Leitsatz (amtlich)

1. Die Hinzuziehung eines Verkehrsanwalts ist zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig i.S.v. § 91 Abs. 1 ZPO, wenn die Prozesspartei zu einer unmittelbaren Kommunikation mit ihrem Hauptbevollmächtigten nicht in der Lage ist bzw. diese ihr unzumutbar erscheinen durfte.

2. Kosten, die einer Prozesspartei für die Aufarbeitung des Prozessstoffs, für die Sammlung und Sichtung von Beweismaterial bzw. für die Mitwirkung an der gerichtlichen Beweisaufnahme entstehen, sind grundsätzlich nicht erstattungsfähig.

Es widerspräche diesem kostenrechtlichen Grundsatz, wenn eine Prozesspartei ursprünglich nicht erstattungsfähige Aufwendungen dadurch auf den Prozessgegner abwälzen könnte, dass sie sich ihrer eigenen Sachkunde entledigt, z.B. durch die Beendigung des dauerhaften Anstellungsverhältnisses eines Fachmanns oder durch betriebliche Umstrukturierungen, bzw. den Anspruch an einen Dritten, selbst nicht Fachkundigen, abtritt.

 

Verfahrensgang

LG Magdeburg (Beschluss vom 28.04.2011; Aktenzeichen 10 O 16/08)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin des LG Magdeburg vom 28.4.2011 in der Fassung der teilweisen Abänderung mit Beschluss vom 13.9.2011 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Der Kostenwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 40.869,98 EUR festgesetzt.

 

Gründe

A. Die Klägerin hat gegen die Beklagte restlichen Werklohn geltend gemacht. Durch das am 27.10.2010 verkündete Urteil der 10. Zivilkammer des LG Magdeburg ist der Klage teilweise stattgegeben worden. Unter Ziff. 3 des Urteilsausspruches sind die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz der Klägerin zu 60 % und der Beklagten zu 40 % auferlegt worden. Hinsichtlich der Kosten der zweiten Instanz ist nur eine Aufteilung der außergerichtlichen Auslagen dergestalt erfolgt, dass die Klägerin 30 % und die Beklagte 70 % aller erstattungsfähigen außergerichtlichen Aufwendungen zu tragen haben. Die Gerichtskosten des Berufungsverfahrens sind niedergeschlagen worden.

Die Klägerin hat mit Kostenfestsetzungsanträgen vom 14.12.2010 ihre Aufwendungen für die Prozessbevollmächtigten sowie vom 3.3.2011 ihre Aufwendungen als Partei beziffert, und zwar für die erste Instanz auf insgesamt 54.540,82 EUR und für die zweite Instanz auf insgesamt 11.821,81 EUR. Die Beklagte hat ihre Kosten mit Schriftsatz vom 27.12.2010 i.H.v. 19.047,54 EUR in erster Instanz und i.H.v. 7.789,27 EUR in zweiter Instanz berechnet.

Mit ihrem Beschluss vom 28.4.2011 hat die Rechtspflegerin des LG Magdeburg die von der Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Kosten auf 14.662,28 EUR festgesetzt. Hiergegen haben sowohl die Klägerin als auch die Beklagte sofortige Beschwerde eingelegt. Nach teilweiser Erläuterung der Kostenfestsetzung durch die Rechtspflegerin haben die Klägerin und die Beklagte ihre Rechtsmittel jeweils teilweise zurückgenommen. Die Rechtspflegerin hat dem Rechtsmittel der Beklagten vollständig und demjenigen der Klägerin teilweise abgeholfen mit ihrem Beschluss vom 13.9.2011; im Ergebnis hat sie den vorgenannten Kostenfestsetzungsbeschluss abgeändert und nunmehr die von der Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Kosten auf 11.007,15 EUR festgesetzt. Diesem Kostenausgleich liegen erstattungsfähige außergerichtliche Aufwendungen der Klägerin in erster Instanz i.H.v. 17.898,19 EUR und in zweiter Instanz i.H.v. 7.501,71 EUR sowie solche Aufwendungen der Beklagten in antragsgemäßer Höhe zugrunde. Soweit sie der sofortigen Beschwerde der Klägerin nicht abgeholfen hat, hat sie die Sache dem OLG Naumburg zur Entscheidung vorgelegt. Auf die Gründe des Nichtabhilfebeschlusses wird Bezug genommen.

Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 23.9.2011 bekräftigt, dass sie an ihrem Rechtsmittel, soweit nicht abgeholfen worden ist, festhält. Hierzu ist den Beteiligten rechtliches Gehör gewährt worden.

B. Das Rechtsmittel ist als sofortige Beschwerde nach § 11 Abs. 1 RPflG i.V.m. §§ 104 Abs. 3 S. 1, 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO zulässig, es ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden und die erforderliche Mindestbeschwer ist überschritten. Die sofortige Beschwerde hat aber in der Sache keinen Erfolg.

I. Die Klägerin wendet sich mit ihrem Rechtsmittel zunächst dagegen, dass die Rechtspflegerin die Kosten des Korrespondenzanwalts als nicht erstattungsfähig bewertet und stattdessen die Kosten für drei Informationsreisen in erster Instanz und eine Informationsreise in zweiter Instanz in Ansatz gebracht hat. Das Beschwerdevorbringen der Klägerin ist unbegründet.

1. Maßstab für die Erstattungsfähigkeit von Verkehrsanwaltsgebühren sind hier § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO und § 52 BRAGO hinsichtlich der Gebühren in erster Instanz (§ 60 Abs. 1 S. 1 RVG) bzw. § 2 Abs. 2 RVG i.V.m. VV Nr. 3400 RVG (§ 60 Abs. 1 S. 2 RVG) hinsichtlich der Gebühren in dem im Jahre 2002 eingeleiteten Berufungsverfahren. Nach der grundsätzlichen Regelung zum Umfang der Kostenpflicht sind von den tatsächlich erwachsene...

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