unterlassungsverfügung inhalts- und deckungsgleiche Verletzungshandlungen. Die Werbung spreche erneut in erster Linie kaskoversicherte Personen mit Selbstbeteiligung an. Der durchschnittlich aufmerksame und verständige Verbraucher beziehe die von der Schuldnerin versprochene Ersparnis nämlich auf die Selbstbeteiligung seiner Kaskoversicherung und verstehe die Werbeanzeigen mithin dahin, dass er bei einer Reparatur oder dem Austausch der Frontscheibe die von ihm zu erbringende Selbstbeteiligung einsparen könne. Für den kaskoversicherten Kunden, der bei Eintritt des Versicherungsfalls die Selbstbeteiligung als eine fest stehende Größe zu leisten habe, sei dagegen gänzlich unerheblich, ob die Angebote verschiedener Hersteller Preisdifferenzen aufweisen würden und damit Unterschiede in der Preiskalkulation auftreten könnten.
Der Gläubiger hat beantragt, gegen die Schuldnerin wegen Zuwiderhandlung gegen das Unterlassungsgebot aus dem Urteil des OLG Naumburg vom 29.7.2004 ein empfindliches Ordnungsgeld zu verhängen, ersatzweise Ordnungshaft, die an einem der persönlich haftenden Gesellschafter der Schuldnerin zu vollziehen ist.
Die Schuldnerin ist dem Antrag entgegen getreten und dabei der Meinung gewesen, dass sie mit den von ihr geschalteten Werbeanzeigen nicht der ihr in der einstweil...